VW-Strategie 2025 Matthias Müller versucht den Befreiungsschlag

Nachhaltiger, effizienter, innovativer: Die neue Konzernstrategie von VW-Chef Matthias Müller malt ein verheißungsvolles Bild – es verlangt allen Beteiligten an Volkswagen aber erst einmal Opfer ab.

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Matthias Müller blickt wieder nach vorne. Quelle: dpa

„TOGETHER“ hat VW-Chef Matthias Müller seine neue Konzernstrategie genannt. Allein das ist schon eine Botschaft. Denn nur mit Solidarität und Zusammenhalt, ohne Zwist und Streit, kann Europas größter Automobilkonzern die größte Krise seiner über 70-jährigen Geschichte überstehen.

Viel Porzellan ist in den zurückliegenden Monaten schon zerschlagen worden: „Dieselgate“, der jahrelange und mit jeder neuen Modellreihe fortgesetzte Betrug mit manipulierten Abgaswerten von Dieselautos, hat das Vertrauen der Autokäufer in die Marke Volkswagen und der Politik in die gesamte Autoindustrie auf einen nie gekannten Tiefpunkt sinken lassen.

Und die Aufarbeitung des Skandals, die Suche nach den technisch wie politisch Verantwortlichen sowie den strukturellen Ursachen eines kollektiven moralischen Versagens hat einen Riss einerseits durch den Konzern, andererseits durch die Belegschaft der Kernmarke gehen lassen.

Wie VW im ersten Quartal abgeschnitten hat

Manager von Audi und Porsche, Seat und Skoda distanzieren sich von den Wolfsburgern, die ihnen diese Krise eingebrockt haben. Und in den VW-Werken empören sich die einfachen Arbeiter über die Manager, die sich selbst weiterhin dicke Boni gönnen, die am Skandal aber völlig unschuldige Stammbelegschaft aber mit einer mickrigen Anerkennungsprämie abspeist – und sie gleichzeitig auf einen massiven Stellenabbau in den kommenden Jahren einstimmt.

Gleichzeitig gehen große Aktionärsgruppen aufeinander los – Mitglieder der Familien Porsche und Piëch auf das Land Niedersachsen, Investmentfonds gegen beide und auch untereinander. Ganz zu schweigen von den Attacken des VW-Betriebsrats gegen den neuen Markenchef Herbert Diess, der öffentlich gemobbt wird, noch ehe er sein Konzept zur Neuaufstellung von Volkswagen ausgearbeitet hat.

Müllers Weg verlangt allen Opfer ab

von Florian Willershausen, Lea Deuber, Rebecca Eisert, Karin Finkenzeller, Martin Fritz, Tim Rahmann, Martin Seiwert

Müller tut als Konzernchef gut daran, in dieser schwierigen und delikaten Situation den Blick nach vorn zu lenken, neue ehrgeizige Ziele auszugeben und die Vision zu vermitteln, dass der Konzern trotz aller tiefen Wunden und akuten Schmerzen gestärkt aus dieser Krise hervorgehen wird.

Er nimmt den Mund sicher nicht zu voll, wenn er vom größten Veränderungsprozess in der Geschichte des Unternehmens spricht und alle Akteure aufruft, aus den gemachten Fehlern zu lernen, zügig Defizite zu beheben und eine neue „offene, werteorientierte, auf Integrität aufbauende Unternehmenskultur“ zu etablieren. Gleichzeitig macht er allen Beteiligten deutlich, dass der Weg ins neue Zeitalter der Mobilität viel Energie, Mut und auch Opfer abverlangt, sich aber am Ende auszahlen wird.

Die Begeisterung der VW-Belegschaft wird sich in Grenzen halten

Viele Punkte sind zwar noch offen. So sagt Müller beispielsweise noch nicht, wo und wie Modellpalette und Komplexität in Entwicklung und Produktion gestrafft werden sollen – und welche Auswirkungen dies auf Standorte und Beschäftigtenzahl haben wird. Gleiches gilt für die angekündigte Neuaufstellung des Komponentengeschäfts – die „Bündelung“ der Aktivitäten wird die Zahl der Beschäftigen im Motorenbau, in der Fertigung von Getrieben und Achsen sicherlich nicht weiter steigen lassen. Selbst dann nicht, wenn ein Teil der 67.000 Menschen in diesem Geschäftsbereich künftig Elektromotoren oder Antriebsbatterien für Elektroautos baut.

Und der Aufbau des neuen Konzernbereichs Mobilitätsdienste verspricht zwar jede Menge neue Arbeitsplätze – die aber von Menschen mit anderen Qualitäten und Qualifikationen besetzt werden als denen, die heute in der Fahrzeugmontage oder auch in der klassischen IT tätig sind. Erst in den kommenden Monaten wird man also genauer wissen, wie sich der Transformationsprozess auf die Standorte und Stellenpläne auswirkt.

Die Begeisterung der Belegschaft für die neue Strategie, das lässt sich schon jetzt absehen, wird sich in Grenzen halten. Bei anderen Stakeholdern, vor allem den Aktionären, dürften Müllers Botschaften schon besser ankommen – Effizienzsteigerungen versprechen immer eine höhere Profitabilität und steigende Kurse. Und als Zuckerl gibt es noch obendrauf: Künftig sollen wieder bis zu 30 Prozent des Netto-Gewinns an die Aktionäre ausgeschüttet werden – eine Mini-Dividende für 2015 von nur 17 Cent pro Vorzugs- und von 11 Cent pro Stammaktie wäre dann in diesem Jahr leichter zu verkraften.

VW-Aktionäre halten Gericht

Müller versucht mit seiner neuen Strategie „TOGETHER 2025“ einen Befreiungsschlag. Dass er sie jetzt schon vorstellt, obwohl zahlreiche Details noch offen sind und vage bleiben, ist kein Zufall: Noch im Juni wird bekannt werden, wie teuer die Rückrufaktion für die manipulierten Dieselautos in den USA wird und welche Strafen die US-Behörden dem Volkswagen-Konzern auferlegen. Und kommende Woche werden die Aktionäre auf der Hauptversammlung Gericht halten, über den Konzern und sein Spitzenpersonal.

Der VW-Konzernvorstand

In solch schwierigen Situationen hat es nie geschadet, Einheit und Zusammenhalt zu beschwören. Doch Müller allein wird es nicht gelingen, alle Fliehkräfte zu bändigen, die derzeit den Konzern zu zerreißen drohen. Die Krise wird VW nur überleben, wenn er sich in der von Müller skizzierten Form neu aufstellt – und einige der Stakeholder ihre Machtkämpfe endlich einstellen.



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