Willi Diez zur Zukunft des Autohandels „Klassische Autohändler nur noch auf dem Land“

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"Noch haben wir keine Verhältnisse wie im Bekleidungshandel"

Welche Gefahren birgt der Rückzug aus dem Handel für die Hersteller?
Stellen sich vor, eine große Mega-Dealer-Gruppe gerät in Schwierigkeiten oder sagt, wir haben ein Angebot eines anderes Herstellers. Die Hersteller müssen aufpassen, nicht in zu große Abhängigkeit von den Handelsgruppen zu geraten. Noch haben wir keine Verhältnisse wie im Bekleidungshandel, wo die Händler bestimmen, was ins Regal kommt. Aber das Risiko, dass sich die Machtverhältnisse nivellieren oder umkehren, ist bei einigen Marken schon spürbar.

2020 könnten nach einschlägigen Studien schon zwei Prozent aller Neuwagen übers Internet verkauft werden – Chance oder Risiko für den Handel?
Echten Onlinevertrieb können nur die Hersteller selbst. Wir wissen aber aus unzähligen Befragungen: die Leute, die ein Auto kaufen wollen, gehen ins Internet, weil sie den günstigsten Preis haben wollen. Ohne hohe Rabatte wird der Hersteller seine Autos im Netz also nicht verkaufen können. Mit einem solchen Direktvertrieb ruiniert der Hersteller sein Händlernetz. Onlinehandel ist also ein zweischneidiges Schwert.

Für wie erfolgsversprechend halten sie die Überlegung der Audi- und VW-Partner eine eigene Gebrauchtwagenbörse im Netz zu etablieren?
Das ist sehr schwierig. Der Markt ist verteilt zwischen autoscout24 und mobile.de. Da reinzukommen ist sehr schwierig – und nur über den Preis. Das werden die Händler kaum machen wollen.

Volvo will ab 2016 Schritt für Schritt alle Modelle über eine vom Hersteller aufgesetzte Plattform verkaufen – allerdings indem Volvo die Anfragen nach dem Konfigurieren an die Händler weiterleitet. Wie sinnvoll ist das?
Bei einem kleinen Hersteller wie Volvo kann das durchaus sinnvoll sein. Der Kunde weiß nicht unbedingt, wo der nächste Händler ist, wo er seinen Service machen lassen kann. Wenn übers Internet ein Kontakt zustande kommt und ihm vielleicht weitere Services angeboten werden, wie etwa ein Hol- und Bringdienst zum nächstgelegenen Händler, ist das eine gute Sache. Absolut klar ist: Der Erstkontakt und die Verkaufsvorbereitung werden in zehn Jahren nur noch übers Internet stattfinden. Kein Mensch wird dazu ins Autohaus gehen. Da geht er hin zur Probefahrt und zum Kaufen.

Sind die Händler denn auf diese Art von digitaler Kontaktaufnahme vorbereitet?
Nein. Wir habe jahrelang Mystery-Clicking gemacht. Das Ergebnis ist ernüchternd. Bei vielen Händlern gehen E-Mail-Anfragen im Tagesgeschäft unter. Dabei wachsen die Ansprüche der Kunden.  Früher war es okay auf einen Mail binnen zwei bis drei Tagen zu antworten, heute möchte der Kunde binnen zwei bis drei Minuten Rückmeldung. Mit einer solchen Reaktionsgeschwindigkeit sind die kleinen Betriebe überfordert. Die großen Händlergruppen sind mit eigenen Callcentern auch hier klar im Vorteil.

Einige Händler sind auf E-Mail-Anfragen eh schlecht zu sprechen.

Wieso das?
Viele der Anfragen sind schlicht unbrauchbar. Zwölfjährige, die sich ihren Traum-BMW oder Porsche konfigurieren. Wenn der Hersteller die E-Mail-Adresse eines solchen Kunden über sein System an den Händler weiterleitet, hat der davon natürlich nichts. Es ist also die Aufgabe des Herstellers die Adresse zu verifizieren. Die müssen ihre Systeme optimieren. Da sind wir beim Thema Datenschutz. Der Hersteller kann nicht wissen, ob der 45-jährige Vater oder der 12-jährige Sohn vor dem Rechner sitzt. Wenn sie diesen Filter aber nicht haben, läuft das Thema kostenmäßig aus dem Ruder.

Herr Diez, vielen Dank für das Gespräch.

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