Zulieferer in der Klemme „Wahnsinnig anstrengend“: Wie Autozulieferer um Preiserhöhungen kämpfen

Zulieferer versuchen zunehmend, den Preisdruck weiterzugeben Quelle: imago images

Zulieferer kämpfen mit hohen Kosten für Energie, Material, Personal. Das haben die Unternehmen in die jüngsten Verhandlungsrunden mit ihren Kunden getragen – teils erfolgreich. Wie sie sich dafür vorbereitet haben.

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Andreas Fein ist derzeit viel unterwegs. Bis November ist er ausgebucht. So erzählt er es. Fein ist Verhandlungstrainer, seine Kunden Automobilzulieferer. Fein veranstaltet Workshops, in denen er mit Geschäftsführern und Vertriebsmanagern Preisverhandlungen durchgeht. Das neueste Seminar in seinem Angebot heißt „Preiserhöhungen in der Rohstoffkrise“, der Workshop richtet sich an Mittelständler, sie üben in Fallbeispielen Verhandlungssituationen. Die Übungen tragen Zitate als Titel, die die Vertriebsmanager so oder ähnlich oft selbst schon gehört haben: „Ihre Forderung ist sinnlos“, „Eine unterjährige Preiserhöhung lehnen wir ab“ oder: „Ist im Liefervertrag festgeschrieben“. Jüngst trainierte Fein die Angestellten eines Autozulieferers, der sich in einem Insolvenzverfahren befindet.

Das Verhältnis der beiden Seiten am Verhandlungstisch ist bekanntermaßen ungleich: Da sitzt jemand aus einem Betrieb, oft mit nur kleiner Belegschaft. Und gegenüber der Vertreter eines Konzerns: Geschulte Einkäufer aus dem Hause Volkswagen, BMW, Mercedes oder von großen Lieferanten wie Bosch, ZF und Conti. Letztere fordern Zugeständnisse bei Preisen ein, drücken Forderungen durch.

Einigen mittelständischen Zulieferern gelingt es, in solchen Verhandlungen trotz allem Gehör zu finden – und sich so im Wettbewerb abzusetzen. Gerade in den vergangenen Monaten war dieses Gehör entscheidend, um die Gemengelage aus rapide gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten, teurer Antriebstransformation und Lieferengpässen zu bewältigen.

Leere Supermarktregale und Autozulieferer in Existenznot – die Inflation treibt die Preisschlachten zwischen Industriekonzernen, Händlern und Lieferanten auf die Spitze. Und der nächste Streit zeichnet sich schon ab.
von Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher, Annina Reimann, Hendrik Varnholt

Ob ihnen das gelungen ist, darüber gibt auch eine Umfrage Auskunft, die Andreas Fein jährlich durchführt. 56 Zulieferer haben sich beteiligt – keine Studie, aber allemal ein Stimmungsbild. Die Auswertung liegt der WirtschaftsWoche vor. Demnach konnten 90 Prozent der befragten Autozulieferer immerhin die Preise für ihre Teile erhöhen – wegen Mehrkosten beim Material.

„Kräftezehrend, wahnsinnig anstrengend“

Die Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (Argez), die etwa 9000 Unternehmen in der Auto-Lieferkette vertritt, beklagte im April die laufenden Vertragsverhandlungen. Nach „extremen Anstiegen in 2022“ seien die Kosten für Energie „immer noch sehr hoch“. Doch die Energiekostenzuschüsse aus 2022 seien zumeist zum Jahreswechsel ausgelaufen.

Vor allem die energieintensiven Betriebe am Anfang der Lieferkette bekommen das zu spüren: Wer aus Kautschuk fertigt, Guss- oder Schmiedeteile herstellt zum Beispiel. Zulieferer führten deshalb im laufenden Jahr besonders viele und aufwändige Vertragsverhandlungen. Die seien „kräftezehrend, wahnsinnig anstrengend“, sagt Argez-Sprecher Christian Vietmeyer.

Ein großes Thema, das Zulieferer dabei umtreibt, sind sogenannte Savings. Konzerneinkäufer preisen diese Rabatte – oft ein Minus von etwa drei Prozent pro Jahr über einen Modellzeitraum – bei einem Liefervertrag von Anfang an ein. Dahinter steckt die Annahme, dass Zulieferer mit der Zeit effizienter produzieren. Auch die Bonistrukturen der Einkäufer sind an diese Savings gekoppelt. Nun aber wollen viele Autozulieferer diese vertraglich vereinbarte Preisreduktion nicht mehr mitgehen, fordern stattdessen Zugeständnisse „Für Savings ist kein Raum mehr, Kunden müssen jetzt veränderte Realitäten anerkennen“, sagt Argez-Sprecher Christian Vietmeyer.

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Was er damit auch meint, ist die Weise, wie Lieferverträge bislang zustande kamen. Autozulieferern falle immer wieder auf die Füße, dass sie bei den Vertragsbedingungen keine Mitsprache hätten. „Die Zeit ist jetzt gekommen, das als Lieferant nicht mehr zu akzeptieren. Solche Verträge – wo man Preise für fünf Jahre und mehr garantieren muss, inklusive Savings – kann man nicht mehr machen.“

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