Zu dem Schluss, dass die drahtlosen Verbindungen eine Schwachstelle moderner Autos sind, kommt auch ein US-Report, der von Edward Markley, dem demokratischen Senator von Massachusetts, in Auftrag gegeben wurde. „Autofahrer vertrauen auf diese Technologien, aber leider haben die Autobauer ihren Teil nicht richtig erledigt, uns vor Cyberattacken oder dem Eindringen in die Privatsphäre zu schützen“, sagt der Senator in dem am Sonntag veröffentlichten Report.
Neben dem Mangel an geeigneten Sicherheitsmaßnahmen äußert der Bericht auch Bedenken darüber, wie die Autohersteller Daten über das Verhalten der Fahrer sammeln, übertragen und speichern. Markleys Schlussfolgerungen basieren allerdings nicht auf eigenen Versuchen, sondern nur auf einer Auswertung von Daten, die ihm die Autobauer zur Verfügung gestellt haben. Auch wenn der Bericht nicht nach wissenschaftlichen Maßstäben verfasst wurde, zeigt er eines: Das Thema ist in der US-Politik angekommen und wird ernst genommen.
eCall-System ist nicht ausgereift
Ganz anders ist die Lage in Europa: Hier macht sich die Politik weniger Gedanken um die IT-Sicherheit von Autos. So müssen nach den Vorgaben der EU-Kommission ab 2018 alle Neuwagen mit dem automatischen Notrufsystem eCall ausgerüstet werden. Es sendet nach einem Unfall mit Airbag-Auslösung einen Notruf. Dabei wird der Standort des Autos in eine Zentrale übertragen. Gleichzeitig baut das Fahrzeug eine Sprachverbindung zum Notruf-Callcenter auf. Von dort aus werden bei Bedarf Rettungskräfte für die Hilfe vor Ort angefordert.
Fragen und Antworten zu eCall
Ein automatisches Notrufsystem für Autos. Wenn ein schwerer Unfall geschieht, wählt es automatisch die 112 und übermittelt den Standort des Fahrzeugs sowie die auf Autobahnen wichtige Fahrtrichtung. Außerdem baut es eine Gesprächsverbindung mit der Leitstelle auf. Auch manuell per Knopfdruck lässt sich der Notruf auslösen.
Die Technologie soll Leben retten. Denn sie könnte einen automatischen Notruf auch dann absetzen, wenn schwer verletzte Unfallopfer nicht mehr telefonieren können. Die EU-Kommission schätzt, dass das System die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes erheblich verkürzen kann. 2500 Leben pro Jahr könnten so gerettet werden.
Wenn E-Call erst großflächig eingeführt ist, soll es laut EU-Kommission „deutlich weniger“ als 100 Euro je Neuwagen kosten. Bei Mercedes in der E-Klasse schlägt es derzeit (inklusive Mehrwertsteuer) mit rund 3000 Euro zu Buche - dann ist es wie bei vielen Herstellern allerdings auch Teil eines umfassenden Audio- und Navigationssystems.
Wenn solch ein System an Bord ist, mache E-Call nur „ein paar Euros“ aus, erklärt ein Experte der EU-Kommission. Auch die Rettungsleitstellen müssten in einigen EU-Staaten noch für den Datenempfang ausgerüstet werden.
Darüber wird gestritten. So warnt der Deutsche Anwalt Verein vor dem „gläsernen Autofahrer“ und der Automobilclub von Deutschland (AvD) sieht in E-Call „die technische Grundlage für eine flächendeckende Überwachungsstruktur“. Die Mahner fürchten, dass Daten zu Fahrweise, Tempo und Bremsverhalten nach einem Unfall gegen den Nutzer verwendet werden könnten.
EU-Abgeordnete wollen dem vorbeugen: Sie möchten E-Call als „schlafendes System“ einführen, dass nur bei einem Unfall Daten sendet. Diese Informationen sollen etwa Angaben zur Fahrtrichtung, genutzten Sicherheitsgurten, dem Fahrzeugtyp und dem Unfallzeitpunkt enthalten.
Ja. Etwa 0,7 Prozent aller Fahrzeuge in der EU haben laut EU-Kommission schon vergleichbare Technik an Bord. Die Opel-Mutter General Motors nimmt für sich in Anspruch, 1996 unter dem Namen Onstar das erste solche System ab Werk eingebaut zu haben. Onstar bot neben Verkehrsinformationen von Anfang an auch die Möglichkeit, einen Notruf abzusetzen. Dank eines eingebauten GPS-Senders ließ sich das Fahrzeug bereits damals orten. Während der Erfolg in Deutschland eher verhalten war, zählt Onstar in den USA, Kanada und inzwischen auch in China mehr als sechs Millionen Kunden. Ford bietet - auch in Deutschland - ein ähnliches System namens Sync an. Mercedes Benz hat im Juni 2012 ebenfalls einen automatischen Notruf eingeführt.
Noch fehlen die verbindlichen EU-Vorgaben. Das Europaparlament hat am 26. Februar 2014 in Straßburg lediglich seine Position für die anstehenden Verhandlungen mit den EU-Staaten beschlossen. Die Gespräche könnten im Herbst beginnen. Ob die serienmäßige Einführung von eCall bei Autos und leichten Nutzfahrzeugen auf dem europäischen Markt wie geplant im Oktober 2015 klappt, bleibt abzuwarten.
Die automatischen Notrufsysteme der einzelnen Hersteller decken nicht unbedingt alle EU-Länder ab. Außerdem geht der Anruf derzeit erst an eine Leitstelle, die im Auftrag der Hersteller und dann bei Bedarf an die 112 weiter verbindet, wie die EU-Kommission erläutert. Das ist ein Umweg. Deshalb basteln die EU-Gesetzgeber an Regeln für ein einheitliches System.
Was zunächst löblich klingt, hat aber auch seine Schattenseiten: Für das eCall-System muss in jedem Neuwagen zwingend ein GPS-Sender und eine SIM-Karte eingebaut sein. Damit könnte nach der Methode von Spaar jedes Auto zum potenziellen Ziel werden – und nicht nur die teuren Karossen mit Navi und Mobilfunk-Anschluss. Dazu kommt, dass heute noch niemand verbindlich sagen kann, wer die eCall-Daten analysieren und verarbeiten darf.
Wie problematisch Mobilfunk-Zugriffe auf Autos sein können, hat der c’t-Versuch gezeigt. Zwar beteuert BMW, dass Spaar zu keiner Zeit Zugriff auf fahrrelevante Funktionen wie die Motorsteuerung, Bremse oder Servolenkung hatte, denn Komfort- und Sicherheitssysteme sind voneinander getrennt.
Eine Garantie geben solche abgekapselten Netzwerke aber nicht. „Die Separation von Systemen ist eine klassische Sicherungsmethode, sie ist so alt wie die IT selbst“, sagt Sicherheitsexperte Sebastian Schreiber. „Das Problem ist nur, dass sie nicht wirklich klappt.“
Die Schwachstelle: An einigen Punkten berühren sich die eigentlich getrennten Systeme. Diese Schnittstellen werden zwar besonders gesichert, aber immer noch von Menschen programmiert – die ab und zu Fehler machen. Und selbst wenn der Fehler im Detail steckt: Früher oder später wird er entdeckt.