
Das ist es wohl, was man einen gewonnenen Machtkampf nennen kann. Vor einigen Monaten noch wollte der damalige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch seinen Zögling Martin Winterkorn von der VW-Spitze entfernen – mit nur sechs Worten: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“. Heute ist Piech nicht mehr Aufsichtsratschef, Winterkorn dagegen auf ganzer Linie bestätigt: Er darf, wie seit Jahren von ihm angestrebt, den Konzern bis 2018 führen und damit beweisen, ob er die hoch gesteckten Ziele seiner „Strategie 2018“ erreicht.
Winterkorns Vertrag endet 2016. Das Präsidium des VW-Aufsichtsrates hat sich in dieser Woche für eine Vertragsverlängerung bis 2018 ausgesprochen, die am 25. September dann wohl endgültig besiegelt wird. VW-Aufsichtsratschef Berthold Huber lobte Winterkorn bei der Gelegenheit in den höchsten Tönen: „Wir werden mit Professor Martin Winterkorn an der Spitze den Erfolgsweg der vergangenen Jahre weitergehen und die Ziele der Strategie 2018 konsequent umsetzen.“
Die neue VW-Konzernstruktur
Bestehend aus dem Vorstandschef, einem Finanzvorstand, Einkaufsvorstand und Personalvorstand. Das achtköpfige Gremium komplettieren die Vorstände der vier Marken-Holdings.
Die Marken Volkswagen, Skoda und Seat werden in eine Gruppe zusammengefasst. Geleitet wird sie von Herbert Diess, der von BMW kommt. Auf Holding-Ebene wird es weitere Bereichs-Vorstände geben, zum Beispiel für Forschung, Entwicklung und Vertrieb.
Bereits bekannt war, dass VW seine Lkw-Marken Scania, MAN und VW Nutzfahrzeuge in einer Holding unter dem ehemaligen Daimler-Manager Andreas Renschler bündeln wird.
Porsche-Chef Matthias Müller, seit kurzem auch Mitglied des aktuellen Konzernvorstands, soll auch die Verantwortung über die Luxusmarken Bugatti und Bentley übernehmen.
Bei Audi soll sich nichts ändern: Die Ingolstädter haben bereits heute die Kontrolle über den Sportwagenbauer Lamborghini und die Motorradmarke Ducati. Das soll auch so bleiben.
Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Eigentlich hätte Huber sagen müssen: „Professor Martin Winterkorn hat in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht. Allerdings gibt es auch große Versäumnisse: die falsche Strategie auf dem US-Markt, kein Billigauto für Milliarden Menschen in Schwellenländern, die schlechte Marge der Kernmarke VW, die hohe Abhängigkeit des Konzerns vom chinesischen Markt, der wegen der kommunistischen Diktatur und konjunktureller Schwankungen alles andere als verlässlich ist. Die Probleme des VW-Konzerns sind so gravierend, dass wir nun Stabilität an der Konzernspitze wollen und darauf vertrauen, dass Herr Professor Winterkorn mit seiner großen Erfahrung und Kompetenz die Weichen bis 2018 richtig stellt.“
VW-Konzernspitze ignorierte Probleme
Winterkorn hat etliche Schwächen des Unternehmens selbst zu verantworten, aber es darf ihm nicht alles angehängt werden. Manchmal stimmte seine Strategie, aber die, die sie umsetzen sollten, versagten. Viele Probleme wurden von der Konzernspitze tatsächlich ignoriert oder übersehen – aber nicht nur von Winterkorn, sondern vom gesamten Aufsichtsrat. Inklusive des ehemaligen Vorsitzenden Piëch, der nun lautstark den Problemstau bemängelt.
Winterkorn will die Probleme nun zügig angehen. In diesen Wochen gibt er dem Umbauplan für Volkswagen den letzten Schliff. Es wird eine spannende Neuausrichtung werden, in manchen Märkten und bei manchen Produkten sogar eine Abkehr der VW-typischen (auch Winterkorn-typischen) Qualitätsbesessenheit. Denn es gibt gerade in Asien hunderte Millionen potenzieller VW-Kunden, die erst auf den Preis schauen, dann auf Feinheiten bei Qualität oder Ausstattung. Auch werden die Manager in den Regionen der Welt mehr Macht bekommen. Nicht alles muss in Wolfsburg entschieden werden.
Die Neuausrichtung wird zur Nagelprobe vor allem für einen: den von BMW eingekauften Chef der Marke VW, Herbert Diess. Bringt er den wichtigsten Bereich des Konzerns zügig in die Spur, ist er der aussichtsreichste Kandidat für die Winterkorn-Nachfolge. Darüber wird der Aufsichtsrat schon 2017 entscheiden, inoffiziell vielleicht sogar schon früher.
Umso entscheidender ist nun, wer den Aufsichtsrat künftig führt. Berthold Huber, der den Posten nach dem Piëch-Abgang übernommen hat, will das Amt schnellstmöglich wieder loswerden. Die Suche nach einem Nachfolger lief in den vergangenen Wochen deshalb schon auf Hochtouren.
Wirklich lang bleibt der Neue dann womöglich aber nicht am Ruder. Denn irgendwann nach 2018 könnte Winterkorn Ansprüche auf das Amt anmelden. Nach einer Abkühlphase von einem Jahr, so ist im Konzern zu hören, könnte er den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen.