VWs "Zukunftspakt" Ob VW sich den Umbau leisten kann, muss sich erst zeigen

Sparen und sich gleichzeitig fit für die Zukunft machen – der „Zukunftspakt“ von VW hört sich gut an. Doch was in Wolfsburg Wunsch und letzter Ausweg ist, ist beim Erzrivalen Toyota längst Realität.

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Zukunftspakt Quelle: dpa

30.000 Stellen sollen bei VW wegfallen und der halbe Konzern soll schon in wenigen Jahren auf die Produktion von Elektroautos umgestellt werden. Gemessen an den besonderen Beharrungskräften in Wolfsburg – bedingt durch die einzigartige Macht-Konstellation von Eigentümerfamilien, Staatsbeteiligung und IG Metall – ist das eine Zäsur historischen Ausmaßes.

Die einst so unüberwindbar anmutenden Mauern der Wolfsburg zeigen gleich mehrere große Risse: Die Kosten und Imageschäden des Dieselskandals, die dauerhafte Ertragsschwäche der Marke VW, der Rückstand bei Zukunftsthemen wie E-Mobilität, neuen Dienstleistungen und Digitalisierung, dazu Absatzprobleme in USA, Südamerika, Russland und asiatischen Ländern.

Der Manipulationsskandal ist also beileibe nicht die Ursache für den Abbau von rund fünf Prozent der insgesamt über 600.000 Stellen. Aber der Auslöser. „Das Auto“ bin ich, das war die Haltung in Wolfsburg, vom Vorstandschef bis zum Bandarbeiter. Erst der Skandal erdete das Unternehmen und lenkte die Blicke in die richtige Richtung.

VW-Zukunftspakt: Was auf die Werks-Standorte zukommt

Nun soll der „Zukunftspakt“ zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Folgen des Skandals ausbügeln und den Konzern in die automobile Zukunft katapultieren. Zu früh freuen sollte sich aber niemand. Denn Personalabbau und radikale Konzernumstrukturierungen bergen – und das auch nur, wenn es richtig gemacht wird – lediglich auf lange Sicht Chancen. Erst einmal bringt das Um- und Abbauen Sand ins Getriebe, kostet Zeit, Geld, Nerven, vielleicht auch Kreativität oder Qualität. Ob sich die Marke VW, die nach Einschätzung ihres Chefs Herbert Diess für sich nicht überlebensfähig wäre, diese Jahre des Umbaus überhaupt leisten kann, muss sich erst noch zeigen.

Freuen kann sich am Tag dieses bedeutenden Einschnitts der Erzrivale Toyota, der vor VW auf Platz eins der Liste der Autohersteller rangiert. Die Japaner haben in den vergangenen Jahren alles anders gemacht als Volkswagen, und es war fast alles richtig. Wirklich saubere Hybridantriebe statt verlogene Clean-Diesel-Offensiven, Bescheidenheit und Fokussierung aufs Kerngeschäfts statt der „Das Auto“-Großmannssucht, vor allem aber: eine lehrbuchmäßige Profitabilität. Beim Umsatz liegen Toyota und VW gleich auf, Toyota kommt dabei aber mit einer nur halb so großen Belegschaft aus. Auch wenn die Konzerne nicht zu hundert Prozent vergleichbar sind, zeigt diese Kluft, welchen Weg VW noch vor sich hat.

Ein Zukunftspakt bei Volkswagen soll die Kernmarke sanieren helfen. Bis zu 30.000 Jobs werden weltweit abgebaut, 23.000 davon in Deutschland. Bei den Anlegern kamen die Pläne gut an: Die Aktie legte am Freitag zu.

Der Hybridauto-Pionier Toyota kann nun ganz locker von der Hybridphase, also dem teilweisen elektrischen Fahren, auf das vollelektrische Fahren umstellen. Wie ein fieser Seitenhieb wirkt die Toyota-Mitteilung von heute, dass im Konzern eine Einheit für dieses reine Elektroauto aufgebaut werden soll – eine Einheit mit zunächst vier Mitarbeitern. Kein Witz! Vier Mitarbeiter.

Natürlich ist das nur der neue Lenkungskreis für eine später dann zügig wachsende Einheit. Aber der Unterschied zu VW könnte deutlicher nicht sein. Der eine, durch den Dieselskandal und jahrelanges Leugnen der elektrischen Zukunft in die Ecke getrieben, bürstet den halben Konzern im Rekordtempo aufs E-Autos. Es scheint der einzige Ausweg, um die CO2-Auflagen in Zukunft zu schaffen.

Der andere muss überhaupt nicht hektisch werden, denn beim Thema CO2 ist er dank Hybridantrieb auf der sicheren Seite. Seine Taschen sind prall gefüllt. Er bittet erst einmal ein paar Mitarbeiter, die Zukunft zu skizzieren, um dann irgendwann auf das E-Auto umzuschalten. Aber ohne Nervosität, ohne die damit verbundenen Kollateralschäden, ohne gleichzeitige Massenentlassungen und Sparmaßnahmen und vor allem erst dann, wenn der Markt und die Technologie reif sind und auch die Rendite stimmt.

Das ist dann wohl, um im Wolfsburg-Duktus zu bleiben, „Der Autobauer“.

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