Werkverträge in der Grauzone Welche Risiken drohen BMW und der Bundes-Tochter KBB?

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Ein Riesenproblem?

Seit Jahren versuchen Unternehmen, Werkverträge aus der Grauzone zu holen. Fachmann Nägele aber hält die meisten dieser Maßnahmen für „kosmetische Operationen“. „Die überwiegende Zahl der Werkverträge ist nach wie vor nicht korrekt“, warnt der Arbeitsrechtler. Den politischen Versuch von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), Werkverträge weitgehend zu beschneiden, stutzte der Widerstand der Unionsparteien und der Arbeitgeberverbände zu einer erweiterten Informationspflicht der Unternehmen zusammen. Denn das Instrument Werkvertrag dient der Flexibilisierung, es spart kosten und gilt in vielen Branchen als unverzichtbar. Allein in den Leipziger Werken von BMW und Porsche arbeiten 20 Prozent der 18.500 Menschen, die morgens durchs Werkstor gehen, als Werkvertragskräfte im Auftrag anderer Arbeitgeber oder als Selbständige.

BMW verdonnert seine Auftragnehmer seit Jahren dazu, „nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung von BMW Unteraufträge“ zu erteilen. „Von Hofer eingesetzte Chauffeure wurden nicht an die BMW Group überlassen“, konstatiert der Konzern: „Hofer hat in freier Verantwortung vertraglich vereinbarte Dienstleistungen erbracht.“ Und an die Hofer-Tochter Hofer Experience, die keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt, habe die BMW Group „keine Aufträge vergeben“. Aber ob bei den Berliner Ermittlungen Scheinselbständigkeit festgestellt wird, das kann BMW nicht beeinflussen. Sollte es so kommen, dann, so Professor Schüren, hätte BMW trotz der Vorsichtsmaßnahmen „ein Riesenproblem“. Die Scheinwerkverträgler könnten sich womöglich wie die Daimler-Testfahrer als Mitarbeiter einklagen. BMW müsste – wie Daimler - Lohndifferenzen und Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.

Um legale von illegalen Vertragsverhältnissen zu unterscheiden, müssen die Berliner Staatsanwälte nun herausfinden, wer den Dienstleistern Weisungen erteilt hat und ob sie eigenständig und mit eigenen Fahrzeugen ihre Einsätze erledigt haben. Bei Werkverträgen darf der Auftraggeber einem Arbeitnehmer keine direkten Anweisungen geben, andernfalls gilt dies eben als unerlaubte Leiharbeit. Aber selbständiges Arbeiten der Werkverträgler lassen die tatsächlichen Arbeitsumstände oft nicht zu. Je enger Werkvertragskräfte in den Arbeitsablauf eingebunden sind, desto größer ist also das Risiko der Auftraggeber.

Hofers angeblich selbständige Fahrer etwa fuhren Autos, die BMW oder andere Hersteller zur Verfügung stellten. Und sie folgten nach Darstellung von Betroffenen vielfältigen Anweisungen, wie es Arbeitnehmer tun würden. Einer der ehemaligen Hofer-Chauffeure, mit denen Report und WirtschaftsWoche gesprochen haben, berichtet etwa, kontrolliert worden sei, ob er „eine halbe Stunde nach der Abholung den Gast an der Location abgesetzt hat“.

BMW erklärte 2013 bei Recherchen zum selben Thema, es sei „ausgeschlossen, dass ein Mitarbeiter eines Werkvertragspartners unzulässige Anweisungen von einer BMW-Führungskraft erhält“. Damals ging es darum, eine Aussage des Leipziger BMW-Betriebsratschefs Jens Köhler zu kontern, der damals schon Zweifel an der Werkvertragspraxis in seinem Unternehmen hatte: „In den Verträgen ist alles akribisch festgehalten. Ob es in der Praxis wirklich von vorne bis hinten gelebt wird, da bin ich mir nicht so sicher.“

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