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Quelle: imago images

Marketing by Fettnapf

Sie kennen „Marketing by Emotion“ oder „Marketing by Design“. Die Branche hat nun eine neue Marketing-Disziplin erfunden: Sie heißt: „Marketing by Fettnapf“. Und eine Marke nach der nächsten tritt hinein.

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„Audi entschuldigt sich für Werbung“ titelt der Spiegel. Das mittlere Erdbeben um die rassistische Golf-Kampagne aus dem Hause der VW-Mutter, die den Konzern erschütterte und das Image von VW heftig beschädigte, war noch nicht verhallt, da setzen die Marketer aus Ingolstadt an, es den Kollegen in Wolfsburg gleichzutun. Was war geschehen?

Audi schaltete eine Anzeige auf seinem offiziellen Twitter-Account, auf der ein kleines Mädchen zu sehen ist, das eine Banane isst. Es lehnt am Kühlergrill eines mit 450 PS einigermaßen übermotorisierten Audi RS 4. Darunter platzierten die Audi-Werber den Spruch: „Lets your heart beat faster – in every aspect“ (Lässt dein Herz schneller schlagen – in jeder Hinsicht).

Das Motiv ließ dann tatsächlich unzählige Herzen höherschlagen. Die Empörung war gewaltig. Manchen war das Mädchen zu süß geraten, sie fühlten sich samt Phallus-Symbol Banane an eine Lolita erinnert, die meisten störte die Relation zwischen der übergroßen Kühlerhaube und dem zerbrechlichen Mädchen. Für viele war die Assoziation klar: Kinder sterben im Verkehr, weil überzüchtete PKW die Sicht auf die Kleinen versperren. Die Kritik geriet scharf, weil das kleine Mädchen in der gezeigten Pose vom Fahrersitz aus kaum zu sehen sei. Außerdem war die Darstellung des Mädchens in Verbindung mit dem Werbespruch von vielen Verbrauchern als sexualisiert aufgefasst worden.

Der angesehene Deutsche Kinderverein sah sich ebenfalls veranlasst, auf Twitter zu reagieren: „Man kann dazu kaum Worte finden, außer eins: Geschmacklos!“

Ebenso empörte sich Kommentator Ben Krischke im Branchenfachblatt MEEDIA. Allerdings weniger über das fragwürdige Motiv als über die „Feigheit“ Audis, nicht das „nötige Rückgrat“ zu besitzen, dem „hanebüchenen“ Shitstorm widerstanden zu haben.

Hat Audi Empörungs-Marketing nötig?

Wieder andere waren sich sicher, dass Audi nichts weiter als eine sogenannte „Outrage Marketing“-Kampagne fahre. Dabei hofft man auf eine möglichst große Empörung im Netz, die der Kampagne erst recht Schub und Reichweite gibt. Bleibt zu hoffen, dass man dem Audi-Management derart billige Tricks nicht auch noch vorwerfen muss.

Aber man weiß es nicht. Vielleicht ist es doch dieses neue „Marketing by Fettnapf“. Audi hat sich zwar entschuldigt und will das Motiv nicht weiter einsetzen. (Was nicht stimmt, denn es ist aktuell noch auf der Twitter-Seite @AudiOfficial zu sehen.) Aber das erklärt nicht, was man sich im Audi-Marketing und in der betreuenden Agentur dabei gedacht hat. Man erwartet von Konzernen und ebenso von Agenturen doch ein Mindestmaß an Sensibilität und Empathie. Dieser Erwartung wird Audi – wie zuvor VW – nicht in geringster Weise gerecht.

VW und Audi hätten gewarnt sein müssen. Die weltweite Debatte um Rassismus und Diskriminierung hatte bereits den deutschen Sportartikelhersteller Adidas eingeholt. Personalchefin Karen Parkin soll Rassismus als „Lärm“ abgetan haben, der nur in den USA diskutiert werde. Daraufhin forderte eine Gruppe schwarzer Angestellter den Aufsichtsrat auf, Parkin und ihre Strategie im Umgang mit Rassismus am Arbeitsplatz zu untersuchen. Das Ergebnis: Sie musste ihren Rücktritt einreichen.

Manager unter Anklage, Umsatz im Minus

von Hannah Krolle, Theresa Rauffmann, Annina Reimann, Jörn Petring, Stefan Hajek

Die Umsätze der Autobauer fallen ins Bodenlose. Infolge der Coronakrise brach der Absatz von Neuwagen hierzulande im ersten Halbjahr um ein gutes Drittel ein. Und ebenfalls um 30 Prozent fuhren sie ihre Werbeinvestitionen zurück. Während jedoch Renault (+12 Prozent), Skoda (+14 Prozent) und Mitsubishi (+17 Prozent) ihren Werbeaufwand steigerten, kürzte Audi seine Werbung um 26 Prozent, VW gar um 48 Prozent.

Inmitten der rapiden Transformation ihrer Geschäftsmodelle, der Digitalisierung und vor allem milliardenschwerer Investitionen in die Elektromobilität müssen die deutschen Autobauer tatenlos mit ansehen, wie der zuvor noch belächelte Konkurrent Tesla an ihnen vorbeizieht. Tesla stieg unlängst zum wertvollsten Automobilhersteller der Welt auf – noch vor Toyota und Volkswagen.

Schrauberei am Logo reicht nicht

Toyota hatte derweil Besseres zu tun. Man überarbeitete das Logo. Unter der Überschrift „Marken in der Bastelstube: Nur Logo-Symbolik reicht nicht“ schreibt Absatzwirtschaft: „Viele Unternehmen müssen im Zuge von Globalisierung und Digitalisierung ihre Geschäftsmodelle in die Zukunft transformieren, um dauerhaft erfolgreich zu bestehen. Interessant dabei ist, dass in dieser Phase Marken anscheinend gerne das eigene Logo als Fortschrittssymbol überarbeiten.“

Ein Paradebeispiel für den Wandel einer Branche sei aktuell die Autoindustrie. In dieser offensichtlich für das Überleben der Automarken entscheidenden Situation haben Toyota, VW, BMW, Opel und Nissan ihr Logo überarbeitet. Doch modifizierte Logos sind im Kampf um die Zukunft zu wenig: „Statt an bestehenden Marken und deren Positionierung und Logos herumzubasteln, sollte man vielleicht eher neue und klar positionierte Marken ins Auge fassen.“ So das Fazit.

Wenn das neue Logo wenigstens gut ankäme, könnten die Verantwortlichen zumindest einen unbedeutenden Pluspunkt gesammelt haben. Doch nicht einmal das gelingt den Autobauern. Nach der deutlichen Logo-Kritik, die sich schon VW und BMW einhandelten, muss nun auch Toyota das Unbill der deutschen Zielgruppe ertragen.

Nachdem es 15 Jahre lang nicht angetastet wurde, hat Toyota ordentlich Hand angelegt. Das Logo ist nun einfacher, flacher und soll „Transparenz und Modernität“ vermitteln, verzichtet aber auf den Unternehmensnamen. Vor allem deswegen fällt das neue Signet bei deutschen Verbrauchern unten durch.

Zurück an die Werkbank

Eine Alternative zu diesem zweifelhaften Aktionismus wäre, sich zu fragen, was dem Konsumenten wichtig ist. Zuhören, vernimmt man seit Jahren auf jedem Marketingpodium, ist der Schlüssel zum Erfolg. Und die Stimme der Verbraucher wird immer deutlicher: Sie wollen zunehmend Marken, die verantwortlich handeln.

Das gilt für Pkw-Marken wohl mehr als für Gummibärchen. „Toyota“, schreibt etwa das „Handelsblatt“, „bietet noch kein reines Elektroauto an, doch hält das Unternehmen die CO2-Vorgaben der EU ein. Die Produktion des Yaris in Nordfrankreich zeigt, was die Japaner besser machen.“ Dieser Weg ist richtig.

Was fehlt, sind zukunftsgerichtete Strategien. Marketing und Werber in der deutschen Automobilwirtschaft sollten am besten alle zurück an die Werkbank. Wenn schon keine Innovationen oder spektakuläre Lösungen, dann doch bitte wenigstens gutes Handwerk. Marketing by Fettnapf kann das letzte Wort nicht gewesen sein.

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