Wegen Ukraine-Angriff VW stoppt Russland-Geschäft

VW hat angekündigt, sein Russland-Geschäft aufgrund der Ukraine-Krise vorerst einzustellen. Quelle: dpa

Etliche Unternehmen haben als Reaktion auf Putins Invasion in die Ukraine schon die Einstellung ihrer Aktivitäten in Russland angekündigt. Jetzt zieht Volkswagen nach - und spricht von einer „weitgehenden Unterbrechung“ der Geschäfte in dem wichtigen Markt.

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Wie bereits mehrere andere internationale Konzerne setzt nun auch Volkswagen sein Russland-Geschäft wegen des Krieges gegen die Ukraine aus. „Vor dem Hintergrund des russischen Angriffs hat der Konzernvorstand entschieden, die Produktion von Fahrzeugen in Russland bis auf weiteres einzustellen“, hieß es am Donnerstag. Auch sämtliche Exporte der größten europäischen Autogruppe in die Russische Föderation würden „mit sofortiger Wirkung gestoppt“. Einzelne Marken wie Porsche äußerten sich ebenso.

VW betreibt in Kaluga südwestlich von Moskau und im weiter östlich gelegenen Nischni Nowgorod eine eigene Fertigung. An den Standorten werde die Produktion jetzt vorerst beendet, teilten die Wolfsburger mit. Ebenso sollen keine Autos mehr nach Russland ausgeführt werden. „Mit der weitgehenden Unterbrechung der Geschäftstätigkeit zieht der Konzernvorstand die Konsequenzen aus der von starker Unsicherheit und den aktuellen Verwerfungen geprägten Gesamtsituation.“ Die Beschäftigten in Russland erhalten zunächst eine Lohnfortzahlung.

In anderen Ländern hatte der Kriegsbeginn die Produktion von Autoherstellern bereits ausgebremst – auch bei Volkswagen. So kommt es nach der Corona- und Chipkrise zu weiteren Arbeitsausfällen in Werken wie Zwickau, Wolfsburg oder Hannover, weil Zulieferteile etwa aus der Westukraine fehlen. „Unsere Taskforce arbeitet weiterhin bereichs- und markenübergreifend an Lösungen“, erklärte VW.

Diese Unternehmen wenden sich von Russland ab
LindeAngesichts der Sanktionen gegen Russland stehen beim Gasekonzern Linde Anlagenbau-Projekte im Volumen von bis zu zwei Milliarden Dollar zur Disposition. Per Ende März habe Linde Verträge in dieser Höhe, etwa für Anlagen zur Gasverflüssigung, in Russland in den Büchern gehabt, teilte der amerikanisch-deutsche Konzern am 28. April bei Vorlage der Quartalszahlen mit. Von Sanktionen nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine seien im ersten Quartal bereits Projekte im Volumen von rund 350 Millionen Dollar betroffen gewesen oder seien voraussichtlich betroffen. Linde hatte das Neugeschäft in Russland gestoppt und ist dabei, die Aktivitäten dort nach und nach zurückzufahren: Bestimmte Kunden würden nicht mehr beliefert, zumindest von einem Teil der Anlagen wolle man sich trennen. Für das zweite Halbjahr hat Linde keine Umsätze aus Russland mehr in seinen Planungen berücksichtigt. Quelle: dpa
BASFDer Chemiekonzern BASF stoppt wegen des Krieges in der Ukraine seine Aktivitäten in Russland und Belarus. Eine Ausnahme sei das Geschäft zur Unterstützung der Nahrungsmittelproduktion, teilte der Ludwigshafener Konzern am 27. April mit. Seit März schließt BASF bereits keine neuen Geschäfte mehr in den Ländern ab. Wegen der jüngsten Entwicklungen in dem Krieg und den von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland habe der Konzern nun entschieden, auch die bestehenden Aktivitäten in Russland und Belarus bis Anfang Juli einzustellen. Derzeit hat BASF 684 Beschäftigte in den beiden Ländern, diese sollen bis zum Jahresende weiter unterstützt werden. Die Geschäfte in Russland und Belarus machten im vergangenen Jahr rund ein Prozent des Konzernumsatzes aus, in der Ukraine waren es 0,2 Prozent.Mehr dazu lesen Sie hier: BASF stoppt Neugeschäft in Russland. Quelle: dpa
SAPDer Softwarekonzern gab am 19. April bekannt, den russischen Markt endgültig zu verlassen. Das Unternehmen kündigte zwei weitere Schritte „für den geordneten Ausstieg aus unserem Geschäft in Russland“ an. Hinsichtlich seiner Cloud-Dienste hatte SAP nicht von Sanktionen betroffene Unternehmen bereits vor die Wahl gestellt, Daten löschen zu lassen, diese in Eigenregie zu übernehmen oder sie in ein Rechenzentrum außerhalb von Russland zu überführen. SAP kündigte nun an, die Verträge russischer Firmen, die sich für eine Migration der Daten ins Ausland entschieden hätten, nach Ablauf der Abonnementlaufzeit nicht zu verlängern. Zudem beabsichtige SAP, den Support und die Wartung für Produkte, die auf lokalen Servern in Russland installiert sind (On-Premise), einzustellen. „Wir prüfen derzeit verschiedene Optionen, wie sich diese Entscheidung umsetzen lässt“, teilte das Unternehmen mit. Das Hauptaugenmerk liege darauf, den rechtlichen Verpflichtungen gegenüber nicht-sanktionierten Kunden weiter nachzukommen. Bereits Anfang März hatte SAP erklärt, sich den Sanktionen anzuschließen und das Neugeschäft in Russland wie auch Belarus einzustellen. Das beinhaltete allerdings nicht Dienstleistungen gegenüber Bestandskunden wie Wartungen oder Cloud-Dienste, die zunächst weiter angeboten wurden. Medienberichten zufolge soll diese Entscheidung intern von Mitarbeitern kritisiert worden sein. Mehr dazu lesen Sie hier. SAP macht nicht öffentlich, wie groß das Geschäft in Russland ist. Aus dem Integrierten Bericht 2019 – den letzten verfügbaren Daten – geht hervor, dass die russische Tochtergesellschaft unkonsolidiert im Jahr knapp 483 Millionen Euro umsetzte. Quelle: imago images/photothek
HenkelDer Konsumgüterkonzern gibt sein Russland-Geschäft nun doch auf. Das Unternehmen hinter Marken wie Persil, Schwarzkopf und Fa kündigte am 19. April an, es habe angesichts der aktuellen Entwicklung des Ukraine-Krieges beschlossen, seine Aktivitäten in dem Land einzustellen. „Der Umsetzungsprozess wird nun vorbereitet.“ Henkel werde mit seinen Teams in Russland an den Details arbeiten, um einen geordneten Ablauf zu gewährleisten, hieß es. Währenddessen würden die 2500 Beschäftigten von Henkel in Russland weiterbeschäftigt und -bezahlt. Die mit der Entscheidung verbundenen finanziellen Auswirkungen des geplanten Ausstiegs für Henkel könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht näher quantifiziert werden. Henkel hatte mit dem Schritt lange gezögert. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine Ende Februar hatte der Konzern zwar entschieden, alle geplanten Investitionen in Russland zu stoppen sowie Werbung und Sponsoring einzustellen. Die dortige Produktion sollte jedoch weiterlaufen. Dafür gab es auf der Hauptversammlung Anfang April Kritik von Aktionären, die etwa einen Reputationsschaden für Henkel fürchteten. Quelle: REUTERS
Dr. OetkerAuch der Nahrungsmittelhersteller Dr. Oetker zieht sich wegen des Ukraine-Krieges komplett aus Russland zurück. Das Familienunternehmen teilte am 8. April mit, dass es alle Anteile an seiner Russlandtochter an die bisherigen russischen Geschäftsführer verkaufe und damit sämtliche Aktivitäten in dem Land beende. Das Unternehmen hatte bereits direkt nach dem russischen Überfall auf die Ukraine alle Exporte nach Russland, alle Investitionen in die russische Schwestergesellschaft sowie sämtliche nationalen Marketingaktivitäten gestoppt. Das von Dr. Oetker in der Stadt Belgorod betriebene Nährmittelwerk produzierte seitdem nach Unternehmensangaben nur noch Grundnahrungsmittel wie Hefe und Backpulver für die russische Bevölkerung. Quelle: imago images
IntelDer Chip-Hersteller Intel stellt ab dem 6.April alle Geschäfte in Russland ein. Es seien Vorkehrungen getroffen worden, dass das weltweite Geschäft dadurch so gering wie möglich beeinträchtigt werde, teilt der Chip-Hersteller mit. Quelle: dpa
DecathlonDer französische Sportausrüster Decathlon stellt sein Geschäft in Russland ein. Das teilte das Unternehmen am 29. März mit. Die Lieferbedingungen unter strikter Beachtung der internationalen Sanktionen ließen eine Fortsetzung der Aktivitäten nicht mehr zu, teilt der Konzern mit. Decathlon ist im Besitz der französischen Unternehmerfamilie Mulliez, der unter anderem auch die Supermarktkette Auchan gehört. Zuletzt war der Druck auf die Familie gewachsen, ihre Geschäfte in Russland einzustellen. Auchan erklärte jedoch kürzlich, dort präsent zu bleiben. Andernfalls würden ein Verlust von Vermögenswerten und juristische Probleme für Auchan-Manager befürchtet. Auchan hat rund 30.000 Angestellte in Russland, Decathlon etwa 2500. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte heimische Konzerne vor Reputationsschäden gewarnt, wenn sie in Russland bleiben. Quelle: imago images

Erst musste die Produktion in Sachsen eingeschränkt werden, am Dienstag weiteten sich die neuen Lieferengpässe dann auf zusätzliche Fabriken aus. Demnach wird ab der kommenden Woche die Fertigung am Stammsitz Wolfsburg „gestuft auf verschiedenen Linien“ verringert. In der Woche danach werde man dort wohl gar nicht fertigen können, so der letzte Stand. Auch konzerninterne Zulieferwerke sind betroffen.

Für den Hauptsitz der leichten VW-Nutzfahrzeuge (VWN) in Hannover wurde ein möglicher Stillstand ab der kommenden Woche angedeutet. Am Donnerstag war aus dem Unternehmen zu hören, dass hier zwischen dem 14. und 25. März definitiv nicht produziert werden könne. Bis zum 24. April, so die Erwartung, könne es weitere Ausfälle geben – für diesen Fall haben man mit dem Betriebsrat vereinbart, weitere Kurzarbeit beantragen zu können. An den polnischen Standorten Poznan und Wrzesnia soll die Produktion zunächst vom 10. März an ruhen.

„Der Krieg in der Ukraine bestürzt uns alle“, schrieben Einkaufschef Murat Aksel, Personalvorstand Gunnar Kilian und Betriebsratschefin Daniela Cavallo in einem Brief an die Belegschaft. „Nach dem russischen Angriff hofft Volkswagen auf eine schnelle Einstellung der Kampfhandlungen und eine Rückkehr zur Diplomatie.“ Vorstandschef Herbert Diess hatte schon kurz nach Kriegsbeginn in der vergangenen Woche „mit großer Sorge und Bestürzung“ reagiert. Der europäische und der Welt-Konzernbetriebsrat der VW AG gaben sich „tief erschüttert“.

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von Martin Seiwert

Zentral- und Osteuropa sind für den nach Toyota zweitgrößten Autokonzern ein wichtiger Absatzmarkt. 2021 lieferten alle Marken der VW-Gruppe dort fast 660:000 Fahrzeuge aus. Die Kernmarke VW Pkw kam im vorigen Jahr in der Region auf rund 206:000 verkaufte Neuwagen.

Auch andere Autobauer zogen Konsequenzen aus der militärischen Eskalation. BMW stellt den Bau von Autos im russischen Kaliningrad und den Export nach Russland ein. Zudem werde es durch Lieferengpässe zu Produktionsunterbrechungen in deutschen und europäischen Werken kommen, hieß es bereits am Dienstag in München.

BMW bezieht ebenfalls Kabelbäume aus der West-Ukraine. Der Konzern hat 2021 mit seinem russischen Partner Avtotor 12. 000 Autos in Kaliningrad gebaut und insgesamt 49. 000 Autos in Russland verkauft. Im größten europäischen BMW-Werk Dingolfing dürfte die Produktion in der kommenden Woche komplett ausfallen – Kurzarbeit sei in Klärung.

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Ähnliche Schritte beschloss Mercedes-Benz. Die Stuttgarter setzen ihre Exporte nach Russland sowie die Fertigung dort aus, wie sie am Mittwochabend mitteilten. Mercedes hatte vor knapp drei Jahren sein erstes Pkw-Werk nahe Moskau eingeweiht – damals noch in Anwesenheit von Präsident Wladimir Putin. Die für mehr als 250 Millionen Euro gebaute Produktionsstätte bietet über 1000 Jobs. Ab der kommenden Woche soll die Schichtplanung einzelner Mercedes-Werke angepasst werden. Ausfälle will man „bestmöglich“ vermeiden. Der weltgrößte Lkw-Bauer Daimler Truck stellte seine Russland-Aktivitäten inklusive der Kooperation mit dem Panzerwagen-Hersteller Kamaz vorerst ein.

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