Was hat es mit dem Rückruf auf sich?
Im Skandal um manipulierte Diesel-Abgaswerte hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Rückruf von allen betroffenen 2,4 Millionen Volkswagen-Fahrzeugen in Deutschland angeordnet. Das KBA hält die Software in diesen VW-Diesel-Fahrzeugen für illegal. Die Behörde vertrete die Auffassung, dass es sich um eine „unzulässige Abschalteinrichtung handelt“, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Wie in den USA ist die Software zudem nicht nur verbaut, sondern auch aktiv.
Europaweit wird der Volkswagen-Konzern nach eigenen Angaben übrigens insgesamt rund 8,5 Millionen Fahrzeuge zurückrufen.
Kann das KBA den Rückruf "anordnen"?
Das klingt nicht nur so. Theoretisch hätte das KBA Volkswagen den Rückruf wie angeboten freiwillig durchführen lassen können. Dagegen spricht aber wohl zum einem die schiere Größe von 2,4 Millionen betroffenen Fahrzeugen, die, wie Dobrindt sagte, "die Kontrolle und die Überwachung des Rückrufs notwendig macht". Zum anderen zeigt die Behörde dem Autokonzern so sehr deutlich, dass er nun unter genauer Beobachtung steht.
Was bei der Rückruf-Aktion auf VW-Besitzer zukommen könnte
Das Kraftfahrtbundesamt hat angeordnet 2,4 Millionen VW-Diesel-Fahrzeuge in die Werkstätten zurückzurufen. Laut Plan sollen im Januar 2016 die ersten Autos in die Werkstätten. Bis zum Ende des kommenden Jahres könnten dann alle betroffenen Autos überholt sein. In einem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ hatte VW-Chef Matthias Müller aber zuvor auch nicht ausgeschlossen, manche Autos komplett auszutauschen, anstatt sie umzurüsten: „Das muss man im Einzelfall prüfen.“
Es geht bei den Nachbesserungen nicht nur um die Manipulations-Software. Für die meisten Motoren genüge es zwar, wenn ein neues Programm aufgespielt werde, sagte Müller. Manche Autos könnten aber auch neue Einspritzdüsen und Katalysatoren bekommen. Die Umrüstung ist auch deshalb kompliziert, weil der betroffene Motortyp EA 189 in zahlreichen Kombinationen und Ländervarianten verbaut ist. Motorenexperte Prof. Jörn Getzlaff von der Hochschule Zwickau hält es aber für möglich, dass Volkswagen keine komplett neue Technik entwickeln muss: „Es kann durchaus sein, dass VW auf eine Lösung zurückgreift, die der Konzern schon heute in seine neue Motorengeneration einbaut.“ Diese neuen Aggregate erfüllen die strengeren Umweltauflagen der Euro-6-Norm.
Das ist möglich. Durch die Umrüstung könnten sich die Leistung und der Spritverbrauch ändern, sagt Getzlaff. Es müsse aber nicht unbedingt so sein, dass das Auto dann langsamer wird und mehr verbraucht. VW-Chef Müller sagte, es sei wichtiger, „das CO2-Ziel zu halten und dafür vielleicht auf 3 bis 5 km/h Höchstgeschwindigkeit zu verzichten“.
Autokäufer müssten sich vermutlich zunächst mit dem Verkäufer des Autos streiten - in den meisten Fällen also mit dem Händler, nicht mit dem VW-Konzern, erklärt Thomas Rüfner, Rechtsprofessor an der Universität Trier. Es sei möglich, dass der Händler Autos zurücknehmen müsse. Dafür müssten aber einige Voraussetzungen erfüllt sein: erhebliche Mängel, also dass das Auto nach der Umrüstung zum Beispiel deutlich langsamer fährt oder viel mehr Sprit verbraucht. Der Kauf darf auch nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. „Der Autokäufer würde vermutlich den kompletten Kaufpreis zurückbekommen, müsste aber wohl nachträglich für die Nutzung des Autos zahlen“, sagt Rüfner. Wenn sich die Fahreigenschaften des Autos nur in geringem Maße ändern, könne aber der Kaufpreis gemindert werden.
Eine VW-Kundin, die ihr Auto im Jahr 2010 gekauft hat, versucht das bereits. Sie hat eine Klage direkt gegen den VW-Konzern eingereicht, unter anderem wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Die Frau sehe sich in ihrer Erwartung enttäuscht, ökologisch unterwegs zu sein, teilte ihr Anwalt mit. Ein VW-Sprecher wollte sich zu der Klage zunächst nicht äußern, der Vorgang sei ihm nicht bekannt.
Dazu hat sich VW bislang nicht geäußert. Autohersteller sind dazu jedenfalls nicht gesetzlich verpflichtet, sagt Gabriele Emmrich von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Andere Autohersteller wie Toyota hatten einen solchen Service bei Rückrufen in der Vergangenheit schon angeboten, allerdings ging es da um weniger Autos als bei Volkswagen. Emmrich zufolge stellen Händler und Hersteller nur in Ausnahmefällen ein Leihauto zur Verfügung.
War nicht vorher von 2,8 Millionen betroffenen Fahrzeugen die Rede?
Ja. Insgesamt wurden in Deutschland in den vergangenen Jahren 2,8 Millionen Fahrzeuge mit der fraglichen Software an Bord zugelassen. Davon sind aber offenbar längst nicht mehr alle unterwegs.
Wie geht es jetzt für mich als Autofahrer weiter?
Sie können mit Ihrem Volkswagen-Fahrzeug erstmal wie gewohnt weiterfahren. Die Sicherheit ist nicht beeinträchtigt, betonen alle Stellen. Auch Nachteile durch die Abgasmanipulationen, etwa höhere Steuern, soll es nicht geben. 2016 sollten dann aber wirklich alle 2,4 Millionen Fahrzeuge in die Werkstatt. Die betroffenen Autofahrer bekommen „in den nächsten Wochen und Monaten“ Post von VW. In dem Schreiben wird dann das weitere Vorgehen erklärt.
Zwar, so informiert der ADAC, wird der Kunde durch das Anschreiben "nicht verpflichtet, eine Werkstatt aufzusuchen. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei 'unbehandelten Kfz' langfristig zu Nachteilen bei der Kfz-Steuer, der Umweltplakette oder schlimmstenfalls bei der Zulassung des Kfz kommt. Hierzu müsste jedoch das Ausmaß der Manipulation näher bekannt sein sowie die Wirkung der Servicemaßnahmen."
Gibt es einen Zeitplan für den Rückruf?
Einen sehr groben. Der Rückruf soll Anfang 2016 starten. Dafür muss VW bis Ende November die technischen Lösungen für die Fahrzeuge dem KBA vorführen. Wann der Rückruf und die technischen Änderungen abgeschlossen sind, ist aber noch offen. Nicht überall ist es nämlich mit einem einfachen software-Update getan. Bei Fahrzeugen mit 1,6-Liter-Motor müssen die Techniker wohl auch an die Hardware, also den Motor, ran. VW hat angegeben, dass ein Bauteil dafür erst ab September 2016 verfügbar sein werde.
Ist die VW-Rückruf-Aktion wirklich so etwas Besonderes?
Der Umfang ist für Deutschland ein trauriger Rekord: 2014 hat das KBA insgesamt 1,5 Millionen Fahrzeuge verschiedener Hersteller zurückgerufen, im Jahr davor nur 770.000.
Weltweit sind Mammutrückrufaktionen kein Einzelfall. Kleine Auswahl aus diesem Jahr: Erst im September musste Fiat Chrysler in Nordamerika gut 1,7 Millionen Fahrzeuge wegen technischer Mängel - Fehler am Lenkrad und Probleme mit Airbags - in die Werkstätten rufen. Im Juli rief Chrysler 1,4 Millionen Wagen wegen einer Sicherheitslücke zurück, die zwei Hacker aufgedeckt hatten. Im Mai musste der japanische Airbag-Hersteller Takata Gefahren bei insgesamt 19,2 Millionen Autos zugeben und läutete damit die bis dahin größte Rückrufaktion der US-Autoindustrie ein.
Die größten Rückrufe der letzten Jahre
Immer wieder müssen Autohersteller Wagen in die Werkstätten beordern. In der Abgas-Affäre steht Volkswagen mit insgesamt elf Millionen betroffenen Autos vor einer der größten Aktionen der vergangenen Jahre.
Fast 7,5 Millionen Autos weltweit ruft Toyota wegen Problemen mit elektrischen Fensterhebern zurück.
Chrysler startet einen massenhaften Rückruf in den USA. Die Verkehrssicherheitsbehörde hatte gefordert, 2,7 Millionen ältere Jeep Grand Cherokee und Jeep Liberty zu prüfen - Tanks könnten bersten, wenn die Geländewagen gerammt würden.
Volkswagen holt über 2,6 Millionen Autos in die Werkstätten. Weltweit gibt es Qualitätsprobleme. Im selben Monat treten wegen diverser Rückrufaktionen des südkoreanischen Autobauers HYUNDAI drei Manager dieses Unternehmens zurück.
General Motors weitet die Rückrufaktion wegen Problemen an Zündschlössern aus. Betroffen sind mittlerweile rund 2,6 Millionen Fahrzeuge. Sie wurden meist in den USA und Kanada verkauft. Der Konzern muss sich für mindestens 13 Tote und 31 Unfälle verantworten.
Der japanische Kleinwagen-Spezialist Suzuki Motor ruft rund zwei Millionen Autos in die Werkstätten zurück, die meisten davon in Japan. Grund sind mögliche Defekte bei Zündschlössern.
Der japanische Airbag-Hersteller Takata muss Gefahren bei insgesamt 19,2 Millionen Autos zugeben und läutet damit die bis dahin größte Rückrufaktion der US-Autoindustrie ein.
Chrysler ruft in den USA 1,4 Millionen Wagen wegen einer Sicherheitslücke zurück, die zwei Hacker aufgedeckt hatten. Durch fehlerhafte Software könnten Autos aus der Ferne manipuliert werden.
Wegen Airbag-Problemen ruft Volkswagen in den USA 420 000 Autos zurück. Schwierigkeiten mit einer Feder am Lenkrad könnten dazu führen, dass der Airbag bei einem Unfall nicht auslöst.
Fiat Chrysler muss in Nordamerika gut 1,7 Millionen Fahrzeuge wegen technischer Mängel in die Werkstätten beordern. Die Gründe sind Fehler am Lenkrad und Probleme mit Airbags.
In der Diesel-Affäre ordnet das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen verpflichtenden Rückruf für 2,4 Millionen Volkswagen-Fahrzeuge in Deutschland an.
Ist mein Auto überhaupt betroffen?
Nach Angaben von Volkswagen sind weltweit etwa fünf Millionen Autos der Kernmarke VW-Pkw, 2,1 Millionen Audis, 1,2 Millionen Skodas, 700.000 Seats sowie 1,8 Millionen leichte Nutzfahrzeuge betroffen. Die einzelnen Marken haben inzwischen Websites eingerichtet, über die der Kunde mittels der Fahrgestellnummer überprüfen kann, ob sein Auto betroffen ist:
Wie es um den VW-Konzern steht
Was hat die Schummel-Software nochmal gemacht?
Die "Defeat Device" genannte Software, die den Skandal ausgelöst hatte, stellt fest, ob sich ein Auto in einem Abgastest befindet. Nur dann ist die aufwändige Reinigung der Abgase voll aktiv, im Normalbetrieb ist die Luftverschmutzung dagegen um ein Vielfaches höher.
Wie wirkt sich der Skandal auf die VW-Verkaufszahlen aus?
Bei den Verkaufszahlen in Europa hat VW - wie alle deutschen Autobauer - im September sogar noch zugelegt. Experten schließen jedoch nicht aus, dass sich der Skandal in den kommenden Monaten negativ auf die Zahlen auswirkt. Neuwagen-Verkäufen geht in der Regel ein verlauf von einigen Wochen voraus. Mittelfristig dürfte sich der Skandal negativ auf die Produktion von Volkswagen-Fahrzeugen auswirken. „Wir rechnen in 2016 mit gut 265.000 weltweit produzierten Fahrzeugen weniger als bisher prognostiziert“, erklärt Mario Franjicevic, Senior Analyst beim Analysehaus IHS, in der aktuellen Ausgabe der WirtschaftsWoche (Paywall). Besonders stark werde der Konzern die Produktion nach Ansicht des Experten in den USA herunterfahren müssen.
Und wie sieht es im Konzern aus?
Die Stimmung ist angespannt. VW-Chef Müller hat am Donnerstag hunderte Top Manager zum Krisentreffen einbestellt und darauf eingeschworen. Laut Teilnehmern betonte er aber auch, dass es zu schaffen sei, die Situation zu meistern. Das Ziel für VW sei es, nicht nur zu alter Stärke zurückzufinden, sondern eben auch zu neuer Stärke. Der Skandal müsse von allen als eine Chance zur Veränderung begriffen werden. Demut sei ein Gebot der Stunde.
So könnte VW die "Dieselgate"-Kosten schultern
Der Abgas-Skandal kratzt nicht nur am Image des Volkswagen-Konzerns - er dürfte vor allem sehr teuer werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Kosten des Skandals und wie VW sie stemmen könnte.
Quelle: dpa
Darüber rätseln Beobachter derzeit. Bislang bekannt ist: Volkswagen hat 6,5 Milliarden Euro für Kosten aus dem Abgas-Skandal zurückgelegt. Das Geld ist aber wohl in erster Linie für eine technische Umrüstung der Autos mit Manipulations-Software bestimmt, wie Finanzchef Hans Dieter Pötsch laut dem Fachblatt „Automobilwoche“ kürzlich vor VW-Managern erklärte. Unklar ist, welche Strafzahlungen auf VW zukommen. Dazu dürften noch mindestens drei andere mögliche Kostenblöcke kommen: Strafzahlungen, Schadenersatzforderungen, Anwaltskosten. Wie hoch diese Ausgaben sein werden, lässt sich derzeit nur grob schätzen. Die Landesbank Baden-Württemberg rechnet derzeit mit einem Schaden von 47 Milliarden Euro für den Konzern. Ein möglicher Imageverlust und damit verbunden ein Rückgang der Autoverkäufe ist dabei noch nicht eingerechnet. Allerdings werden die Kosten wohl nicht auf einmal anfallen, sondern sich über Jahre verteilen.
Vergleichsweise viel. VW hat sich in den vergangenen Jahren ein stattliches Kapitalpolster zugelegt. Zur Jahresmitte hatte der Konzern rund 18 Milliarden Euro Bargeld auf dem Konto. Das ist mehr als ganze Dax-Konzerne wie Adidas oder Lufthansa einzeln an der Börse wert sind. „Über den Daumen gepeilt kann VW davon die Hälfte verwenden, um mögliche Kosten zu begleichen“, sagt Nord-LB-Analyst Frank Schwope. Dazu kommen bei VW noch schnell veräußerbare Wertpapiere über 15 Milliarden Euro und Schätzungen zufolge mindestens 5 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Beteiligungen am ehemaligen Partner Suzuki und an einer niederländischen Leasingfirma.
Das ist sehr unwahrscheinlich. VW könnte sich über Anleihen und Kredite Geld leihen, auch wenn einige Ratingagenturen ihre Bewertungen der Kreditwürdigkeit des Konzerns zuletzt angepasst hatten. Wenn es irgendwann hart auf hart käme, könnte Volkswagen immer noch sein Tafelsilber verkaufen. Am einfachsten ließen sich wohl die Luxusmarken Bentley, Bugatti und Lamborghini aus dem Konzern herausnehmen. Nord-LB-Analyst Schwope schätzt den möglichen Verkaufserlös für die drei Marken und den Motorradhersteller Ducati auf 5 bis 10 Milliarden Euro. Durch einen Verkauf der Lastwagenbauer MAN und Scania ließen sich nach seinen Berechnungen sogar 30 bis 35 Milliarden Euro erzielen. Das wertvollste Juwel in der Sammlung, den Sportwagenbauer Porsche, dürften die VW-Anteilseigner kaum abgeben wollen.
Nur begrenzt. Eine Kapitalerhöhung - also die Ausgabe neuer Aktien - ist bei VW nicht so leicht wie in anderen Konzernen. Damit die Familien Porsche und Piëch sowie das Land Niedersachsen als Anteilseigner ihre Macht im Konzern nicht verlieren, darf sich deren jeweiliger Anteil an den Stammaktien nicht stark verringern. Vor allem Niedersachsen dürfte aber derzeit kaum ein Interesse daran haben, weitere Stammaktien zu kaufen und Geld in den VW-Konzern zu stecken. VW könnte deshalb wohl höchstens neue Vorzugsaktien ausgeben, das sind Aktien ohne Stimmrecht auf der Hauptversammlung des Konzerns. Laut Aktiengesetz darf die Zahl dieser Vorzugsaktien die Zahl der Stammaktien allerdings nicht übersteigen. VW könnte deshalb höchstens rund 114 Millionen neue Aktien ausgeben und damit auf Basis derzeitiger Kurse rund 11 Milliarden Euro einsammeln.
In der Regel setzen Sparmaßnahmen bei großen Konzernen zuerst bei den Mitarbeitern an: Weniger Gehalt, Einstellungsstopps, bis hin zu Stellenstreichungen und Entlassungen. Bei Volkswagen wäre das allerdings nicht so einfach. Die Arbeitnehmervertreter haben in Wolfsburg deutlich mehr Macht als in anderen Konzernen. Einfacher wäre die Kürzung geplanter Investitionen. Hier hatte Volkswagen angepeilt, bis 2019 eine Summe von mehr als 100 Milliarden Euro in Standorte, Modelle und Technologien zu stecken. Laut Experte Schwope könnte VW hier den Rotstift ansetzen und so 2 Milliarden Euro jährlich sparen, vor allem bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nur: Dann besteht die Gefahr, von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Der Zeitpunkt wäre denkbar ungünstig - die Autoindustrie steht durch Digitalisierung und Elektroantriebe vor einem Umbruch.
Was tut sich beim Konzern denn bislang?
Neben dem Abgang führender Manager und Änderungen an der Unternehmensstruktur geht es beim Unternehmen auch an die Substanz. Am Dienstag verkündete Volkswagen, angesichts des Abgas-Skandals massiv die Investitionen in die Kernmarke VW zur kürzen - pro Jahr soll eine Milliarde Euro weniger als bisher geplant ausgegeben werden.
Zudem will der Konzern die Diesel-Strategie neu ausrichten. Der Einsatz der fortschrittlicheren Technologie dürfte auch steigende Kosten nach sich ziehen. Zugleich verstärkt der Konzern seine Bemühungen, Fahrzeuge ohne Verbrennungsmotor zu bauen. Zur Entwicklung von Elektrofahrzeugen soll es einen neuen Standard-„Baukasten“ für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge geben. Die neue Version des Luxuswagens Phaeton soll elektrisch werden.
Welche personellen Konsequenzen gab es bei VW bislang?
Der Chef ist weg. Martin Winterkorn musste gehen, Matthias Müller steht jetzt an der Spitze des Vorstands. Auch der Aufsichtsratsvorsitz hat gewechselt, Interims-Lösung Berthold Huber hat an den ehemaligen Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch übergeben – dieser Wechsel hätte früher oder später aber auch ohne den Skandal stattgefunden. Außerdem wurden die Entwicklungschefs von Volkswagen (Heinz-Jakob Neußer), Audi (Ulrich Hackenberg) und Porsche (Wolfgang Hatz) beurlaubt – alle drei waren während des Zeitraums des Betrugs entweder in der Motoren- oder der Gesamtentwicklung verantwortlich.
Daneben sind offenbar noch weit mehr Manager in den Skandal verwickelt. So sollen mindestens 30 Manager wegen des jahrelangen Abgasbetrugs mit einer verbotenen Software beurlaubt werden, will der Spiegel erfahren haben. VW hat den Bericht allerdings deutlich zurückgewiesen. „Die Zahl entbehrt jeglicher Grundlage“, sagte ein Konzernsprecher am Mittwoch.
Winfried Vahland, vor wenigen Tagen eigentlich als Nordamerika-Chef auserkoren, kehrt VW offenbar den Rücken. Man sei sich über die Strategie uneins, heißt zur Begründung.
Und wie geht’s für VW weiter?
Da gibt es gleich mehrere Baustellen. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch muss in Zusammenarbeit mit der US-Kanzlei Jones Day aufklären, wie es zu dem massenhaften Betrug kommen konnte.
Matthias Müller als neuer Vorstandsboss muss hingegen mit seiner zum Teil neu formierten Führungsmannschaft den Konzern fit für die finanziellen Folgen des Skandals machen und den Rückruf der betroffenen Autos vorbereiten. Zahlreiche Investitionen werden derzeit auf den Prüfstand gestellt.
Zudem muss die Rückrufaktion auch technisch und logistisch gestemmt werden. Daneben drohen VW noch jahrelang juristische Probleme wegen der Manipulationen – in verschiedenen Ländern und von unterschiedlichen Seiten. Denn nicht nur die Behörden sind stinkig, auch die Anleger und Fahrzeughalter drohen mit Klage. Die gesamten finanziellen Folgen von "Dieselgate" sind noch nicht absehbar. Im dritten Quartal hat der Autobauer bereits 6,5 Milliarden Euro zurückgestellt. Doch Experten sind sich einig, dass diese Summe bei weitem nicht ausreichen wird.
Zieht der Skandal weiter Kreise?
Sicher. Der Skandal hat eine Debatte über Abgaswerte und Testmethoden insgesamt ausgelöst. Bekannt ist, dass die Labortestergebnisse weit von den wirklichen Emissionen abweichen. In der EU soll deswegen ab 2017 ein neues Testregime eingeführt werden, dessen Details derzeit diskutiert werden. Zudem steht der Kraftstoff Diesel stärker in der Kritik als je zuvor. Nicht nur Umweltschützer laufen dagegen Sturm, auch auf politischer Ebene passiert etwas. Die französische Regierung etwa will den Steuervorteil für Diesel reduzieren. In Deutschland soll der aber offenbar erstmal beibehalten werden.
Mit Material von dpa/reuters