Zu viel Sympathie KBA-Chef Zinke und die Nähe zur Industrie

Gebäude des Kraftfahrt-Bundesamts Quelle: dpa

Audi und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) geraten infolge eines Berichts in den Fokus bei Diesel-Mogeleien. Mittendrin: Ekhard Zinke. Der KBA-Präsident ließ schon vor Jahren die Distanz zur Autoindustrie vermissen.

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Es ist die IAA 2007 in Frankfurt am Main, am Messestand der Auto-Tuningfirma Brabus. Vor laufender Fernsehkamera lobt Ekhard Zinke, Chef des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), auf der Automesse einen von der Tuning-Firma umgebauten Smart – eines der schmutzigsten Autos auf deutschen Straßen. Der Smart aus dem Hause Daimler hat rund 100 PS, stößt mit 121 Gramm pro Kilometer so viel CO2 aus wie eine Mercedes C-Klasse und schlägt beim Feinstaub-Ausstoß selbst große Lkw.

Für Zinke – als KBA-Präsident immerhin oberster Kontrolleur der deutschen Autohersteller – alles kein Problem. Hier paare sich „Emotionalität mit Rationalität“, schwärmte der KBA-Chef am Messestand von Brabus. „Eine Symbiose“ sei das. Und: „Machen wir uns nichts vor: Wir Autofahrer leben auch von der Emotionalität, vom Fahrspaß.“ Das Video dürfte Zinke heute zumindest unangenehm sein. Äußern wollte er sich gegenüber der WirtschaftsWoche dazu nicht.

Dass der KBA-Chef zu viel Sympathie für die Autoindustrie übrig hat, davon zeugt nicht nur das zwölf Jahre alte Video der IAA. „Aus Umweltgründen nehme ich keine Autos von der Straße“, sagte Zinke einige Jahre nach seinem Amtsantritt und wog damit die deutschen Autobauer in Sicherheit. Zudem beendet(e) der Präsident der obersten Kfz-Behörde Deutschlands seine E-Mails gern „mit industriefreundlichem Gruß“ – angeblich ironisch gemeint, wie er nach Bekanntwerden dieser Signatur kommentierte.

Zinke steht für eine Behörde, die sich bislang wohl zuerst als dienender Punkte-Überwachungs- und Pkw-Zulassungsverein verstand und dabei die zweite ebenso wichtige Rolle vernachlässigte: die als Überwacher der Autokonzerne.

Dies zeigt sich nun einmal umso deutlicher: Nach Recherchen des „Handelsblatts“ gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk sei das Kraftfahrt-Bundesamt für Akteure bei VW und Audi zur „reinen Durchlaufstelle“ geworden, „wenn es darum ging, manipulierte Fahrzeuge in den Markt zu bringen“. Über 80.000 Dokumente zur Dieselaffäre analysierten die Journalisten. Mit dem Fazit: „Selbst als der Dieselskandal längst bekannt war, ließen sich die KBA-Verantwortlichen von Audi-Akteuren täuschen“, schreiben die Autoren. Die Verantwortung für diese Entwicklungen trage der KBA-Chef Ekhard Zinke persönlich, schreibt das „Handelsblatt“. Den Prüfern der Behörde habe „ganz offensichtlich die Rückendeckung von oben“ gefehlt. Der damalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) habe mithilfe von KBA-Chef Zinke versucht, den Skandal bereits für erledigt zu erklären, bevor er begonnen hatte. Einen Kommentar gab es von Seiten des KBA zu den Anschuldigungen laut der Zeitung nicht.

Überraschen können diese Berichte wohl nur wenige. Schon vor zwei Jahren verfestigte sich der Eindruck: Große Autobauer haben bei Millionen Fahrzeugen den Schadstoffausstoß manipuliert. Zinkes Behörde hätte das verhindern können – schaute aber systematisch weg. Personelle Konsequenzen hatten die Ungereimtheiten damals nicht – zumindest nicht in der Führungsetage. Noch immer ist Zinke im Amt.

Konsequenzen forcieren und ziehen andere. Was den KBA-Chef 2007 an dem umgebauten Smart nämlich scheinbar nicht interessierte, sollten Jahre später Tests des Automobilclubs ADAC und der Deutschen Umwelthilfe enthüllen: Bei einem ADAC-Test, dessen Protokoll der WirtschaftsWoche vorliegt, emittierte ein zweisitziges Smart Cabrio (0,9 Liter Turbo) durchschnittlich 83.000 Milliarden Partikel pro Kilometer. Das ist das 138-Fache des Grenzwerts, den Dieselfahrzeuge schon seit 2011 einhalten müssen. Bei Autobahntempo schaffte der Smart sogar 263.000 Milliarden Partikel – das 440-Fache des Dieselgrenzwerts. Der Euro-6-Smart sei das Schlusslicht beim Partikelausstoß, befindet der ADAC. Für ein Stadtauto seien die Werte „untragbar“.

Smart-Hersteller Daimler widerspricht den Messergebnissen nicht, betont aber, dass die 440-fache Überschreitung bei einem „Tempo bis 130 Kilometer pro Stunde“ gemessen worden sei, was ein „sehr anspruchsvoller“ Test sei. Daimler unterstütze das weltweit übliche WLTP-Messverfahren. Allerdings: Auch im WLTP-Test ist der Smart laut ADAC der mit Abstand größte Schmutzfink, mit einem über 13-Fachen des maximal erlaubten Partikelausstoßes von Dieselautos. Weil Daimler die Abgas-Probleme des Smart nicht in den Griff bekam, zog der Hersteller 2018 die Reißleine: Ab 2020 gibt es den Smart nur noch mit Elektroantrieb.

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