WLTP Die neue Abgasnorm könnte dem Diesel den Rest geben

Warum WLTP dem Diesel den Rest geben könnte Quelle: dpa

Der Abgastest WLTP könnte zwei Antriebsarten, die der deutschen Autoindustrie besonders am Herzen liegen, gefährden: den Diesel und die halbelektrischen Plug-in-Hybride.

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Als Volkswagen vor wenigen Tagen in Wolfsburg die Halbjahreszahlen präsentierte, fiel am Rande der Veranstaltung ein brisanter Satz: Die Umstellung auf die neue Schadstoffnorm WLTP könnte VW einen „zehnstelligen Betrag“ kosten, erklärte Finanzvorstand Frank Witter. Es klingt unglaublich – ein Milliardenschaden durch eine neue Schadstoffnorm?

Autos an neue Abgasvorschriften anzupassen, ist Alltagsgeschäft für einen Autohersteller. Solche Vorgaben werden alle paar Jahre verschärft. Doch WLTP hat die deutschen Autobauer ins Straucheln gebracht und wird sie horrende Summen kosten.

Es könnte für die deutsche Leitindustrie noch schlimmer kommen. Eine Studie des britischen Marktforschers cap hpi zeigt, dass durch WLTP zwei Antriebsarten besonders leiden könnten, die Volkswagen, BMW und Daimler stark am Herzen liegen: der Diesel und Plug-in-Hybride (Benziner mit zusätzlichem, aufladbarem Elektroantrieb).

In den Diesel hat die deutsche Autoindustrie Dutzende Milliarden Euro investiert, sie ist bei der Technik weltweit führend. Die Plug-in-Hybride brauchen die Hersteller, um den durchschnittlichen CO2-Ausstoß ihrer verkauften Neuwagen auf das von der EU geforderte Niveau zu senken.
Schon jetzt ist das WLTP-Chaos perfekt. Bei Audi und Porsche sind große Teile der Modellpalette bis auf weiteres nicht verfügbar. VW parkt tausende produzierter, aber derzeit unverkäuflicher Autos auf angemieteten Flächen. Der Konzern rechnet mit Produktionsstopps ab Herbst und schmeißt etliche Modelle, darunter automobile Ikonen wie die Basisversion des Golf GTI, aus dem Portfolio.

Auch Daimler warnt vor hohen Kostenbelastungen durch WLTP in den kommenden Monaten. BMW hat im Zuge der Umstellung einzelne Modelle aus dem Katalog gestrichen, ansonsten scheinen die Münchner mit einem blauen Auge davonzukommen. Manche Hersteller haben offenbar nicht nur ihre Standardprozesse nicht im Griff, sie stehen sogar im Verdacht, WLTP für weitere Abgasbetrügereien zu nutzen. Die EU-Kommission vermutet, dass sie die WLTP-Messungen manipulieren, um spätere Erleichterungen bei Abgasvorschriften zu erreichen.

Das Desaster mit der neuen Abgasnorm könnte gegen Ende des Jahres überstanden sein. Bis dahin rechnen die Hersteller mit einer Zulassung der meisten Modelle nach der neuen Norm. Liegen diese vor, könnten sie die auf Eis gelegten Bestellungen abarbeiten.

Wo das nächste WLTP-Drama droht

Es kann allerdings sein, dass das nächste Drama beginnt, sobald die neuen WLTP-Messdaten bekannt sind. Denn – das legen zumindest die Zahlen von cap hpi nah – im neuen Messverfahren könnten Diesel und Plug-in-Hybride besonders schlecht abschneiden. Cap hpi hat die Abgasmessungen von 600 Fahrzeugmodellen jeweils nach dem bisherigen NEFZ-Test und nach dem neuen WLTP-Test miteinander verglichen. Der CO2-Ausstoß im WLTP-Test ist im Durchschnitt deutlich höher.

Das ist wenig überraschend, denn der WLTP-Test liegt näher am realen Fahrverhalten als der frühere NEFZ-Test. Was bei der cap-hpi-Studie aber überrascht, sind die Werte für die einzelnen Antriebsarten: Die WLTP-Werte von Benzinern sind durchschnittlich um sieben Prozent höher, bei den Dieseln dagegen steigt der CO2-Wert um 13 Prozent. Gewöhnliche Hybride, die etwa von Toyota millionenfach verkauft werden und im Prinzip besonders sparsame Benziner sind, legen unter WLTP-Messung um acht Prozent zu. Die von deutschen Herstellern favorisierten, deutlich aufwändigeren Plug-in-Hybride dagegen zeigen einen Anstieg um satte 27 Prozent.

Decken sich diese Zahlen mit den Messungen der deutschen Hersteller? „Eine pauschale Aussage, dass die Verbrauchsangaben bei Modellen mit Dieselmotor stärker ansteigen als bei Benzinern lässt sich aus unserer Sicht nicht treffen“, heißt es dazu vorsichtig bei Daimler. BMW weicht der Frage nach einem höheren Anstieg aus und erklärt nur, dass „die Aussagekraft der Ergebnisse (von cap hpi) nur sehr schwer einschätzbar“ sei. Volkswagen äußerte sich nicht.

Diese Autos sind WLTP zum Opfer gefallen
BMW M3 Quelle: BMW
BMW M550i Quelle: BMW
BMW Siebener Quelle: BMW
BMW X5 Quelle: BMW
BMW X6 Quelle: BMW
BMW 430i xDrive Quelle: BMW
BMW 6er Gran Coupé Quelle: BMW

Der Diesel ist durch den Abgasskandal schwer unter Druck geraten. Die Verkäufe von Neuwagen sind von 50 auf etwa 30 Prozent Marktanteil eingebrochen, viele gebrauchte Diesel sind nicht oder nur mit großen Preisabschlägen verkäuflich. Dennoch halten deutsche Autobauer an der Technik fest. Ihr Hauptargument: Der Diesel sei dank eines etwas geringeren CO2-Ausstoßes klimafreundlicher als Benziner. Dieser Klimavorteil ist so klein, dass bei einer ökologischen Gesamtbetrachtung dem Benziner der Vorzug gegeben werden sollte, heißt es beim Umweltbundesamt. Trotzdem ist das Klimaargument der Strohhalm, an den sich deutsche Dieselfreunde derzeit klammern. Sollte der WLTP-Test die CO2-Werte der Diesel nach oben katapultieren, wäre womöglich dieses letzte Argument pro Diesel zunichte.

Der Vorstand eines deutschen Autobauers sieht schon das nächste Problem für den Selbstzünder heraufziehen. Es könnte sein, sagt er, dass die Manager großer Fahrzeugflotten sich vom Diesel abwenden: „Sie bekommen meist sehr strenge Vorgaben zum CO2-Ausstoß ihrer Flotte“, so der Automanager. „Wenn der Diesel wegen WLTP schlechter abschneidet, ist er tot.“ Denn: Die wichtigsten Abnehmer für große, teure Diesel seien Firmen mit ihren Fahrzeugflotten. Aus diesem Grund habe man in seinem Konzern vor dem „CO2-Thema“ eine „Riesenangst“.

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