Winterkorn vor Abgas-Ausschuss „Ich suche selbst nach befriedigenden Antworten“

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„Software ist ein komplexes Thema“

Dann sagte er einen Satz, der am Ende symptomatisch ist für seinen Auftritt: „Ich frage mich, ob ich nicht eins der Signale falsch gedeutet habe.“ Als ihn ein Politiker später fragte, welche Signale er denn meine, verweigerte Winterkorn die Aussage. Schließlich gebe es da ja noch dieses Ermittlungsverfahren gegen ihn in Braunschweig. Dem könne er nicht vorgreifen. Doch auch sonst plagte Winterkorn anscheinend erstaunliche Unwissenheit. So weiß er nicht, wie viele Leute ich bei VW mit der Motorsoftware beschäftigt haben. Allerdings seien das nicht nur zwei oder drei gewesen, das sei schon ein „komplexes Thema“. 

Auch meine er zwar, dass „diese Abschalteinrichtungen“ in Europa nicht erlaubt gewesen seien, sicher sei er sich aber nicht. Und überhaupt habe er von diesem „defeat devices“ erst im September 2015 erfahren, als der Skandal ans Licht der Öffentlichkeit kam.

Als Oliver Krischer von den Grünen wissen wollte, ob Winterkorn es genauso sehe wie VW, dass die Abschalteinrichtung in Europa nicht verboten sei, verschränkt Winterkorn die Arme. „Die Frage ist, ist es legal oder ist es illegal“, sagt er. Lachen im Saal. Das sei eine juristische Frage. „Die möchte ich nicht beantworten.“

Wie vor Gericht können Zeugen unter gewissen Voraussetzungen auch in Untersuchungsausschüssen des Bundestages eine Aussage verweigern. Zwar sind geladene Personen nach dem Untersuchungsausschuss-Gesetz verpflichtet, dort zu erscheinen, dürfen sich aber auf das Auskunftsverweigerungsrecht berufen. In Paragraf 22 ist geregelt, dass Zeugen und ihre nahen Angehörigen nicht auf Fragen antworten müssen, die sie der Gefahr eines „gesetzlich geordneten Verfahrens“ aussetzen.

Damit geht die Vorschrift über die entsprechenden Regeln in der Strafprozessordnung hinaus. So darf ein Zeuge vor Gericht und in U-Ausschüssen die Aussage verweigern, wenn die Gefahr besteht, dass er wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt werden könnte. In einem Ausschuss kann ein Zeuge zudem geltend machen, dass er sich womöglich einem Disziplinarverfahren aussetzen müsste.

Volkswagen versucht Comeback in den USA
Ein Gitarrist spielt Blues, an einer Leinwand strahlt ein Bild von der Skyline Detroits und auf der Bühne steht ein extra für die USA gebauter Geländewagen. „We want to reignite America's Love for Volkswagen“, sagt Markenchef Herbert Diess - VW will Amerikas „Liebe“ für VW wieder entfachen. Diese hat nach dem „Dieselgate“ schweren Schaden genommen. Kurz vor Beginn der Automesse in Detroit will der Autobauer eine Botschaft vermitteln: VW hat verstanden. Quelle: AP
Nach einem Einbruch im US-Geschäft wähnt sich die Marke auf dem Weg der Besserung. Die Verkäufe auf dem wichtigen US-Markt haben angezogen - trotz des Verkaufsstopps für Dieselfahrzeuge, der nach den Manipulationen verhängt wurde. „We are here to stay“, sagt Amerika-Chef Hinrich Woebcken - Volkswagen will bleiben. Und VW will mehr. Europas größter Autobauer, der in den USA vor allem im Vergleich mit den hier starken asiatischen Autobauern nur ein kleines Licht ist, will in den Staaten ein Comeback einläuten. Innerhalb der nächsten zehn Jahre wolle VW ein „wichtiger und profitabler Volumenhersteller“ in den USA werden, kündigt Diess an. Das ist zwar ein großes Ziel, aber der Zeitraum ist auch sehr lang. Nicht ausgeschlossen, dass der 58 Jahre alte Diess dann gar nicht mehr Markenchef in Wolfsburg ist. Quelle: AP
Die USA waren für VW auch vor Dieselgate ein schwieriges Pflaster. Seit 2007 weist VW bereits keine Gewinnkennzahlen mehr für die USA aus. Schon damals waren die Zahlen rot. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh nannte das US-Geschäft einmal eine „Katastrophenveranstaltung“. Branchenexperten halten es aber zumindest für möglich, dass VW den Abgasskandal in den USA abschütteln kann: „Die Leute haben ein kurzes Gedächtnis“, sagt Sandy Schwartz vom Marktforschungsunternehmen Cox Automotive mit Blick auf die Dieselkrise. VW habe das Potenzial, in den kommenden Jahren zurückzukommen. Quelle: dpa
Erreichen will VW dies mit für die USA maßgeschneiderten Modellen wie mit einer Variante des Tiguan, der für den US-Markt ein wenig länger ist als für Europa. Vor allem mit einer Offensive im SUV-Segment soll die Wende in den USA erreicht werden. Dazu passt auch die neue Rollenverteilung: statt eines Wolfsburger Zentralismus wie früher sollen nun die einzelnen Regionen mehr Verantwortung bekommen. Quelle: dpa
Die Zukunft des Diesel in den USA dagegen ist offen. VW habe nicht vor, den Diesel in den USA wieder einzuführen, sagt Diess - fügt aber hinzu: nichts sei ausgeschlossen. Quelle: dpa
Die Dieselkrise seit dem Herbst 2015 hat tiefe Spuren hinterlassen bei VW und den Autobauer in eine tiefe Krise gestürzt. Und „Dieselgate“ ist noch lange nicht ausgestanden. Noch vor der Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident am 20. Januar könnte Volkswagen Medienberichten zufolge einen Milliardenvergleich mit dem US-Justizministerium erreichen - und zwar noch in dieser Woche. Dabei geht es um strafrechtliche Ermittlungen. Die damit verbundene Strafzahlung dürfte dem „Wall Street Journal“ zufolge bei mehreren Milliarden Dollar liegen. Zivilrechtlich hat sich VW mit Klägern und Behörden bereits im Grundsatz geeinigt, VW muss mehr als 17 Milliarden Dollar zahlen. Quelle: dpa
Die Verhandlungen mit der US-Justiz sind auch der Grund dafür, dass einer fehlte in Detroit: VW-Konzernchef Matthias Müller sparte sich die Reise in die US-Metropole. Offizielle Begründung: Es gibt kein eigenes Veranstaltungsformat des Volkswagen-Konzerns, deshalb kommt auch der Konzernvorstand nicht. Quelle: dpa

Bei Bedarf muss der Zeuge vor den Parlamentariern glaubhaft darlegen, worauf sich seine Verweigerung bezieht. Ein umfassendes Schweigerecht hat er nur, wenn nichts übrig bleibt, was er ohne die Gefahr eines „gesetzlich geordneten Verfahrens“ gegen ihn aussagen könnte. Personen mit besonderem Vertrauensschutz - wie Geistliche, Anwälte oder Ärzte - müssen meist von Berufs wegen keine Aussage machen.

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