VW-Skandal "Bosch war nur einer von drei Lieferanten"

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des VW-Diesel-Skandals auch gegen Bosch. Deren Chef hat sein Schweigen dazu nun gebrochen.

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Bosch-Chef Volkmar Denner hat sein Schweigen gebrochen. Quelle: dpa

Volkmar Denner wirkt nervös. In Berlin sitzt er beim Verband der Automobilindustrie (VDA) vorne in der ersten Reihe auf seinem Stuhl und starrt den Boden an. Dort soll er gleich auf die Bühne, eigentlich geht es um das Thema „Mobilität von morgen“.

Doch Denner weiß, was gleich kommt.

Hinter den Kulissen hat man ihm kurz zuvor noch gut zugeredet. ZDF-Moderator Wulf Schmiese hat ihm klar gemacht, dass er Fragen zu dem heiklen Thema nicht auslassen kann. Bosch hat schließlich die Motorsteuerung geliefert, die im Mittelpunkt des VW-Abgasskandals steht.

Zur Erinnerung: VW hat in mehr als elf Millionen Dieselfahrzeugen eine Betrugssoftware eingesetzt. Sie sorgt dafür, dass die Autos Zulassungstests automatisch erkennen und in einen Modus mit geringen Emissionen schalten. Kaum sind die Autos auf der Straße unterwegs, blasen sie häufig ein Vielfaches der gesetzlich erlaubten Stickoxidmenge in die Luft.

Alle wissen von den Vorwürfen auch gegen Bosch. Das Thema kann man bei so einer Veranstaltung nicht einfach totschweigen.

Dabei hatte sich der Bosch-Chef bislang ganz gut aus der Affäre gezogen. Ein bereits anberaumtes Interview hat er kurzfristig wieder abgesagt. Schweigen ist Gold -, besonders dann, wenn mehrere Behörden gegen das eigene Unternehmen ermitteln. Das US-Justizministerium ermittelt seit Ende 2015. Etwa zeitgleich hat auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zum Betrug eröffnet. Kläger in den USA werfen Bosch vor, die Schummelsoftware nicht nur mit erfunden und ständig weiterentwickelt zu haben, sondern auch an der „Vertuschung ihres Einsatzes“ beteiligt gewesen sein. In Berlin sagt Denner dazu nun, dass die Klageschrift „Behauptungen der Kläger“ seien, die „natürlich in dem Verfahren erst bewiesen werden“ müssten.

Und ausgerechnet Denner war damals Vorsitzender des Geschäftsbereichs „Automotive Electronics“. Zuvor war er „Entwicklungsleiter und Produktmanager Motorsteuergeräte“. Wenige Manager in der Bosch-Chefetage dürften über die technischen Hintergründe des Dieselskandals so genau Bescheid wissen, wie er.

Wie Bosch 2015 abgeschnitten hat

Kein Wunder also, dass Denner am Mittwochabend in Berlin so nervös wirkte.

Etwa 40 Zuschauer lauschen der Diskussion gespannt. Und plötzlich fragt der Moderator Denner ganz offen: „Inwieweit ist denn der VW-Diesel-Skandal auch ein Bosch-Skandal?“

Er bitte um Verständnis, sagt Denner. Aber zu dem laufenden Verfahren könne er sich nicht äußern. Ein paar Punkte seien ihm aber wichtig. Bosch habe sofort nach Bekanntgabe der Debatte um Volkswagen erklärt, dass Bosch Lieferant der Steuergeräte sei. Bei den Sätzen faltet sein Mann aus der Abteilung Kommunikation die Hände und reißt die Augen auf.

Druck von allen Seiten

Dann greift Denner seine Wettbewerber offen an: „Sie wissen es geht auch um Fahrzeuge außerhalb der USA in Europa und da sind wir nur einer von drei Lieferanten.“ Von seinen Wettbewerbern wünscht er sich mehr Offenheit. Aber natürlich macht Bosch seine Hausaufgaben und kläre die Sache intern auf, um zu verstehen, was passiert sei. Bosch arbeite außerdem mit den Behörden zusammen. „Wir stellen von uns aus Material zur Verfügung, wenn wir was gefunden haben.“

Ein anderer Punkt, so Denner, sei außerdem, dass der Fahrzeughersteller verantwortlich für „die Zertifizierung der Fahrzeuge“ sei. „Da ist kein Zulieferer dabei, wenn bei der Zertifizierungsbehörde die entsprechenden Dokument vorgelegt werden. Außerdem hat der Fahrzeughersteller die Gesamtsystemverantwortung für ein Fahrzeug. Wir wie viele andere Wettbewerber liefern Teilsysteme – aber wir haben nie die gesamte Verantwortung“, so Denner. Den gesamten Überblick über dieses System habe „immer nur der Fahrzeughersteller“.

Für Dieselfahrzeuge wirbt Denner trotz der aktuellen „Vertrauenskrise“: Schließlich gäbe es auch Dieselautos, die auf der Straße sogar bessere Emissionswerte aufwiesen als im Zulassungstest. „Offensichtlich sind wir mit der heute verfügbaren Technik in der Lage, einen sauberen Dieselantrieb zu machen – aber man muss diese Technik natürlich auch einsetzen“, sagt Denner.

Doch ob der Bosch-Chef will, oder nicht: Druck auf die Dieseltechnik kommt längst auch von anderen Seiten. Immer mehr Städte verbieten Autos gleich ganz oder lassen nur noch saubere Fahrzeuge rein.

Die weltweit größten Autozulieferer

Und immer mehr Staaten pushen Elektroautos. Gerade ist durchgesickert, dass China eine Elektro-Auto-Quote plant. Hersteller, die die Quote nicht erfüllen, müssen sich freikaufen. Der Aufschrei in der Branche ist groß. Die deutschen Autobauer verkaufen das Gros ihrer Autos im Reich der Mitte. An ihrem Wohl und Weh hängen Zulieferer wie Bosch.

Allein Denner beschäftigt 50.000 Mitarbeiter mit dem Thema Diesel. Da kann man schon mal nervös werden, auch dann, wenn noch nicht über Schuld und Unschuld entschieden ist.

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