Autoindustrie Wut und Frust bei den Zulieferern von BMW

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(L-r) Der Vorstand der BMW Quelle: dpa

Über Jahrzehnte war BMW der Liebling der Zulieferer, weil dort das Geld lockerer saß als bei jedem anderen Hersteller. Die Münchner wollten beste Qualität und Innovationen und konnten es sich leisten, dafür tief in die Tasche zu greifen. Doch 2007 musste Reithofer erkennen, dass die Rechnung nicht länger aufgeht, und verordnete BMW ein Sparprogramm. Zulieferer, die allzu einseitig auf die Generosität von BMW gebaut hatten, gerieten ins Wanken. Wie ein Arzt, der seinen Gewinn nur mit den Privatpatienten macht, hatten sie sich daran gewöhnt, dass bei Geschäften mit VW, Ford oder Opel nicht viel hängen bleibt. Für die Rendite war BMW zuständig. Als Diess den Hahn zudrehte, wurde es für die Unternehmen eng.

Diess exekutierte die Sparziele Reithofers ebenso penibel wie gnadenlos. "Er hat dabei alles andere als plump gespart", sagt ein Lieferant. „Er setzt nicht einfach den Rasenmäher an, sondern hat ein Team von 200 Kalkulatoren aufgebaut, die dem Lieferanten im Detail nachweisen, wie viel sein Produkt kosten darf.“ Was die Kalkulatoren berechnen, sei das lehrbuchmäßige, betriebswirtschaftliche Optimum: "Wenn Sie das schaffen wollen", erzählt der Lieferant, "müssen Sie in Polen produzieren, nicht im Ruhrgebiet."

Unterbundene Innovationen

Hinzu kam die Absatzkrise, die 2009 mehr als jeden zweiten Lieferanten in Europa an den Rand des Ruins brachte. In aller Stille griff BMW zusammen mit anderen Herstellern manchem Mittelständler unter die Arme, um den Nachschub aus dessen Werken zu sichern oder die Vielfalt unter den Anbietern zu erhalten. „Ein Interesse an einer echten Gesundung der Unternehmen hatten die Autobauer aber nicht“, giftet der Manager eines ostdeutschen Zulieferers.

Kaum war die Absatzflaute vorbei, legte Diess die Samthandschuhe wieder ab. "Die Autohersteller quetschen den letzten Cent aus den Zulieferern heraus und nehmen ihnen damit die Möglichkeit, innovativ zu sein", sagt Bernhard Jacobs, Geschäftsführer des Industrieverbandes Blechumformung, in dem auch zahlreiche Autozulieferer organisiert sind. "So sägen die Hersteller letztlich an dem Ast, auf dem sie sitzen."

Betroffen sind vor allem Mittelständler, die gegen Wettbewerber mit ähnlichen Produkten ausgespielt werden können. Wer dagegen eine Alleinstellung hat, mit Technik für den Zukunftsmarkt Elektromobilität glänzen oder wie Continental oder Bosch durch seine Größe auf Augenhöhe verhandeln kann, ist fein raus. Mancher Anbieter kann sogar BMW die Preise diktieren.

Kersten Janik, Geschäftsführer der Starnberger Beratung Quadriga Consult, hat grundsätzlich Verständnis für die Sparbemühungen der Münchner. Doch der Autoexperte warnt vor Übertreibungen: "Diess fährt einen sehr harten Kurs. Manche Zulieferer sehen sich bereits an der Grenze des Machbaren." Ein Hersteller wie BMW könne durch die Analyse der Zulieferer erkennen, wann die Grenze der Ertragsfähigkeit überschritten wird. "Das scheint", sagt Janik, "bei manchen Zulieferern der Fall zu sein. Der enorme Druck geht in der kommenden Fahrzeuggeneration zulasten von Qualität und Innovation. Kann BMW als Premiumanbieter sich das leisten?"

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