ZF Friedrichshafen Autozulieferer legt erste Halbjahresbilanz seiner Geschichte vor

ZF Friedrichshafen gibt Zahlen für das erste Halbjahr bekannt. Zum ersten Mal in der Geschichte, denn seit der Übernahme des US-Zulieferers TRW hat sich einiges geändert. Gleichzeitig werfen große Ereignisse ihre Schatten voraus. Am 9. September wird ZF 100 Jahre alt.

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ZF Friedrichshafen gibt zum ersten Mal in seiner Geschichte Halbjahreszahlen bekannt. Quelle: dpa

ZF-Chef Stefan Sommer hat Grund zur Freude. Am 9. September feiert das Unternehmen seinen 100. Geburtstag mit einem großen Festakt und vielen hundert Gästen. Aus der Zahnradfabrik, gegründet 1915 von Alfred Colsmann und Max Maag, die Getriebe und Zahnräder für Luftschiffe, Motorwagen und Motorboote bauen wollten, ist ein Weltkonzern mit 71.000 Mitarbeitern und einem Umsatz (2014) von fast 18 Milliarden Euro geworden.

Heute baut der Konzern mit Stammsitz in Friedrichshafen am Bodensee Getriebe, Achssysteme, Antriebsmodule und Fahrwerkskomponenten, Sensorik und Dämpfer für Pkw und Nutzfahrzeuge sowie Antriebstechnik für Luftfahrt, Windkraft und Marine.

So steht ZF + TRW nach dem 1. Halbjahr 2015 da

Am meisten Umsatz machte ZF voriges Jahr mit der Sparte Pkw-Antriebstechnik. Sie steht für 6,7 Milliarden Euro und 23.600 Mitarbeiter. Gefolgt von der Fahrwehrtechnik mit knapp 6 Milliarden Euro Umsatz. Doch seit Mai 2015 ist alles anders. ZF-Chef Sommer:„Die erfolgreiche Übernahme von TRW ist sicherlich das herausragende strategische Ereignis, das uns in eine völlig neue Dimension katapultiert hat. Wir sind hervorragend aufgestellt, um unsere Industrie auch künftig wesentlich mitzugestalten und die Erfolgsgeschichte von ZF fortzuschreiben.“

TRW-Übernahme geglückt

Der Riese vom Bodensee hat den Riesen aus Michigan geschluckt. Gut 13,5 Milliarden Dollar (10,4 Milliarden Euro) zahlte ZF für TRW Automotive. „Wir haben die Übernahme entsprechend unserer konservativen Finanzpolitik solide und zu günstigen Konditionen durchfinanziert“, sagt ZF-Finanzvorstand Konstantin Sauer. „Dank eines ausgewogenen Laufzeitenprofils können wir die Verschuldung nun Jahr für Jahr kontinuierlich zurückführen. Aufgrund unseres starken Cash Flows gehen wir davon aus, dass uns dies zügig gelingen wird.“

Der amerikanische Konzern bot all das, was ZF noch im Portfolio fehlte. Vor allem Technologien, die automatisches Fahren ermöglichen: Fahrassistenzsysteme zur Lenkung, Spurwechsel und automatischen Bremsen sowie die dazugehörige Sensoren. Vom autonomen Fahren verspricht sich die gesamte Automobilbranche in den nächsten fünf bis 20 Jahren gewaltige Ertragssteigerungen. ZF muss nun schnell aufholen, um nicht den Anschluss zu verlieren. „Wir sehen uns noch in einer Fast-Follower-Rolle“, sagte Sommer kürzlich der Stuttgarter Zeitung.

Mit TRW – das Unternehmen wird zunächst als fünfte Division in den ZF-Konzern integriert – schwillt auch die Belegschaft um fast das doppelte auf über 130.000 Mitarbeiter an. Der gemeinsame Umsatz liegt bei über 30 Milliarden. Damit reiht sich ZF auf der Liste der größten Zulieferer weltweit an dritter Stelle ein – hinter Continental und Bosch. Für 2016 peilt Sommer rund 37 Milliarden Euro an, 2025 sollen ZF und TRW gemeinsam rund 70 Milliarden Euro erwirtschaften.

Das Übernahme-Karusell in der Zuliefererindustrie

Bis dahin müssen die Unternehmen zusammen wachsen. Mit dem Abschluss der Übernahme am 15. Mai 2015 hat die Integration von TRW begonnen, für die drei bis fünf Jahre angesetzt sind. Keine ganz leichte Aufgabe, denn deutsche und amerikanische Führungskulturen unterscheiden sich deutlich. 13 Arbeitsgruppen arbeiten an der Einbindung von TRW in den ZF-Konzern.

Sommer will das Kostenniveau senken

Die organisatorischen Änderungen sind bereits in vollem Gange. Zentrale Konzernführungsfunktionen wie Finanzen und Konzernrevision werden zusammengelegt. Auch im Vertrieb will Sommer einiges ändern. „Die Kunden erwarten einen Ansprechpartner für das gesamte Portfolio und die einheitliche Nutzung von IT-Systemen in diesem Bereich“, erklärte er im Zeitungs-Interview. Die Gehälter in der ersten und zweiten Managementebene seien derweil bereits angepasst worden. „Im nächsten Jahr wollen wir die Gehälter der fritten Führungsebene anpassen. Zunächst müssen wir die Kriterien wie etwa Führungsverantwortung klassifizieren.“

Die zehn größten deutschen Autozulieferer
Platz 10: EberspächerUmsatz 2014: 3,60 Milliarden Euro Das aus Esslingen am Neckar kommende Familienunternehmen zählt zu den weltweit führenden Systementwicklern und -lieferanten für Abgastechnik, Fahrzeugheizungen und KlimasystemeQuelle des Rankings: Berylls Stretagy Advisors Quelle: dpa
Platz 9: BroseUmsatz 2014: 5,17 Milliarden Euro Aus Coburg kommen die Sitzsysteme, Türmodule, Fensterheber und Schließsysteme von Brose. 22.000 Menschen arbeiten für das Familienunternehmen, das bereits seit 1908 existiert. Quelle: Presse
Platz 8: HellaUmsatz 2014: 5,18 Milliarden Euro In Lippstadt in Nordrhein-Westfalen produziert Hella mit rund 29.000 Mitarbeitern Licht- und Elektroniksysteme für den Fahrzeugbau, wie hier die LED-Scheinwerfer für eine Mercedes E-Klasse. Das Unternehmen blickt auf eine lange Historie zurück. Der Grundstein wurde bereits 1899 gelegt. Quelle: Presse
Platz 7: Benteler AutomobiltechnikUmsatz 2014: 5,87 Milliarden Euro Fahrwerkteile, Abgassysteme, Umformtechnik und Rohre – das sind die Komponenten, die Benteler Automobiltechnik mit weltweit rund 20.850 Mitarbeitern entwickelt und produziert. Zum 1. September 2014 hat Benteler zwei Teilbetriebe aus der insolventen Wilco Wilken Lasertechnik übernommen, um seine Kompetenz in diesem Bereich zu verstärken. Quelle: Presse
Platz 6: SchaefflerUmsatz 2014: 8,89 Milliarden Euro Von Herzogenaurach aus schickt Schaeffler seine weltberühmten Wälzlager, aber auch Motoren- und Getriebeelemente, sowie Kupplungs- und Antriebstechnik rund um den Globus. Schaeffler übernahm 2008 Continental und bürdete sich damit einen riesigen Schuldenberg auf, den das Unternehmen in den nächsten Jahren nur mühsam abstottern konnte. Die Schaeffler-Gruppe hat rund 76.000 Mitarbeiter. Quelle: REUTERS
Platz 5: ThyssenKruppUmsatz 2014: 9,72 Milliarden Euro Der Stahlkonzern aus Essen verdient an der Automobilindustrie mit dem Verkauf von Karosserieteilen, Fahrwerksmodulen, Antriebssträngen, Lenksystemen und Aufhängungen. Im Bild die Achsmontage an einem Smart Fortwo. Insgesamt arbeiten 157.000 Menschen für ThyssenKrupp. Quelle: Presse
Platz 4: MahleUmsatz 2014: 9,98 Milliarden Euro Die Stuttgarter beliefern Autobauer weltweit mit Kolben, Lagern, Ventiltrieben, Filtersystemen, Turboladern und Klimaanlagen. Rund 65.000 Menschen arbeiten für das Traditionsunternehmen, das 1920 gegründet wurde. 2010 fusionierte Mahle mit dem Klimaanlagenbauer Behr und stieg damit damals unter die Top 4 der größten deutschen Automobilzulieferer auf. Quelle: dpa

Zu den vielen Veränderungen, die die Integration des neuen Konzernteils mit sich bringen, gesellen sich nun auch noch Probleme in den traditionellen Bereichen. Wegen der hohen Produktionskosten am Standort Deutschland sucht Sommer für die Standorte Schweinfurt (Bayern), Eitorf (Nordrhein-Westfalen) und Ahrweiler (Rheinland-Pfalz) nach neuen Produkten wie etwa technisch aufwendigere elektronische Stoßdämpfer. „Für die konventionellen Stoßdämpfer haben wir auf unserem Kostenniveau in den vergangenen Jahren keine neuen Aufträge mehr gewonnen“, so Sommer. Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern liefen.

Sommer will auch in Friedrichshafen das Kostenniveau senken. So liefen Aufträge des Lkw-Herstellers MAN bis 2018 großteils aus. Mit Blick auf neue Geschäftsfelder seien zwar weitere Pkw-Komponenten in die Produktion aufgenommen worden. „Aber das reicht nicht“, sagte Sommer. Auch die Elektromobilität, die immer als Wachstumsfeld angeführt werde, sei „nicht der Rettungsanker für Arbeitsplätze“.

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