VW-Marken-Chef Herbert Diess Martin Winterkorns Mann fürs Grobe

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Neue Organisation soll Hierarchien abschaffen

Der Manager verdankt den neuen Top-Job, den er auch antrat, weil er bei BMW das Rennen um die Nachfolge von Konzernchef Norbert Reithofer gegen Produktionsvorstand Harald Krüger verlor, seinem Ruf als Kostendrücker. Seiner Bestellung sollen mehrere persönliche Treffen mit Winterkorn und Ferdinand Piëch, bis April Aufsichtsratschef des Konzerns, vorangegangen sein.

Gut möglich, dass Diess den mittlerweile gefallenen VW-Übervater an seinen ehemaligen Einkaufschef José Ignacio López erinnerte. Der Spanier revolutionierte ab 1993 den VW-Einkauf, indem er die Zulieferer zu jährlichen Rabatten zwang und sich den Namen „Würger von Wolfsburg“ erwarb. Piëch soll sich von Diess ähnlich begeistert gezeigt haben wie einst von López.

Wer Winterkorn nachfolgen könnte

Die Strukturen im Wolfsburger Weltreich wuchern in der Tat üppig. Die Fertigungstiefe ist vergleichsweise hoch: VW produziert mehr selbst als die Konkurrenz, was das Kostensenken erschwert. Die Wolfsburger leisten sich eigene Komponentenwerke für Motoren und Getriebe. Andere Hersteller haben die Entwicklung und Produktion der Aggregate längst an Zulieferer ausgelagert, die sie gegeneinander ausspielen und so deren Preise drücken können.

Diess galt bei BMW als unerbittlich

Was hier zu tun ist, hat Diess bei BMW vorexerziert. Dort sparte er innerhalb von vier Jahren vier Milliarden Euro im Materialeinkauf. Damit trug er zu zwei Dritteln dazu bei, die konzernweit angepeilten Einsparungen zu erreichen. Besonders zu spüren bekamen dies die Zulieferer. Von ihnen forderte Diess, einen von BMW diktierten Preis zu erreichen, intern als „Best-Practice-Kalkulation“ schöngefärbt. Viele Stammlieferanten hatten das Nachsehen.

Diess galt als unerbittlich, Hauptsache, der Preis stimmte. „Den Qualitätsabfall, der mit der Umstellung auf billigere Zulieferer einherging, hat er in Kauf genommen“, sagt ein Lieferant. 2012 schloss BMW mit einem Konzernergebnis vor Steuern von 7,8 Milliarden Euro ab – fast vier Milliarden mehr als 2007, dem Jahr, in dem Reithofer das Programm Number One auflegte. Diess hatte beträchtlichen Anteil an der Steigerung, 2012 wechselte er auf den Posten des Vorstands für Entwicklung.

Aktienvergleich Volkswagen und Toyota

„Er hatte sich bei BMW einen Stab aus Vertrauten über alle Abteilungen hinweg zusammengestellt und die dann dort weggeholt“, sagt ein BMW-Mitarbeiter. In Wolfsburg dagegen tritt der Bayer ohne Verbündete an. Die Unterschiede zwischen München und Wolfsburg sind groß. „BMW steht für konsensorientiertes, sehr kreatives und eigenständiges Arbeiten“, sagt ein Personalberater, der das Innenleben beider Konzerne kennt. Als Paradebeispiel gelte die Entwicklung neuer Elektroautos mit einer Karosserie aus Karbonfasern, die BMW als i-Reihe auf den Markt brachte. „Ohne diese Projektteams wären i3 und i8 nie zustande gekommen“, sagt ein Zulieferer, der in die Entwicklung eingebunden war.

VW dagegen ist für seine Hierarchien bekannt. Geführt wird von oben, neue Ideen und zweite Meinungen haben weniger Raum. Das zieht Entscheidungen in die Länge, lähmt frisches Denken und macht die Organisation schwerfällig. „Bei VW herrscht Stillstand“, sagte Ernst Piëch, der Bruder des gefallenen Aufsichtsratschefs, dem „Handelsblatt“. Der Wolfsburger Fahrzeugbauer hinke fünf Jahre hinterher. Der 86-Jährige besitzt keine Anteile mehr an VW, fühlt sich dem Konzern aber noch verbunden.

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