Werbesprech

Daimler tritt auf die Bremse - statt aufs Gas

Seite 2/2

Autos sind hochemotionale Produkte

Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG, scheint es an Visionen zu fehlen. Quelle: dpa

So wundert es nicht, dass schon Journalisten den Daimler-Vorstandschef auf seine dringlichste Aufgabe aufmerksam machen müssen. Nikolaus Doll schreibt in der Welt: „Zetsche muss die Marke neu aufladen. Er muss erklären, wofür Mercedes heute steht, warum man eine A-, C- oder S-Klasse kaufen soll und eben nicht einen BMW oder Audi.“

Beiden Wettbewerbern geht es glänzend. Sie arbeiten wesentlich profitabler. Den Renditerückstand erklärt Daimler-Finanzvorstand Uebber mit dem Alter der eigenen Produktpalette und mit Lücken im Portfolio. Das, schreibt der Kommentator, weckt keine Begeisterung, weder bei der Belegschaft, noch beim Kunden. Das klingt tatsächlich alarmierend.

Es fehlt an Inspiration

Autos sind ist höchst emotionales Produkt, sie brauchen Visionen. Daimler fehlt es an einer Vision. Dieter Zetsche hat offenbar keine. Marken-Visionen von Finanzvorständen zu erwarten, ist heikel. Daimler wirkt, wie viele unserer Unternehmen, uninspiriert. Doch die Wettbewerber machen es vor. Man erkennt es am Umgang mit ihren Slogans: BMW verkündet „Freude am Fahren“ - seit 1965. Audi verspricht „Vorsprung durch Technik“ - seit 1971. Beide Slogans sind visionär und motivieren das eigene Unternehmen zu Höchstleistungen - und zum täglichen Erfüllen des eigenen Versprechens. Mercedes, aktuell „Das Beste oder nichts“, hat seinen Slogan dagegen seit 1988 viermal geändert.

Die Dauerbrenner unter den Slogans
Commerzbank - Die Bank an Ihrer SeiteDie Commerzbank hat diesen Werbeslogan bereits in den 1970er Jahren verwendet und möchte ihn laut eines Berichts des Handelsblatts nun wieder einführen. Die Absicht ist klar: Die Schuldenkrise und Bankenskandale dominieren die Schlagzeilen - und das schon seit 2008. Jetzt muss endlich wieder Ruhe ins Geschäft der Commerzbank, die teilverstaatlicht ist - unter anderem wegen der Finanzkrise. Quelle: dpa
Audi - Vorsprung durch Technik Der Claim wird selbst in ausländischen Werbespots ausgestrahlt, also dort, wo viele nicht der deutschen Sprache mächtig sind. Denn Deutschland wird im Ausland immer noch mit höchster Ingenieurskunst assoziiert. Die Autobauer aus Ingolstadt müssen es wissen: Sie vertrauen diesem Werbeslogan seit 1972. Quelle: obs
Persil - Da weiß man, was man hatBeständigkeit, Vertrauen, Kontinuität: Der Henkel-Konzern wusste nur zu gut, dass er mit diesem Claim das Gemüt eines jeden Bundesbürgers ansprach. Und das seit den 1960er Jahren. Damals führte die Düsseldorfer diesen Werbeslogan ein. Quelle: dpa
Clausthaler - Nicht immer, aber immer öfter. Alles, was ein Bier braucht. Alles, was ein Mann brauchtDiese Marke war es stets ein Ansporn, den abendlichen Fernsehzuschauer in wiederkehrenden Werbeclips von Vorzügen des alkoholfreien Vergnügens zu überzeugen. Diese Hartnäckigkeit verhalf zumindest dem Werbeslogan eine dauerhafte Präsenz im täglichen Sprachgebrauch.
Duplo - Die längste Praline der WeltBöse Zungen wenden stets ein, dass hier der Zuschauer viel falsch verstehen kann. Dennoch ist Duplo bei Erwachsenen als auch Kindern beliebt. Der Konzern jedoch hat nicht vor, diesen erfolgreichen Werbeslogan zu ändern. Quelle: dpa
Exquisa - Keiner schmeckt so wie dieserNichts mag der Magen mehr als Beständigkeit und nirgendwo ist der Mensch so zaghaft wie bei der Auswahl neuer Lebensmittel. Die Marke Exquisa strahlt mit ihrem Werbeslogan genau diese Produkt-Verlässlichkeit aus. Das Unternehmen nutzt ihn seit 1982. Quelle: dpa
Frankfurter Allgemeine Zeitung - Dahinter steckt ein kluger KopfHelmut Schmidt, Bundeskanzler a.D. (in Rauch umhüllt), Bundesministerin Ursula von der Leyen (mitten in einer Landschaft voller Karnickel) oder Pantomime-Papst Samy Molcho (ohne Zeitung in der Hand): Quer durch alle Berufsbilder hat es die Tageszeitung aus Frankfurt geschafft, Prominente für ihre Anzeige einzuspannen. Und das schon seit 1995 - eine halbe Ewigkeit im schnelllebigen Mediengeschäft. Quelle: dpa

Volkswagen, selbst von der aktuellen Autoflaute gebeutelt , besitzt nicht einmal einen Slogan, der Belegschaft und Kunden mitreißen könnte. Denn „Das Auto“ ist weder Slogan, noch Claim, sondern beschreibt schlichtweg das Produkt, das in Wolfsburg seit 1960 gebaut wird. „Das Auto“ ist in etwa so visionär wie „Der Pudding“, „Der Joghurt“ oder „Der Gerät“.

Visionen sind wichtiger als Quartalsergebnisse

Visionen sind ebenso unverzichtbar für Unternehmen wie für die Marken, die sie führen. So wie Marken das Rückgrat von Unternehmen darstellen, sind Visionen das Rückgrat der Marken.

Eine Vision ist nach Boston Consulting Group „Ein konkretes Zukunftsbild, nahe genug, dass wir die Realisierbarkeit noch sehen können, aber schon fern genug, um die Begeisterung der Organisation für eine neue Wirklichkeit zu wecken.“ Sie gibt Management und Mitarbeitern eine Orientierung für ihre Entscheidungen. Eine Vision legitimiert einerseits die unternehmerische Tätigkeit, andererseits will sie inspirieren und zur Kreativität anregen.

Ausgestattet mit einer Vision blicken Unternehmen nicht allein auf das operative Ergebnis des nächsten Quartals. Sie kürzen nicht Hals über Kopf ihre Forschungs- und Entwicklungskosten, sondern investieren in die Zukunft. Ihre Marketingchefs lenken das Unternehmen mit und blicken visionär nach vorn. Ihre Werbung ist ein Ausdruck ihrer Leitidee und ihres Glaubens an die Zukunft. Das gilt für unsere Automobilindustrie mehr denn je. So viel Marketing sollte selbst Börsianern und Investoren zu vermitteln sein.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%