Dass die Zielgruppe, die Käufer und Autofahrer, in den Mittelpunkt der Strategien gehören, hat sich scheinbar bei zu vielen Automobilherstellern noch nicht herumgesprochen. Umso mehr Aufsehen erregte Opel, als man vor zwei Jahren die Marketingspezialistin Tina Müller (auch noch eine Frau!) ins Management Board der Opel Group holte. Das Ergebnis war nicht nur die spektakuläre „Umparken im Kopf“-Kampagne, sondern damit auch eine ansehnliche Steigerung der Absatzzahlen.
Mit einem Neuwagen-Absatzplus von zuletzt 13 Prozent steigerte man bei Opel auch den Marktanteil erstmals seit vier Jahren.
Angriff der Underdogs
Opel spielt geschickt mit Jürgen Klopp und dem Begriff „Status“, beginnt seine potentiellen Käufer wieder zu begeistern - und legt nach: In dieser Woche startet eine neue Kampagne namens „Quantensprung“ für das Modell Astra, die offenbar an die aufsehenerregenden Audi-Kampagnen der Achtzigerjahre anknüpfen will.
Ebenso auffällig bewegt sich Dacia auf seine Zielgruppe zu und spricht diejenigen an, für die ein Auto heute eben kein Statussymbol darstellt. Der Marktanteil des Pkw-Underdogs stieg 2014 immerhin um acht Prozent und damit deutlich über den Marktdurchschnitt. Beide, Opel und Dacia, beweisen, dass Marken mit Profil, die auf die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Zielgruppen eingehen, den Nerv ihres Publikums besser treffen und mehr Erfolg haben als die, die nach alter Manier nur auf vergangene Tugenden wie PS und Status setzen. Das erweist sich zunehmend als Fehler.
So verwundert es nicht, dass der „Deutsche Markenmonitor 2015“ des Rats für Formgebung und der GMK Markenberatung zum Ergebnis kommt, dass die Marke zwar allgemein für 90 Prozent der Marketingentscheider maßgeblich zum Unternehmenserfolg beiträgt, aber gleichzeitig drei viertel der Marken in Deutschland ein klares Profil fehlt. „Erschwerend komme hinzu, dass die meisten Mitarbeiter oft gar nicht wissen, wofür die eigene Firma überhaupt steht“, kommentiert Hans Meier-Kortwig, Inhaber der GMK Markenberatung, die Studie.
Wenn weiterhin die Markenführung in deutschen Unternehmen eine dermaßen untergeordnete Rolle behält und den Marken die nötige Differenzierung und Kundenorientierung fehlt, werden für viele Unternehmen die Marktanteile zwangsläufig weiter sinken.
Auch die Automobilhersteller müssen begreifen, dass sich die Welt dreht und geändert hat. Früher wurde erst produziert und dann eine Zielgruppe für das Produkt gesucht. Heute gilt „The consumer is king“: Am Anfang steht die gesuchte Zielgruppe und das daraus entstehende Markenprofil. Erst dann kann eine Werbekampagne zum erwünschten Marketingerfolg führen.
Dann wird Werbung wieder zum Aushängeschild der Marke, anstatt nur überflüssiger Firlefanz zu sein. Eigentlich ist es ganz einfach.