Wandel kostet Milliarden SUV und China sollen Audi wieder nach vorne bringen

Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender der Audi AG, steht vor der Bilanz-Pressekonferenz neben einem Audi E-tron Prototype. Quelle: dpa

Razzien, den halben Vorstand ausgetauscht, immer neue Diesel-Enthüllungen: 2017 war kräftezehrend für Audi. Was die Ingolstädter vorhaben, um im Konkurrenzkampf mit Mercedes und BMW wieder aufzuholen.

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Die große Schmach bleibt Rupert Stadler dieses Jahr erspart. 2017 hatten am Morgen der Jahrespressekonferenz Dutzende Ermittler und Staatsanwälte die Audi-Zentrale durchsucht, um Beweismaterial im Zuge der Abgasskandal-Ermittlungen sicherzustellen. Und Stadler musste wenige Meter weiter im Firmenmuseum vor Journalisten aus aller Welt gute Miene zum bösen Spiel machen und die Unternehmensbilanz präsentieren. Der Aufruf, wieder nach vorne zu blicken, wirkte angesichts der Staatsanwälte im Haus absurd.

Am Donnerstag versucht es Stadler erneut: „Wir sprechen heute über einen Aufbruch“, beginnt er seine Rede. „Aufbruch bedeutet, dass wir Altes durchbrechen und uns Neuem stellen.“

Ganz kann Stadler die Vergangenheit jedoch nicht hinter sich lassen. Bei den wichtigsten Kennzahlen lag Audi zwar knapp über dem Vorjahr. Der Umsatz beispielsweise ist erstmals über die Marke von 60 Milliarden Euro gestiegen. Auf dem Operativen Ergebnis von 4,7 Milliarden Euro lasten jedoch weitere Rückstellungen wegen der Diesel-Krise in Höhe von 387 Millionen Euro.

Die meistverkauften Audi-Modelle 2017
Audi e-tron prototype Quelle: Audi
Audi R8 Quelle: Audi
Audi A8 Quelle: Audi
Audi A7 Quelle: Audi
Audi TT Quelle: Audi
Audi A1 Quelle: Audi
Audi Q2 Quelle: Audi

Inzwischen ist auch Stadler klar, dass ihn das Thema Diesel noch länger begleiten wird. Im Dezember kündigte er noch an, die „Taskforce Diesel“ zum Ende des ersten Quartals auflösen zu wollen. Doch weitere Rückrufe im Januar machten diesen Plan zunichte. Zudem schweben mögliche Anklagen aus den staatsanwaltlichen Ermittlungen über dem Unternehmen. „Die Dieselkrise ist für uns noch nicht abgeschlossen“, muss Stadler jetzt einräumen. Man arbeite "unermüdlich" an lückenloser Aufklärung.

Ohne den Diesel-Sondereinfluss hätte Audis Ergebnis die Fünf-Milliarden-Euro-Marke geknackt, die Operative Rendite wäre auf 8,4 Prozent gestiegen. So bleiben nur 7,8 Prozent – wobei bei Audi das wichtige China-Geschäft nur im Finanzergebnis bilanziert wird. Rechnet man das Ergebnis der chinesischen Joint Ventures hinzu, würde sich die Operative Marge um rund einen Prozentpunkt erhöhen. Doch selbst Skoda kommt inzwischen auf eine Marge von über neun Prozent.

Die Auslieferungen konnte Audi im vergangenen Jahr auf einen Rekordabsatz von 1,88 Millionen Fahrzeugen steigern, trotz großer Probleme in China zu Beginn des Jahres 2017. Weil Audi mit SAIC einen zweiten Partner an Bord holen wollte, streikten die Händler des Partners FAW über Monate. „Die Verhandlungen mit FAW und dem Händlernetz haben uns im ersten Halbjahr Stückzahlen gekostet“, sagt Stadler. Im zweiten Halbjahr habe es aber jeden Monat Rekordverkäufe gegeben, die die Verkäufe bis Ende des Jahres leicht ins Plus brachten.

„Das zeigt, wie attraktiv die Produktpalette für unsere Kunden ist und wie loyal sie uns zur Seite stehen in wahrlich schwierigen Zeiten“, freut sich Stadler. Doch die Konkurrenz ist stärker gewachsen. Im Premium-Dreikampf mit Mercedes und BMW wurde Audi innerhalb weniger Jahre von der Spitze auf den dritten Platz durchgereicht.

Audi muss aufholen – kann das 2018 noch klappen?

In China und Nordamerika ist bald jeder zweite verkaufte Neuwagen ein SUV

Für das laufende Jahr rechnen die Ingolstädter mit Auslieferungen „mindestens auf Vorjahresniveau“. Ein genaues Wachstum will keiner der Manager beziffern. 2018 stehen 20 Markteinführungen an, die erfahrungsgemäß etwas Absatz kosten. Denn die Auslaufmodelle werden weniger nachgefragt, Kunden warten lieber auf das neue Modell.

„Dieses Jahr haben wir ein komplexes Auslauf- und Anlaufszenario zu managen, ab 2019 entfalten die neuen Modelle ihr volles Momentum“, erwartet Stadler. Dazu kommt die „kräftezehrende“ Umstellung auf den WLTP-Prüfzyklus, die sich 2018 in „einigen europäischen Märkten auf unsere Auslieferungen auswirken“ kann.

Beim Wachstum setzt Audi auf Altbekanntes, das bislang Erfolg versprochen hat: China und SUV. Der kompakte Q2 wird für Europa um eine Sport-Version und in China um eine Lang-Version ergänzt, der erfolgreiche Q3 durch ein neues Modell ersetzt. Bald wird Audi zudem den Q8 vorstellen, ein SUV-Coupé auf Basis des Q7. Auf den wichtigen Märkten China und Nordamerika werden SUV bald jeden zweiten verkauften Neuwagen ausmachen – Audi will in diesen Märkten ebenfalls auf einen SUV-Anteil von 50 Prozent kommen. Dazu kündigte Stadler für die kommenden vier Jahre zehn neue SUV-Varianten für den chinesischen Markt an, die zunehmend lokal gefertigt werden sollen. Sieben Modelle laufen in den Gemeinschaftsfabriken mit dem Partner FAW vom Band.

Das sind die neuen Elektroautos des Genfer Autosalons
VW I.D. Vizzion Quelle: Volkswagen
Audi e-tron Quelle: Audi
Porsche Mission E Cross Turismo Quelle: Porsche
Jaguar I-Pace Quelle: Jaguar Land Rover
Hyundai Kona EV Quelle: Hyundai
Renault Zoë R90 Quelle: Renault
Nissan Leaf Quelle: Nissan

Vier dieser Modelle sollen einen Elektroantrieb haben. Den Anfang macht noch in diesem Jahr der e-tron, der für Europa im Brüsseler Werk gebaut und ab 80.000 Euro im Prospekt stehen wird. Im Gegensatz zu einigen Wettbewerbern will Audi mit seinen E-Autos ab dem ersten Tag Geld verdienen. „Profitabel machen wir E-Mobilität dank einzigartiger Synergien“, sagt Stadler. Das soll zum einen durch den Modularen Elektrobaukasten, den Volkswagen für das Kompaktsegment entwickelt, erzielt werden. Zum anderen durch Audis Premium-Architektur, auf der Elektroautos der Mittel- Ober- und Luxusklasse realisiert werden. "Durch die Kooperation mit Porsche reduzieren wird den Entwicklungsaufwand in dreistelliger Millionenhöhe."

Das so gesparte Geld will Audi investieren, etwa in die Entwicklung neuer Mobilitätsdienste und Geschäftsmodelle. So wird der e-tron das erste Serienmodell, bei dem auch nach dem Kauf noch flexibel Extras in den Bereichen Licht, Infotainment oder Assistenzsysteme hinzugebucht werden können. Zudem soll der Miet-Service „Audi on demand“ neue Kunden erschließen. „Das „neue Premium“ definieren unsere Kunden auch darüber, wie nahtlos wir ihr Mobilitätserlebnis mit der digitalen Welt vernetzen“, sagt Stadler. „Weltweit sehen wir ein Premium-Marktvolumen für diese Dienstleistung von rund sechs Milliarden Euro. Daran werden wir unseren Anteil haben.“

Mit dieser Limousine will Audi die Trendwende schaffen
Audi A6 2018 Quelle: Audi
Audi A6 2018 Quelle: Audi
Audi A6 2018 Quelle: Audi
Audi A6 2018 Quelle: Audi
Audi A6 2018 Quelle: Audi
Audi A6 2018 Quelle: Audi
Audi A6 2018 Quelle: Audi

Doch diese Zukunft der Mobilität wird teuer – der Wandel schlägt auf vielen Ebenen des Unternehmens durch. Bis 2022 will Audi mehr als 40 Milliarden Euro investieren, insgesamt zehn Milliarden Euro sollen im laufenden Betrieb eingespart werden. „Wir fahren unser Maßnahmenprogramm zügig und konsequent, werden effizienter und investieren freigespielte Ressourcen in neues, profitables Wachstum“, sagt Finanzvorstand Alexander Seitz. „So konnten wir bei unverändertem Budget bereits vier zusätzliche und neue Modelle auf den Weg bringen.“ Ein Beispiel für die Einsparungen: Beim Kompaktwagen A3 haben die Kunden etwa ein Drittel der möglichen Motor-Getriebe-Kombinationen nur selten bestellt. Beim Nachfolger werden solche Varianten gleich gestrichen und müssen nicht aufwändig an das Modell angepasst werden.

„Am Ende dieses Programms im Jahr 2022 haben wir den umfassendsten Unternehmensumbau in der jüngeren Geschichte von Audi bewältigt“, sagt Stadler. „Wir werden im nächsten Jahrzehnt ein agileres Unternehmen sein, deutlich reicher an neuen Kompetenzen und Partnerschaften.“

Einen Diesel wird Audi dann immer noch im Angebot haben – der den aktuellen Abgasvorschriften entspricht. Für Stadler ist es „sonnenklar“, dass Audi am Verbrenner auch im kommenden Jahrzehnt festhalten wird. „Wir können nicht erwarten, dass morgen die Hälfte unserer Kunden elektrisch fährt“, so der Audi-Chef. „Seien Sie versichert, dass wir aus den Ereignissen gelernt haben und uns jetzt umso mehr auf integres Handeln und eine nachhaltige Zukunft fokussieren.“

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