Werke fahren wieder hoch Daimler beendet den Corona-Stillstand

Daimler hatte einen Großteil seiner Produktion im März heruntergefahren Quelle: dpa

Die Coronavirus-Pandemie hat auch große Teile der Produktion bei Daimler lahmgelegt. Nun fährt der Autobauer nach und nach alles wieder hoch. Was den Schutz der Beschäftigten angeht, sehen sich Konzern und Betriebsrat als Vorreiter.

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Nach vier Wochen Stillstand in großen Teilen der Produktion fährt der Autobauer Daimler seine Werke von diesem Montag an wieder hoch. Ein Schwerpunkt liegt auf der Antriebs- und Getriebetechnik, einem Bereich, auf den nicht nur die übrigen Werke in Deutschland, sondern auch die im Ausland und insbesondere in China angewiesen sind. Während einige Standorte zunächst mit einer Schicht beginnen, soll in anderen gleich wieder in zwei oder drei Schichten gearbeitet werden, wie Personalvorstand Wilfried Porth und Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht sagten.

„Wir sind noch deutlich reduziert, was die Produktion angeht“, sagte Porth. Die Lieferketten hätten im Großen und Ganzen gehalten, der Anlauf in China, der schon einige Wochen zurückliegt, habe gut funktioniert. „Wir haben in Europa noch größere Themen in Italien, Frankreich ist auch noch extrem eingeschränkt“, sagte Porth. Die jetzt geplanten Anläufe seien aber abgesichert.

Gearbeitet werden soll unter strengen Hygienevorgaben, die Konzern und Betriebsrat anhand von Gefahrenbeurteilungen für jeden Arbeitsplatz erarbeitet hätten. „Der Katalog, der daraus entstanden ist, ist im Prinzip der Katalog, der als Basis in die Empfehlung des (Branchenverbands) VDA und am Ende auch in die Überlegungen der Bundesregierung eingeflossen ist“, sagte Porth. „Da haben wir sehr viel Vorarbeit geleistet.“

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Damit die Mitarbeiter untereinander nicht mehr Kontakt haben als nötig, werden unter anderem die Schichten nicht voll besetzt und die Schichtzeiten so geändert, dass sich die Beschäftigten weder am Werkstor noch in den Umkleideräumen begegnen. Wo möglich, soll zudem weiter vom Homeoffice aus gearbeitet werden. „Wir haben immer gesagt: Wenn wir wieder anfangen, soll das Infektionsrisiko bei uns geringer sein als außerhalb des Unternehmens“, sagte Brecht.

Daimler hatte einen Großteil seiner Produktion im März heruntergefahren, seit dem 6. April gilt zudem Kurzarbeit, die nach jetzigem Stand erst Ende April auslaufen soll. Etwa 80 Prozent der rund 170.000 Beschäftigten in Deutschland sind in unterschiedlichem Maße betroffen. Wann Daimler mit der Produktion zurück auf das Vor-Krisen-Niveau kommen könne, sei unklar. „Wir wissen noch gar nicht, wie der Markt reagiert“, sagte Brecht. Man fahre derzeit komplett auf Sicht und entscheide von Woche zu Woche, wie es weitergeht.

Auch welche wirtschaftlichen Folgen die Coronakrise nach sich ziehen werde, sei noch nicht absehbar, betonten beide. „Offensichtlich bricht uns im Moment etwas weg, von dem kein Mensch weiß, ob es aufholbar ist“, sagte Porth. Sollte sich die Nachfrage aber unterhalb dessen einpendeln, was der Konzern in seiner Planung zugrunde gelegt habe, sei auch klar, dass die bisherigen Sparvorgaben und der geplante Abbau von Stellen nicht ausreichten. „Die Tatsache, dass wir Anpassungsbedarf haben werden, liegt auf der Hand“, sagte Porth. Wie der umgesetzt werde, müsse man dann sehen.

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Ähnlich wie Daimler hatte zum Wochenende auch Volkswagen angekündigt in Europa und Nordamerika die Produktion mit besseren Schutzmaßnahmen für die Mitarbeiter wieder stufenweise hochfahren zu wollen. Noch im April sollen die Werke in Zwickau, Wolfsburg, Emden und Hannover wieder anfahren. Bei der VW-Tochter Audi soll die Autoproduktion im Stammwerk Ingolstadt voraussichtlich Ende April schrittweise wieder anlaufen. Geplant sei, zunächst nur eine Schicht zu fahren, sagte eine Audi-Sprecherin diese Woche. Später könnten weitere Schichten dazukommen, mit großem zeitlichen Abstand zwischen den Schichten, damit sich beim Schichtwechsel nicht zu viele Mitarbeiter an den Werkstoren begegnen. Wann das Werk Neckarsulm anlaufe, sei im Moment noch offen.

Lange war in den Führungsetagen der Autobauer die Hoffnung weit verbreitet, dass die Coronakrise in Europa und USA so ähnlich läuft wie in China laufen würde und es nach rund einem Monat Shutdown wieder steil bergauf geht; eine Kurve wie ein enges V also. Bei Volkswagen etwa liegt die Produktion in China schon beinahe wieder auf dem Niveau vor der Krise. Dass Europas Kurve ein enges V wird, gilt mittlerweile allerdings als eher unwahrscheinlich. In Europa wird es aufgrund unterschiedlicher Verläufe der Pandemie in den einzelnen Ländern wohl noch Monate dauern.

Die Produktion werde erst langsam anlaufen können. Schon das sei angesichts der weltweit stark verflochtenen Lieferketten mit teils mehreren hundert Zulieferern eine gigantische Herausforderung, sagt Autoexperte Peter Fuß von der Unternehmensberatung EY. Im schlimmsten Fall stünden die Automobilwerke wenige Tage nach dem Hochlaufen schon wieder still, weil wesentliche Teile fehlten. Auch wenn Daimler und VW ab Montag einige Werken schrittweise wieder anfahren, so richtig in Gang kommen dürften die Bänder erst wieder Anfang Mai. BMW etwa hatte die Produktionsunterbrechung an seinen Standorten in Europa, Südafrika, den USA und Mexiko unlängst bis 30. April verlängert.

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