




Der damalige Vorstandschef von BMW schaute den Fragesteller erst mit großen Augen an und nannte es dann wirsch eine „Schnapsidee“. Er reagierte damit auf Informationen, wonach der bayerische Autohersteller den Bau einer Großraumlimousine plane. Der BMW-Konzern, führte er dann im Interview weiter aus, werde seine Produktpalette nicht weiter ausufern lassen.
Neue Modelle müssten zur Marke passen und in erster Linie die Profitabilität des Konzerns steigern. Notfalls werde man auf zusätzlichen Absatz verzichten, statt ein so langweiliges Auto wie einen Van zu bauen.
Zehn Jahre liegt das Gespräch mit BMW-Chef zurück, der damals noch Helmut Panke hieß. Panke ist längst Geschichte – ebenso wie die Mär, dass ein Autohersteller mit drei, maximal fünf Baureihen bestens aufgestellt sei. Im kommenden Jahr wird BMW sage und schreibe 25 Automodelle im Angebot haben, die Fahrzeuge der Tochtermarken Mini und Rolls-Royce noch gar nicht eingerechnet.
Und ein kompakter Van ist auch darunter. Er nennt sich natürlich nicht so, sondern heißt Active Tourer und wird in Zukunft mit zwei Radständen angeboten, damit auch sieben Personen gemeinsam reisen können. Und BMW-Designchef Adrian van Hooydonk und seine Kollegen haben dem neuen frontgetriebenen (!) Modell auch ein so hübsches Kleid geschneidert, dass sich die Großraumlimousine gut verkaufen sollte.





BMW stand lange für sportliche Limousinen mit Heckantrieb und einen drehmomentstarken wie laufruhigen Reihensechszylinder im Motorraum. Mercedes baute komfortable Limousinen mit langem Radstand und großvolumige Motoren, Porsche einen leichten Sportwagen mit Heckmotor, Opel Billigautos und Volkswagen den Golf und den Passat – die Zeit der Käfer-Monokultur war da glücklicherweise schon vorbei. Und heute?
Heute braucht man das Internet, um sich ein Bild vom Modell-Portfolio der Autohersteller zu machen – im Autohaus ist für die Vielfalt der Modelle längst kein Platz mehr. Bestverkauftes Modell bei Porsche ist inzwischen ein Geländewagen, der gute alte Elfer rangiert in der Verkaufsstatistik noch hinter einem Viertürer.
Mercedes wächst in der Kompaktklasse und mit Allradlern; Opel versucht mit einem stylischen wie hochpreisigen Kleinwagen einen Neubeginn und wagt mit einer hochwertigen Mittelklasselimousine den Angriff in der Business-Class. Und Volkswagen ist zum Vollsortimenter geworden – kaum eine Marktnische, den der Konzern nicht besetzen würde.
Schnell, preiswert, gegen alle Konventionen





Ausgefuchste Plattform- und Modulstrategien machen es der Autoindustrie möglich, mit einem überschaubaren Entwicklungs- und Finanzaufwand und in relativ kurzer Zeit jeden Kundenwunsch auch in kleineren Stückzahlen zu erfüllen - oder gänzlich neue zu wecken. Beispielsweise den nach einem geländetauglichen Coupé oder Fahrzeugkonzepte, die die Schnittigkeit eines Rennwagens mit dem Ladevolumen eines Kombis verbinden.
Wenn die Wachstumsmärkte in Amerika oder im Fernen Osten es fordern – und es gute Margen verspricht - werden alle Konventionen gesprengt, gibt es keine Tabus mehr. Dann legt auch Bentley einen luxuriösen Geländewagen auf - und findet auch Volkswagen einen Mammut-SUV schick.
Hinter der nie gekannten Vielfalt steckt aber nicht nur die Kreativität der Designer und die Raffinesse der Betriebswirte. Die Fragmentierung des Marktes ist auch den Veränderungen in der Gesellschaft geschuldet. Die Zahl der Wohlhabenden steigt ebenso wie das Durchschnittsalter.
Und wer sein Schäflein ins Trockene gebracht hat und sich über die Rente keine großen Sorgen mehr zu machen braucht, gönnt sich im Alter noch einmal einen „ActiveTourer“ oder ein „SportUtility“ – eine hohe Sitzposition sorgt für einen guten Überblick und erleichtert das Ein- und Aussteigen. Und wenn sich im Kofferraum neben dem Golfbag auch noch ein Rollator verstauen lässt – umso besser.
Auto
Für Wachstum in den Modellfamilien sorgt auch in den reichen Gesellschaften des Westens auch die wachsende Zahl der DINKS – im Marketing-Sprech „junge und dynamische“ Zweipersonen-Haushalte ohne Kinder, für die Autos modische Sport- oder Freizeitartikel sind. Ihnen gegenüber stehen Großstädter, die nur noch zeitweise ein Auto benötigen und dafür Carsharing-Angebote nutzen.
Der schlichte Allrounder für automobile Grundbedürfnisse, Vatis Fahrzeug für jeden Tag und jeden Zweck – so viel zeichnet sich zu Beginn des Autojahres 2014 ab - wird zumindest hierzulande immer mehr zum Exoten.
Dafür wächst der Bedarf für solche Fahrzeuge auf anderen Stellen des Globus. Der Autoindustrie soll es recht sein – ihre Baukästen geben auch das her. Schnell, preiswert, wenngleich nicht so margenstark.