Was hat die Schummel-Software nochmal gemacht?
Die "Defeat Device" genannte Software, die den Skandal ausgelöst hatte, stellt fest, ob sich ein Auto in einem Abgastest befindet. Nur dann ist die aufwändige Reinigung der Abgase voll aktiv, im Normalbetrieb ist die Luftverschmutzung dagegen um ein Vielfaches höher.
Wie wirkt sich der Skandal auf die VW-Verkaufszahlen aus?
Bei den Verkaufszahlen in Europa hat VW - wie alle deutschen Autobauer - im September sogar noch zugelegt. Experten schließen jedoch nicht aus, dass sich der Skandal in den kommenden Monaten negativ auf die Zahlen auswirkt. Neuwagen-Verkäufen geht in der Regel ein verlauf von einigen Wochen voraus. Mittelfristig dürfte sich der Skandal negativ auf die Produktion von Volkswagen-Fahrzeugen auswirken. „Wir rechnen in 2016 mit gut 265.000 weltweit produzierten Fahrzeugen weniger als bisher prognostiziert“, erklärt Mario Franjicevic, Senior Analyst beim Analysehaus IHS, in der aktuellen Ausgabe der WirtschaftsWoche (Paywall). Besonders stark werde der Konzern die Produktion nach Ansicht des Experten in den USA herunterfahren müssen.
Und wie sieht es im Konzern aus?
Die Stimmung ist angespannt. VW-Chef Müller hat am Donnerstag hunderte Top Manager zum Krisentreffen einbestellt und darauf eingeschworen. Laut Teilnehmern betonte er aber auch, dass es zu schaffen sei, die Situation zu meistern. Das Ziel für VW sei es, nicht nur zu alter Stärke zurückzufinden, sondern eben auch zu neuer Stärke. Der Skandal müsse von allen als eine Chance zur Veränderung begriffen werden. Demut sei ein Gebot der Stunde.
So könnte VW die "Dieselgate"-Kosten schultern
Der Abgas-Skandal kratzt nicht nur am Image des Volkswagen-Konzerns - er dürfte vor allem sehr teuer werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Kosten des Skandals und wie VW sie stemmen könnte.
Quelle: dpa
Darüber rätseln Beobachter derzeit. Bislang bekannt ist: Volkswagen hat 6,5 Milliarden Euro für Kosten aus dem Abgas-Skandal zurückgelegt. Das Geld ist aber wohl in erster Linie für eine technische Umrüstung der Autos mit Manipulations-Software bestimmt, wie Finanzchef Hans Dieter Pötsch laut dem Fachblatt „Automobilwoche“ kürzlich vor VW-Managern erklärte. Unklar ist, welche Strafzahlungen auf VW zukommen. Dazu dürften noch mindestens drei andere mögliche Kostenblöcke kommen: Strafzahlungen, Schadenersatzforderungen, Anwaltskosten. Wie hoch diese Ausgaben sein werden, lässt sich derzeit nur grob schätzen. Die Landesbank Baden-Württemberg rechnet derzeit mit einem Schaden von 47 Milliarden Euro für den Konzern. Ein möglicher Imageverlust und damit verbunden ein Rückgang der Autoverkäufe ist dabei noch nicht eingerechnet. Allerdings werden die Kosten wohl nicht auf einmal anfallen, sondern sich über Jahre verteilen.
Vergleichsweise viel. VW hat sich in den vergangenen Jahren ein stattliches Kapitalpolster zugelegt. Zur Jahresmitte hatte der Konzern rund 18 Milliarden Euro Bargeld auf dem Konto. Das ist mehr als ganze Dax-Konzerne wie Adidas oder Lufthansa einzeln an der Börse wert sind. „Über den Daumen gepeilt kann VW davon die Hälfte verwenden, um mögliche Kosten zu begleichen“, sagt Nord-LB-Analyst Frank Schwope. Dazu kommen bei VW noch schnell veräußerbare Wertpapiere über 15 Milliarden Euro und Schätzungen zufolge mindestens 5 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Beteiligungen am ehemaligen Partner Suzuki und an einer niederländischen Leasingfirma.
Das ist sehr unwahrscheinlich. VW könnte sich über Anleihen und Kredite Geld leihen, auch wenn einige Ratingagenturen ihre Bewertungen der Kreditwürdigkeit des Konzerns zuletzt angepasst hatten. Wenn es irgendwann hart auf hart käme, könnte Volkswagen immer noch sein Tafelsilber verkaufen. Am einfachsten ließen sich wohl die Luxusmarken Bentley, Bugatti und Lamborghini aus dem Konzern herausnehmen. Nord-LB-Analyst Schwope schätzt den möglichen Verkaufserlös für die drei Marken und den Motorradhersteller Ducati auf 5 bis 10 Milliarden Euro. Durch einen Verkauf der Lastwagenbauer MAN und Scania ließen sich nach seinen Berechnungen sogar 30 bis 35 Milliarden Euro erzielen. Das wertvollste Juwel in der Sammlung, den Sportwagenbauer Porsche, dürften die VW-Anteilseigner kaum abgeben wollen.
Nur begrenzt. Eine Kapitalerhöhung - also die Ausgabe neuer Aktien - ist bei VW nicht so leicht wie in anderen Konzernen. Damit die Familien Porsche und Piëch sowie das Land Niedersachsen als Anteilseigner ihre Macht im Konzern nicht verlieren, darf sich deren jeweiliger Anteil an den Stammaktien nicht stark verringern. Vor allem Niedersachsen dürfte aber derzeit kaum ein Interesse daran haben, weitere Stammaktien zu kaufen und Geld in den VW-Konzern zu stecken. VW könnte deshalb wohl höchstens neue Vorzugsaktien ausgeben, das sind Aktien ohne Stimmrecht auf der Hauptversammlung des Konzerns. Laut Aktiengesetz darf die Zahl dieser Vorzugsaktien die Zahl der Stammaktien allerdings nicht übersteigen. VW könnte deshalb höchstens rund 114 Millionen neue Aktien ausgeben und damit auf Basis derzeitiger Kurse rund 11 Milliarden Euro einsammeln.
In der Regel setzen Sparmaßnahmen bei großen Konzernen zuerst bei den Mitarbeitern an: Weniger Gehalt, Einstellungsstopps, bis hin zu Stellenstreichungen und Entlassungen. Bei Volkswagen wäre das allerdings nicht so einfach. Die Arbeitnehmervertreter haben in Wolfsburg deutlich mehr Macht als in anderen Konzernen. Einfacher wäre die Kürzung geplanter Investitionen. Hier hatte Volkswagen angepeilt, bis 2019 eine Summe von mehr als 100 Milliarden Euro in Standorte, Modelle und Technologien zu stecken. Laut Experte Schwope könnte VW hier den Rotstift ansetzen und so 2 Milliarden Euro jährlich sparen, vor allem bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nur: Dann besteht die Gefahr, von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Der Zeitpunkt wäre denkbar ungünstig - die Autoindustrie steht durch Digitalisierung und Elektroantriebe vor einem Umbruch.
Was tut sich beim Konzern denn bislang?
Neben dem Abgang führender Manager und Änderungen an der Unternehmensstruktur geht es beim Unternehmen auch an die Substanz. Am Dienstag verkündete Volkswagen, angesichts des Abgas-Skandals massiv die Investitionen in die Kernmarke VW zur kürzen - pro Jahr soll eine Milliarde Euro weniger als bisher geplant ausgegeben werden.
Zudem will der Konzern die Diesel-Strategie neu ausrichten. Der Einsatz der fortschrittlicheren Technologie dürfte auch steigende Kosten nach sich ziehen. Zugleich verstärkt der Konzern seine Bemühungen, Fahrzeuge ohne Verbrennungsmotor zu bauen. Zur Entwicklung von Elektrofahrzeugen soll es einen neuen Standard-„Baukasten“ für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge geben. Die neue Version des Luxuswagens Phaeton soll elektrisch werden.
Welche personellen Konsequenzen gab es bei VW bislang?
Der Chef ist weg. Martin Winterkorn musste gehen, Matthias Müller steht jetzt an der Spitze des Vorstands. Auch der Aufsichtsratsvorsitz hat gewechselt, Interims-Lösung Berthold Huber hat an den ehemaligen Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch übergeben – dieser Wechsel hätte früher oder später aber auch ohne den Skandal stattgefunden. Außerdem wurden die Entwicklungschefs von Volkswagen (Heinz-Jakob Neußer), Audi (Ulrich Hackenberg) und Porsche (Wolfgang Hatz) beurlaubt – alle drei waren während des Zeitraums des Betrugs entweder in der Motoren- oder der Gesamtentwicklung verantwortlich.
Daneben sind offenbar noch weit mehr Manager in den Skandal verwickelt. So sollen mindestens 30 Manager wegen des jahrelangen Abgasbetrugs mit einer verbotenen Software beurlaubt werden, will der Spiegel erfahren haben. VW hat den Bericht allerdings deutlich zurückgewiesen. „Die Zahl entbehrt jeglicher Grundlage“, sagte ein Konzernsprecher am Mittwoch.
Winfried Vahland, vor wenigen Tagen eigentlich als Nordamerika-Chef auserkoren, kehrt VW offenbar den Rücken. Man sei sich über die Strategie uneins, heißt zur Begründung.
Und wie geht’s für VW weiter?
Da gibt es gleich mehrere Baustellen. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch muss in Zusammenarbeit mit der US-Kanzlei Jones Day aufklären, wie es zu dem massenhaften Betrug kommen konnte.
Matthias Müller als neuer Vorstandsboss muss hingegen mit seiner zum Teil neu formierten Führungsmannschaft den Konzern fit für die finanziellen Folgen des Skandals machen und den Rückruf der betroffenen Autos vorbereiten. Zahlreiche Investitionen werden derzeit auf den Prüfstand gestellt.
Zudem muss die Rückrufaktion auch technisch und logistisch gestemmt werden. Daneben drohen VW noch jahrelang juristische Probleme wegen der Manipulationen – in verschiedenen Ländern und von unterschiedlichen Seiten. Denn nicht nur die Behörden sind stinkig, auch die Anleger und Fahrzeughalter drohen mit Klage. Die gesamten finanziellen Folgen von "Dieselgate" sind noch nicht absehbar. Im dritten Quartal hat der Autobauer bereits 6,5 Milliarden Euro zurückgestellt. Doch Experten sind sich einig, dass diese Summe bei weitem nicht ausreichen wird.
Zieht der Skandal weiter Kreise?
Sicher. Der Skandal hat eine Debatte über Abgaswerte und Testmethoden insgesamt ausgelöst. Bekannt ist, dass die Labortestergebnisse weit von den wirklichen Emissionen abweichen. In der EU soll deswegen ab 2017 ein neues Testregime eingeführt werden, dessen Details derzeit diskutiert werden. Zudem steht der Kraftstoff Diesel stärker in der Kritik als je zuvor. Nicht nur Umweltschützer laufen dagegen Sturm, auch auf politischer Ebene passiert etwas. Die französische Regierung etwa will den Steuervorteil für Diesel reduzieren. In Deutschland soll der aber offenbar erstmal beibehalten werden.
Mit Material von dpa/reuters