
„TOGETHER“ hat VW-Chef Matthias Müller seine neue Konzernstrategie genannt. Allein das ist schon eine Botschaft. Denn nur mit Solidarität und Zusammenhalt, ohne Zwist und Streit, kann Europas größter Automobilkonzern die größte Krise seiner über 70-jährigen Geschichte überstehen.
Viel Porzellan ist in den zurückliegenden Monaten schon zerschlagen worden: „Dieselgate“, der jahrelange und mit jeder neuen Modellreihe fortgesetzte Betrug mit manipulierten Abgaswerten von Dieselautos, hat das Vertrauen der Autokäufer in die Marke Volkswagen und der Politik in die gesamte Autoindustrie auf einen nie gekannten Tiefpunkt sinken lassen.
Und die Aufarbeitung des Skandals, die Suche nach den technisch wie politisch Verantwortlichen sowie den strukturellen Ursachen eines kollektiven moralischen Versagens hat einen Riss einerseits durch den Konzern, andererseits durch die Belegschaft der Kernmarke gehen lassen.
Wie VW im ersten Quartal abgeschnitten hat
Im Auftaktquartal 2016 hat Volkswagen 2,577 Millionen Fahrzeuge abgesetzt – zum ersten Quartal 2015 ein Rückgang von 1,2 Prozent (2,607 Millionen Fahrzeuge).
Zum Stichtag 31. März 2016 haben 613.075 Menschen für VW gearbeitet. Gegenüber dem Jahr 2015 sind das 0,5 Prozent mehr – damals waren es 610.076 Menschen.
In Deutschland sinkt jedoch die Zahl der VW-Mitarbeiter, zuletzt um 800 auf rund 277.900 Stellen. Der Zuwachs kommt aus dem Ausland, wo VW um fast 4.000 Stellen auf 335.200 Jobs zulegte.
Beim Umsatz musste VW im Vergleich zum Vorjahresquartal ein Minus von 3,4 Prozent hinnehmen. Die Umsatzerlöse sanken von 52,735 Milliarden Euro auf aktuell 50,964 Milliarden Euro.
Das operative Ergebnis (Ebit) stieg um 3,4 Prozent auf 3,44 Milliarden Euro – zum Jahresauftakt 2015 waren es noch 3,328 Milliarden Euro. Die operative Rendite stieg von 6,3 auf 6,8 Prozent.
Das Ergebnis nach Steuern ging deutlich zurück – von 2,932 Milliarden Euro im Q1 2015 auf aktuell 2,365 Milliarden Euro. Das entspricht einem Rückgang von 19,3 Prozent.
Die Marke Volkswagen Pkw verzeichnete in den ersten drei Monaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Volumen- und Umsatzrückgang. Der Umsatz von VW-Pkw sank von 26,3 Milliarden Euro auf 25,1 Milliarden Euro, der Absatz fiel von knapp 1,12 Millionen auf 1,07 Millionen Fahrzeuge. Infolge dessen ging das Operative Ergebnis vor Sondereinflüssen auf 73 (514) Millionen Euro zurück, die operative Marge erreichte im ersten Quartal 0,3 Prozent.
Mit 1,3 Milliarden Euro erreichte Audi annähernd wieder das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen des Vorjahres. Bei einem nahezu stabilen Umsatz sank die operative Marge leicht von 9,7 auf 9,0 Prozent.
Bei Skoda stieg das operative Ergebnis aufgrund positiver Mixeffekte und geringerer Materialkosten um gut 30 Prozent auf 315 (242) Millionen Euro. Die operative Marge legte bei deutlich gestiegenem Umsatz auf 9,3 (7,6) Prozent zu.
Seat verbesserte sein Operatives Ergebnis aufgrund von Kostenoptimierungen auf 54 (33) Millionen Euro. Dies entspricht einer Steigerung der Operativen Rendite auf 2,6 (1,5) Prozent.
Gemessen am operativen Ergebnis ist Bentley im ersten Quartal in die roten Zahlen gerutscht. Statt einem Gewinn von 49 Millionen Euro im Vorjahresquartal steht 2016 ein Minus von 54 Millionen Euro zu Buche. Volkswagen begründet das mit gesunkenen Auslieferungen.
Porsche blieb auch zum Auftakt des laufenden Geschäftsjahres in der Erfolgsspur. Das Operative Ergebnis stieg weiter auf 895 (765) Millionen Euro und damit deutlich überproportional zum Umsatz, der aufgrund eines signifikant höheren Absatzes spürbar zulegte. Die operative Marge kletterte auf 16,6 (15,1) Prozent.
Das operative Ergebnis von Volkswagen Nutzfahrzeuge sank volumenbedingt auf 142 (165) Millionen Euro, die operative Marge ging auf 5,2 (6,1) Prozent zurück. Scania verbuchte einen leichten Anstieg des operativen Ergebnisses auf 244 (237) Millionen Euro und eine stabile operative Marge von 9,6 Prozent. Trotz des anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Umfelds in Südamerika verbesserte MAN Nutzfahrzeuge das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen unter anderem aufgrund des höheren Absatzes in Europa auf 65 (minus 13) Millionen Euro. Bei MAN Power Engineering belief sich das operative Ergebnis auf 48 (52) Millionen Euro.
Die Volkswagen Finanzdienstleistungen konnten ihr operatives Ergebnis deutlich auf 492 (403) Millionen Euro steigern. Insbesondere Volumeneffekte wirkten sich positiv aus.
Manager von Audi und Porsche, Seat und Skoda distanzieren sich von den Wolfsburgern, die ihnen diese Krise eingebrockt haben. Und in den VW-Werken empören sich die einfachen Arbeiter über die Manager, die sich selbst weiterhin dicke Boni gönnen, die am Skandal aber völlig unschuldige Stammbelegschaft aber mit einer mickrigen Anerkennungsprämie abspeist – und sie gleichzeitig auf einen massiven Stellenabbau in den kommenden Jahren einstimmt.
Gleichzeitig gehen große Aktionärsgruppen aufeinander los – Mitglieder der Familien Porsche und Piëch auf das Land Niedersachsen, Investmentfonds gegen beide und auch untereinander. Ganz zu schweigen von den Attacken des VW-Betriebsrats gegen den neuen Markenchef Herbert Diess, der öffentlich gemobbt wird, noch ehe er sein Konzept zur Neuaufstellung von Volkswagen ausgearbeitet hat.
Müllers Weg verlangt allen Opfer ab
Müller tut als Konzernchef gut daran, in dieser schwierigen und delikaten Situation den Blick nach vorn zu lenken, neue ehrgeizige Ziele auszugeben und die Vision zu vermitteln, dass der Konzern trotz aller tiefen Wunden und akuten Schmerzen gestärkt aus dieser Krise hervorgehen wird.
Er nimmt den Mund sicher nicht zu voll, wenn er vom größten Veränderungsprozess in der Geschichte des Unternehmens spricht und alle Akteure aufruft, aus den gemachten Fehlern zu lernen, zügig Defizite zu beheben und eine neue „offene, werteorientierte, auf Integrität aufbauende Unternehmenskultur“ zu etablieren. Gleichzeitig macht er allen Beteiligten deutlich, dass der Weg ins neue Zeitalter der Mobilität viel Energie, Mut und auch Opfer abverlangt, sich aber am Ende auszahlen wird.