Zschabers Börsenblick
Die Autobranche bald wieder auf der Überholspur? Quelle: imago images

Sind Autoaktien bald zurück auf der Überholspur?

Auf kaum einer Industrie wird derzeit so viel rumgehackt wie auf den Autobauern und gleich mehrere Einflussfaktoren bescheren dieser Branche starke Kursverluste. Sei es das Thema Abgasskandal und damit verbundene gerichtliche Auseinandersetzungen und Zahlungen sowie die Androhung von Handelszöllen, kaum einer leidet derzeit so viel wie der Automobilsektor. Börsianern könnte dies in naher Zukunft einen guten Kaufzeitpunkt bescheren, doch noch gilt es abzuwarten.

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Es ist eines der bekanntesten Börsianer-Bonmots, wonach man kaufen solle, wenn die Kanonen donnern. Und wenn es in einer Branche zurzeit so richtig laut knallt und scheppert, dann ist das zweifellos die Autobranche – kaum eine Industrie steht in diesen Tagen so unter Feuer wie die Autobauer.

Es geht ja nicht nur um Schummeleien wie die Manipulationssoftware, die von den Autoherstellern verwendet wurde und die ohne Zweifel ihr Image erheblich angekratzt hat. Noch entscheidender ist – wie so oft an der Börse – die lange Sicht. Denn selbst wenn sich die momentane Aufregung um die Themen Schummelsoftware und Diesel-Fahrverbote gelegt hat, bleiben weitere, deutlich grundlegendere Fragen zu klären: Welcher Antrieb wird der sinnvollste, weil umweltverträglichste sein? Was wird am besten zu realisieren sein? Vor allem aber: Wie wird das Autofahren der Zukunft aussehen? Mit Elektromobilität, mit dem vernetzten und autonomen Fahren sowie mit Shared Mobility haben die Autounternehmen gleich mehrere Themen anzugehen, die in einer sich immer dynamischer entwickelnden Welt zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Die nächsten Autogiganten

Das dürfte klar sein: Unternehmen wie Tesla oder Google können aller Voraussicht nach eines Tages ein gewichtiges Wörtchen mitreden im Automarkt. Doch noch ist Skepsis angebracht. Beim Elektroautopionier Tesla etwa sind die Stückzahlen zu klein, die Vorschusslorbeeren des Marktes erscheinen vor diesem Hintergrund zu groß, um allein auf dieses Unternehmen den künftigen Erfolg einer ganzen Branche zu projizieren. Dabei ist noch nicht mal berücksichtigt, dass für solide Investoren der Umgang der Tesla-Führung mit den sozialen Medien zu unbedarft sein dürfte. Oder könnten Sie sich vorstellen, dass ein Daimler-Vorstand twittert, dass er darüber nachdenke, sein Unternehmen besser von der Börse zu nehmen? 

Ohne Zweifel hat auch der Gigant Google allein schon aufgrund seiner schieren Größe das Potenzial, im Autosektor Fuß zu fassen: Die Google-Mutter Alphabet ist mit knapp 300 Milliarden Euro Börsenbewertung mehr als doppelt so viel wert wie BMW, Daimler und Volkswagen zusammen. Allerdings macht es den Eindruck, dass die Rolle, die man Google als Autohersteller zuschreibt, momentan noch vor allem auf Fantasie beruht. Auch damit haben Investoren mit einer Vorliebe für Fundamentales zu Recht ihre Probleme.

Signale und Herausforderungen

Es mehren sich aber die Hinweise, dass die Urgesteine der Autoindustrie mittlerweile selbst die Zeichen der Zeit erkannt haben und neue Wege gehen. Dass Daimler-Chef Dieter Zetsche sein Amt aufgibt, ist zwar letztlich nur eine Personalie, könnte aber eines dieser Signale für die Branche sein.

Das Bild der verschlafenen deutschen Autobauer, die einen Trend nach dem anderen verpassen, ist jedenfalls ein falsches. Die Fusion der Carsharing-Dienste der beiden Premiumanbieter Daimler und BMW hat gezeigt, dass beide verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat und was zu tun ist, um clever und vor allem rechtzeitig Stärken zu bündeln und gemeinsam Marktanteile zu gewinnen. Auch haben die klassischen Autohersteller aufgrund ihres Know-hows wohl die besten Voraussetzungen, digitale Produktionsprozesse zur Kostensenkung und Steigerung der Effizienz sowie Leichtbau umzusetzen. 

Vom Buhmann zum Liebling?

Beruhigt sich der Markt erst einmal – das dürfte passieren, wenn die Branche nicht mehr tagtäglich für Negativschlagzeilen sorgt –, können die aktuellen Buhmänner wieder sehr beliebt werden bei Anlegern. Und das dürfte unabhängig davon sein, ob sich letzten Endes nun Lithiumbatterien, Wasserstoff oder fossile Brennstoffe als Energielieferant für den Antrieb durchsetzen werden. Fakt ist, dass die Wirtschaft zumindest in den kommenden zehn Jahren nicht ohne Autos respektive ohne LKW vorstellbar ist. Und hier sind europäische – allen voran deutsche Autobauer – nach wie vor eine feste Größe. 

Natürlich darf man als langfristig orientierter Investor mögliche Risiken keineswegs vernachlässigen. So sind die Markteintrittshürden in Zeiten der Elektromobilität so niedrig wie noch nie. Dessen müssen sich die etablierten Autobauer bewusst sein. Nichtsdestotrotz ist ihr über Jahrzehnte angehäuftes Ingenieurswissen ein Aspekt, der für sie spricht. 

Wer das ähnlich sieht, kommt unter Umständen derzeit zu günstigen Kursen an die Papiere der Branchengrößen. Nicht zuletzt aus diesem Grund und unter dem Gesichtspunkt der Diversifikation bietet sich ein Investment in den Stoxx 600 Automobiles & Parts an, der die wichtigsten europäischen Branchenvertreter mit einer breiten Streuung abdeckt – eine positive Entwicklung beim Thema Autozölle in den nächsten Wochen vorausgesetzt.

Aber Vorsicht, neben den ganz aktuellen Gewinnwarnungen aus dieser Branche - unter anderem vom Autoprimus Daimler - sind die politischen Herausforderungen wirklich hoch. Sollten sich dies bezüglich die Wogen ein wenig geglättet haben und die Kapitalmärkte seitens der Schwankungen etwas ruhiger verlaufen, gilt es in den Startlöchern zu stehen. Dieses setzt natürlich auch voraus, dass das Thema Autozölle sich in den kommenden Wochen etwas entspannt. Dann aber kauft der Anleger Perlen in sein Portfolio, welche zwar derzeit noch nicht glänzen, aber das Potenzial haben zu leuchtenden Sternen zu werden.

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