Autobauer Wie die Krise die Autoindustrie verändert

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So nötig wie zurzeit hatte die deutsche Autoindustrie eine Neubesinnung seit Jahrzehnten nicht. Die Traditionsmarke Opel steht am Abgrund. Daimler, Volkswagen und BMW waren im vergangenen Jahr zwar noch profitabel, mussten aber teilweise dramatische Gewinneinbrüche hinnehmen. 2009 werde „ein Darwin-Jahr“ für die Branche, prognostiziert Daimler-Chef Dieter Zetsche, jetzt falle die Entscheidung, „wer sich in der automobilen Evolution behauptet“. Vor „schmerzhaften Veränderungen“ warnt Volkswagen-Chef Martin Winterkorn.

Wie weit diese gehen können, skizzierte schon vor zehn Jahren der heutige Linde- und damalige BMW-Entwicklungschef Wolfgang Reitzle, indem er sich einen Autokonzern ausmalte, der selbst keine Fahrzeuge mehr baut. So weit will derzeit noch keiner gehen. Dennoch: „Die Krise bietet die Chance, unbesehen aller Eitelkeiten und Sentimentalitäten viele strukturelle Probleme in Entwicklung, Produktion und Vertrieb anzugehen“, sagt Gregor Matthies, Partner und Autoexperte bei der Unternehmensberatung Bain & Company.

Seit dem UN-Klimabericht im Jahr 2005 hat sich die einst so souveräne deutsche Leitindustrie von der Antreiberin zur Getriebenen verwandelt. Konsumenten beginnen zu hinterfragen, wie sie sich künftig fortbewegen wollen – und erwarten von den Autoherstellern ungeduldig Lösungen für drängende Probleme wie Klimaschutz und verstopfte Ballungsräume. „Wir müssen den Menschen Alternativen zu bisherigen Antriebs- und Fahrzeugkonzepten anbieten“, folgert Helmut Meysenburg, Leiter Markt- und Markenanalyse bei BMW.

Absatz der Geländewagen brach um 21 Prozent ein

Wie schnell die vermeintlich ewige Liebe zum Auto abkühlen kann, zeigt der tiefe Sturz der sportlichen, meist spritfressenden Geländewagen, der sogenannten SUV (Sports Utility Vehicle). Weltweit brach der Absatz der eben noch heißbegehrten Fahrzeuge im vergangenen Jahr um 21 Prozent ein, mehr als in jeder anderen Klasse. Die Dickschiffe, eben noch Statussymbol, sind vielfach zum Spott- und Hassobjekt geworden. „Bei allen meinen Bekannten, die einen SUV haben“, sagt ein hochrangiger Automobilmanager, „wird ständig der Lack zerkratzt.“ In Paris lassen SUV-Gegner sogar die Luft aus den Reifen – „Flachlegen“ heißt der neue Trendsport unter Jugendlichen. Im SUV-Geburtsland Amerika sind inzwischen Aufkleber mit dem Schriftzug „SUV saufen Terroristen-Öl“ beliebt.

„Das Imageproblem der SUV verweist auf einen Megatrend, der den Automarkt von morgen bestimmen wird“, sagt Marc Winterhoff, Autoexperte der Unternehmensberatung Arthur D. Little. Und der Trend hat einen Namen: Neo-Ökologie. Den entsprechenden Typ von Konsumenten nennen Marketingexperten „Greenovator“, so viel wie „Grüner Innovator“. „Der Greeno-vator ist quasi der Apple-Nutzer unter den Autofahrern“, sagt Berater Winterhoff. „Er ist ein Leistungsträger, intelligent, erfolgreich und einkommensstark, und er achtet sehr darauf, dass er sich gesellschaftlich verantwortungsbewusst verhält.“

Der Typ des Greenovators ist für die Autobauer in der gegenwärtigen Krise deshalb so wichtig, weil er die Anforderungen an die PS-Industrie in der Zukunft beschreibt. So kommt die Unternehmensberatung Arthur D. Little in der Studie „Zukunft der Mobilität“, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt, zu dem Ergebnis, dass der Greenovator in zehn Jahren die wichtigste Zielgruppe für die Autobauer sein wird.

Ob BMW, VW oder Daimler – hinter verschlossenen Türen haben die Chefstrategen begonnen, ihre Konzerne in diese Richtung zu drehen. Alexander Mankows-ky, Zukunftsforscher bei Daimler, erklärt sich seine künftige Zielgruppe, die „Generation Obama“, etwa so: Sie sei eine „regelrechte Jugendbewegung wie die 68er“, offen für neue Trends und auf der Suche nach Authentizität, sensibel für soziale und ökologische Themen.

Was den deutschen Herstellern weniger schmecken dürfte: Der Großteil der künftigen Autofahrer wird weniger Lust auf viel PS verspüren. „Das althergebrachte Statusargument starker Motor verliert an Bedeutung“, ahnt Daimler-Zukunftsforscher Mankowsky. „Dagegen gewinnen klassische Werte wie Komfort, Sicherheit und Qualität wieder an Bedeutung.“

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