VW-Skandal Diese Strafen drohen Volkswagen

In der Abgas-Affäre von VW hat sich die Justiz eingeschaltet. Rechtsexperte André Szesny erklärt, welche Strafen dem Autobauer drohen - und ob einzelne Manager für die Probleme haftbar sind.  

  • Teilen per:
  • Teilen per:

So klingt Winterkorns Bitte um Entschuldigung

VW soll mit einer Software Konsumenten wie Behörden und Händler in den USA über die Messwerte getäuscht haben - der Konzern hat ein Fehlverhalten zugegeben. Was droht VW jetzt in den USA? 

Wenn VW durch geschönte Laborwerte Genehmigungen erschlichen hat, drohen schon deshalb Strafzahlungen an die Umweltbehörden der USA, die EPA. VW soll gegen den Clean Air Act verstoßen haben, das ist das Gesetz für saubere Luft und gilt seit 1963. Ob diese tatsächlich 18 Milliarden Dollar betragen, ist derzeit nicht absehbar. Der Sachverhalt ist nicht völlig geklärt. Dieser Betrag ist nur eine Schätzung ins Blaue.

Andre´ Szesny von der Kanzlei Heuking Kühn über Betrug, Urkundenfälschung und Ordnungswidrigkeiten bei manipulierten Abgaswerten.

VW hat erst einmal Rückstellungen von nur rund 6,5 Milliarden Euro gebildet und zwar für notwendige Servicemaßnahmen - also wohl das Zurückrufen und Nachrüsten der Filter - sowie weitere Anstrengungen, das Vertrauen der Kunden zurück zu gewinnen. So hat es VW selbst formuliert. Von Rückstellungen für Strafzahlungen ist in der Meldung des Konzerns nicht die Rede.

Was ist mit Kontroll-Maßnahmen wie Monitorship?

Dann schaut der Staat einem Unternehmen besonders auf die Finger. Das ist eine präventive Maßnahme, um es zu disziplinieren. Das geschah Daimler in den USA vor fünf Jahren und dauerte drei Jahre, Anlass waren Korruptionstaten. Auch das kann VW passieren.

Haben sich VW-Manager oder -Mitarbeiter wegen Betruges strafbar gemacht?

Der Konzern hat offenbar außer der EPA auch seine Händler und Endkunden über die Abgaswerte getäuscht. Das könnte ein Betrug sein. Denn wer nicht zulassungsfähige Fahrzeuge oder solche, die schlechtere Eigenschaften haben als zugesagt, verkauft, täuscht seine Kunden über den Wert. Ein Auto ohne Zulassung für den Straßenverkehr ist natürlich weniger wert. So ein Betrug kann persönliche Strafen für Manager nach sich ziehen – je nach dem, wer von den Manipulationen wusste, auch für die oberste Führungsriege.

Und das Unternehmen selbst?

Auch VW kann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden: Denn nach US-Recht können auch juristische Personen mit Strafen belangt werden. Theoretisch können amerikanische Behörden Unternehmen sogar stilllegen, schließen. Aber auch im Falle von GM, wo es sogar zu Todesfällen aufgrund der fehlerhaften Zündschlösser kam, wurde kein Betrieb geschlossen. Stattdessen muss GM nun rund 900 Millionen Dollar Strafe zahlen.

VW hat solche Manipulationen auch für Deutschland eingeräumt, muss Martin Winterkorn hier mit dem Staatsanwalt rechnen?

Wie auch in den USA droht Managern und Vorständen, dass sie sich wegen Betrugs strafbar gemacht haben. Auf Betrug steht Geldstrafe oder Gefängnis bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren. Dies allerdings zunächst nur für Einzelpersonen, also beispielsweise einzelne Manager oder Vorstandsmitglieder. Das setzt voraus, dass diese als Täter die VW-Händler und/oder Endkunden über wertbildende Eigenschaften der Autos getäuscht haben. Nun sind Abgaswerte nicht zwingend wertbildend. Wenn aber die Zulassung in Gefahr ist oder ein Händler oder Kunde sich bestimmte umweltfreundliche Eigenschaften zusichern lässt, die dann nicht vorliegen, liegt Betrug nahe.

Die Folgen für VW

Die Chefin des Umweltbundesamts, Maria Krautzberger, hat sich zu Worte gemeldet und auf die Luftverschlechterung samt Gesundheitsgefährung hingewiesen.

Zu hohe Abgaswerte führen zu stärkerer Feinstaubbelastung. Wenn es sich um unerlaubte Werte handelt, kommt eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung - jedenfalls theoretisch - in Betracht: Denn Autos, die diese Belastung erhöhen, beeinträchtigen damit die Gesundheit und das Wohlbefinden. Allerdings dürfte es kaum möglich sein nachzuweisen, ob beziehungsweise inwieweit die erhöhten Abgaswerte mitursächlich für eine Mehr-Belastung der Gesundheit eines einzelnen Menschen sind.

Es gibt zwar auch den Straftatbestand der Luftverunreinigung, aber von dem sind gerade die Autos ausgenommen - und zwar ausdrücklich. Kritiker dieser Regelung bekommen nun Wasser auf ihre Mühlen.

Die EPA

Und was ist mit Urkundenfälschung?

Durchaus, es gibt den Straftatbestand der Fälschung technischer Aufzeichnungen: Wer Messvorgänge aus einem manipulierten Test als richtig darstellt, macht sich auch in Deutschland strafbar. Es droht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.

Wenn das Top-Management im Elfenbeinturm saß und das auch glaubhaft machen kann, droht ihm dennoch Strafe?

Selbst wenn die Manipulationen nicht von ganz oben angeordnet waren, greift das Strafrecht: Wer als Manager Straftaten seiner Mitarbeiter erkennt, gegen diese aber nicht einschreitet, macht sich ebenfalls strafbar. Das ist eine Unterlassungstat oder Beihilfe, je nachdem. Selbst wenn die Führungsriege aber wirklich nichts wusste, muss sie wegen Aufsichtspflichtverletzung - das ist eine Ordnungswidrigkeit - eine Geldbuße bis zu einer Million Euro befürchten, jeder einzelne Vorstand und auch jeder Abteilungsleiter. Zumindestens dann, wenn sie nicht ausreichend aufgepasst hat. Die Grundregel: Wer seine Aufsichtspflicht verletzt und dadurch Fehlverhalten seiner Mitarbeiter ermöglicht, muss mit Bußgeldern bis zu einer Million Euro rechnen.

Stimmen zum Abgas-Skandal bei VW

Darf das Unternehmen dies für ihn zahlen?

Ja, wenn es begründen kann, dass dies im Interesse des Unternehmens liegt. Bei Aktiengesellschaften allerdings nicht ohne die Zustimmung der Hauptversammlung, entschied der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr.

Was muss der Konzern in Wolfsburg befürchten?

Für jeden einzelnen Verstoß - und wir sprechen ja von Millionen Verstößen - kann das Gericht eine Geldbuße von bis zu zehn Millionen Euro verhängen. Außerdem kann es den Gewinn abschöpfen, der durch die Tat generiert wurde. In Deutschland können Unternehmen also durchaus empfindlich bestraft werden. Es ist völlig egal, ob wir dies nun Strafe nennen oder Buße. Die wirtschaftlichen Folgen für das Unternehmen sind gleich katastrophal. Siemens, MAN, Ferrostaal - sie alle mussten das schon erfahren. 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%