Autodesign "Wir brauchen kein Krisenauto"

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Audi Q7: Mit Leuchtdioden und großem Kühlergrill Gesichter zeichnen Quelle: Audi

Müssen Autos in Deutschland anders wirken als in den USA?

Autohersteller fertigen in aller Regel für den Weltmarkt und nicht nur für Deutschland. Als Designer sind sie deshalb immer im Zwiespalt, ob die Entwürfe für den amerikanischen und asiatischen Markt vielleicht zu klein und zu unauffällig sind. Für den europäischen Markt erscheinen sie meist zu groß. Bei der S-Klasse von Mercedes etwa besteht die Ausgewogenheit darin, dass das gleiche Auto von den Deutschen als eine Spur zu selbstbewusst und in den USA eine Spur zu wenig selbstbewusst empfunden wird.

Gleichen sich die Bedürfnisse der Kunden auf den unterschiedlichen Märkte durch die Krise stärker an?

Nein, nicht durch die Krise, aber sehr wohl durch die Globalisierung. Aber Autohersteller können nicht so schnell reagieren wie die Hersteller von Mode. Die Anpassungsprozesse vollziehen sich in dieser Branche in Modellgenerationen.

Welcher Markt wird künftig die Autoindustrie am stärksten beeinflussen: Europa, USA oder die asiatischen?

Die Welt lässt sich nicht auf ein Einheitsprofil zurechtbiegen. Auch in den USA gibt es ein wachsendes Umweltbewusstsein. Auch dort freuen sich die Autobesitzer, wenn der Wagen weniger Sprit schluckt. Selbst wenn der Kraftstoff dort deutlich weniger kostet als bei uns. Aber ich bin sicher: Die Automobile werden sich unter dem Einfluss der Wirtschaftskrise nicht radikal verändern. Wir werden neuartige Antriebsformen erleben, aber keine grundlegend neuen Fahrzeugtypen.

Menschen kaufen Autos, weil ihnen das Design gefällt. Dennoch bestimmen Ingenieure das Auto in seiner Form entscheidend mit. Stört Sie das?

Nein, weil es eine Teamarbeit ist, welche von einem ständigen Geben und Nehmen gekennzeichnet ist. Dabei ist das äußere Erscheinungsbild das Erste, was der Mensch von einem Produkt wahrnimmt. Erst dann entscheidet er sich in einem zweiten Schritt, ob das für ihn aus funktionalen oder praktischen Gründen infrage kommt. Wenn er Ja sagt, dann hat der Designer seinen Job gemacht. Der Sinnesreiz "Kauf mich, ich bin schön" ist unsere ursprünglichste Aufgabe. Der Kunde hat ja auch etwas davon. Kaufen Sie etwas mit Verstand, dann wollen Sie, dass es perfekt funktioniert. Kaufen Sie etwas mit Herz, dann gehen Sie anders damit um – sprechen Sie mal mit einem Fahrer eines Oldtimers.

Entspricht diese Zuneigung der, die viele Menschen für Produkte von Apple zeigen? 

Auch. Es sind zwei Dinge: Wenn sie die Geräte, zum Beispiel das iPhone, in die Hand nehmen, erzeugen sie durch Gewicht und Haptik ein Gefühl der Wertigkeit. Darüber hinaus ist, das erste Mobiltelefon, mit dem ich gänzlich zurecht kam, das iPhone.

Und was könnte ein Autodesigner von den Gestaltern des iPhone lernen?

Optik, Haptik und die Wichtigkeit der Bedienung. Beim Automobil sprechen immer alle vom Exterieur. Ich sage: Ob Sie mit einem Auto lange verbunden bleiben, entscheidet sich im Interieur, nicht im Exterieur. Denn Sie müssen sich im Innenraum wohlfühlen, und alles muss selbstverständlich sein. Wenn das nicht funktioniert, die Sitze unbequem sind und Sie sich täglich über eine Funktion ärgern, dann werden Sie sich rasch von dem Fahrzeug verabschieden.

Die Bedienung von Fahrzeugen wird aber doch immer komplexer, nicht einfacher.

Ja, es gab eine Zeit Anfang des Jahrtausends, da hieß es: "So viel wie möglich." Da war der Grundgedanke das mobile Büro. Diese Tendenz ist vorbei. Heute ist das Credo: "Was ist nötig?"

Und dazu zählt der Becherhalter, der selbst in Luxusautos inzwischen Standard ist? Den kann kein Designer im Innenraum haben wollen.

Sie können in den USA kein Auto verkaufen ohne Cupholder. Das hängt mit den amerikanischen Fahrgewohnheiten zusammen: Das entsteht vor allem durch die großen Distanzen, die der durchschnittliche Amerikaner alleine auf der täglichen Strecke zum Büro zurücklegt. Hierdurch ist zum Beispiel das Frühstück im Auto selbstverständlich.

Und in Europa?

Hier dreht es. Früher wollte keiner einen Cupholder, heute wird er akzeptiert.

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