
Passend zur Neuverfilmung des Monster-Klassikers Godzilla, die Mitte Mai in den amerikanischen Kinos anläuft, wird im US-Fernsehen ein neuer Werbespot von Fiat zu sehen sein. Darin stopft sich der gefräßige Godzilla einen Fiat 500L – das ist die Maxi-Version des Kleinstwagens Fiat 500 – ins Maul, um den Wagen sogleich im hohen Bogen wieder auszuspucken. Kommentar aus dem Off: „Der viertürige Fiat 500L – viel größer als Sie denken.“ Tja, gute Frage: Ist Fiat größer, als man denkt? Sergio Marchionne, Chef von Fiat und Chrysler, verkündete am Dienstag in Detroit seinen neuen Fünfjahresplan für die beiden Autobauer. Die Kernbotschaft des Italo-Kanadiers lautete – wie schon so oft zuvor – die Fiat-Chrysler-Gruppe werde schon bald viel größer sein als man denkt. Die Strategie sei allerdings, so räumte Marchionne in Detroit ein, „ein mutiger Plan“.
Verkäufe sollen sich verfünffachen
„Vollmundiges Versprechen“ wäre zutreffender. Bis 2018 sollen sich nach Marchionnes Plänen die Verkäufe der Marke Alfa Romeo von 74.000 auf 400.000 Autos mehr als verfünffachen, der Maserati-Absatz soll um 400 Prozent auf 75.000 Fahrzeuge steigen, Jeep soll das Geschäft bis 2018 verdoppeln und dann knapp zwei Millionen Autos absetzen, bei Chrysler ist eine Absatzverdopplung auf 1,9 Millionen Autos geplant, Fiat soll um 27 Prozent zulegen. Das alles soll unter dem Dach der neu gegründeten „Fiat Chrysler Automobiles“ stattfinden, die in den Niederlanden sitzt und aus steuerlichen Gründen einen Ableger in Großbritannien haben wird.
Mit Chrysler geht es stetig bergauf
Die Fiat-Aktie gab leicht nach, als Marchionnes neue Strategie bekannt wurde. Aber wohl nicht, weil die Anleger seinen Plänen nicht trauten, sondern weil die Aktie bereits hoch bewertet ist. Mit einem Plus von 42 Prozent seit Jahresbeginn hat sie hat den möglichen zukünftigen Wachstumskurs bereits eingepreist und ist nun anfällig für Verluste. Alles in allem vertrauen Aktionäre und Analysten dem Fiat-Chrysler-Chef, was wohl an der eindrucksvollen Performance von Chrysler in den USA liegt. Seit Marchionne hier vor fünf Jahren das Ruder übernommen hat, geht es stetig bergauf. Immer wieder gelingt es Chrysler, schneller zu wachsen als Ford und General Motors.
Fiat dümpelt vor sich hin
Chrysler kann die amerikanischen Kunden überzeugen, obwohl der Autobauer technisch mit den großen Autokonzernen Europas oder Asiens nicht mithalten kann. Von Fiat hat er an dieser Stelle keine Hilfe zu erwarten. Die Italiener stecken tief in den roten Zahlen, bangen um den Erhalt ihrer Werke und haben kaum Möglichkeiten für maßgebliche Neuentwicklungen. Es ist wohl die Mischung aus starken Marken (Jeep , Dodge, Chrysler und Ram Trucks sind in den USA nach wie vor beliebt), einem guten Gespür für die Designvorlieben und die Ansprache amerikanischer Kunden sowie niedrigen Kosten (dank vorausgegangenem Insolvenzverfahren), die Chrysler bislang auf Erfolgskurs hielt.
Keine Plattformstrategie in Sicht
Doch wird Marchionne deshalb auch mit seinem Fünfjahresplan erfolgreich sein? Man darf skeptisch sein. Denn auf Dauer werden dem Fiat-Chrysler-Konzern die Innovationen fehlen. Chrysler hat kaum Kompetenzen bei Forschung und Entwicklung. Fiat hätte die Kompetenz schon eher, hier aber fehlt das Geld. Auch eine kostensenkende Plattformstrategie, wie sie etwa VW oder Toyota haben, ist nicht in Sicht. Sicherlich wird Marchionne einigen seiner Marken neues Leben einhauchen können, stark genug sind sie dafür. Dass etwa Alfa Romeo mehr kann, als pro Monat rund 250 Autos in Deutschland abzusetzen, ist offensichtlich – deshalb ist auch VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech scharf auf die Marke. Auch die unverwechselbare Kult-Marke Jeep hat weltweit noch Potenzial.
Doch woher Marchionne den Optimismus für das angekündigte, drastische Wachstum nimmt, bleibt rätselhaft. In vielen Märkten sind die Fiat- und Chrysler-Marken nur noch Nischenprodukte. In Deutschland etwa hat Alfa Romeo einen Marktanteil von 0,1 Prozent und verlor im laufenden Jahr 12 Prozent beim Absatz. Fiat verkauft weniger Autos als Hyundai und muss ein Absatzminus von knapp sechs Prozent im laufenden Jahr verkraften. Ganz zu schweigen von der Marke Lancia, die Marchionne noch vor wenigen Jahren nutzen wollte, um im großen Stil Chrysler-Fahrzeuge in Europa abzusetzen. Der Lancia-Marktanteil im April 2014: 0,0 Prozent.
Fiat wiederum tut sich in den USA schwer. Der neu eingeführte 500L gewinnt zwar Kunden, der Absatz des klassischen Fiat 500 dagegen ging seit Jahresbeginn um 15 Prozent zurück. Auch die Marken Chrysler (-12 Prozent) und Dodge (-6 Prozent) schwächeln seit Jahresbeginn.
Fiat – viel größer als Sie denken. Aber nur im Film.