Autokrise Tauziehen um Opel-Rettung verdrängt unangenehme Wahrheiten

Potenzielle Opel-Investoren müssen Farbe bekennen: In Kürze läuft die Frist zur Abgabe der Übernahmekonzepte ab. Die Euphorie um eine baldige Opel-Rettung verdrängt aber ein paar unangenehme Wahrheiten.

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Opel-Schriftzug: Das Ringen um Quelle: dpa

Letztes Aufgebot für die Rettung des maroden Autobauers Opel: Heute sollte jene Abgabefrist ablaufen, die die Bundesregierung möglichen Kauf-Interessenten gesetzt hatte. Nun wurde die Frist offenbar kurzfristig gelockert. In den nächsten Tagen sollen nun die voraussichtlich drei Übernahmekonzepte auf dem Tisch, die sich in ihrer Ausrichtung deutlich unterscheiden.

Wirklich entschieden hat die Bundesregierung in ihrem heutigen Krisentreffen zur Causa Opel noch nichts. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) kündigte nach dem Treffen an, dass zu Opel noch in der nächsten Woche eine Entscheidung fallen sollte. Angeblich steht auch schon eine hochrangige Delegation bereit, die kurzfristig in die USA fliegt.

Diese Eile kommt alles andere als überraschend: Ende nächster Woche läuft für den Opel-Mutterkonzern eine lebenswichtige Frist ab. Bis 30. Mai muss GM-Chef Fritz Henderson US-Präsident Barack Obama ein tragfähiges Sanierungskonzept vorlegen. Analysten gehen längst davon aus, dass Henderson die US-Regierung nicht überzeugen kann. Dann bleibt GM nur noch der Gang zum Insolvenzrichter – und genau davor hat auch die Bundesregierung Angst.

Rettungs-Euphorie vernebelt Blick auf unbequeme Wahrheiten

Flugs hat sie sich deshalb auf eine sogenannte Brückenfinanzierung für die deutsche Tochter Opel geeinigt. Die mehr als 1,5 Milliarden Euro sollen verhindern, dass Opel im Falle einer Insolvenz seiner US-Mutter finanziell die Puste ausgeht. Mit dieser Treuhandlösung will die Bundesregierung den GM-Gläubigern den Zugriff auf das Opel-Vermögen und die Patente entziehen.

Die hektischen Bemühungen der Politiker und ihre häufigen Auftritte vor verzweifelten Opelanern vernebeln aber den Blick auf zwei unbequeme Wahrheiten: Zum einen stehen die beiden Investoren mit den besten Chancen, der italienische Autobauer Fiat und das Konsortium um den Autozulieferer Magna, selbst auf wackligen Füßen. Und zum anderen wird über Opels Zukunft nicht in Berlin, sondern in Detroit entschieden. Und für die Amerikaner steht Opel weit unten auf ihrer Prioritätenliste.

Fiat will mit Opel Global Player formen

Pressemeldungen zufolge will Fiat mit Opel und dem vor kurzem übernommenen Chrysler-Konzern einen globalen Auto-Player mit Sitz in Europa formen. Fiat-Chef Sergio Marchionne peilt einen Absatz von 6,4 Millionen Fahrzeugen jährlich an. Damit will Marchionne VW überholen und mit Fiat-Opel-Chrysler zum weltweit zweitgrößten Autoproduzenten nach Toyota aufzusteigen. Neben der europäischen GM-Tochter sollen auch das Lateinamerikageschäft des US-Autobauers integriert und die Präsenz auf dem asiatischen Markt verstärkt werden.

Doch die Opelaner können sich für einen neuen italienischen Eigentümer kaum erwärmen: Betriebsratschef Franz spricht von bis zu 18.000 Stellen, die durch Produktionskürzungen und Werksschließungen wegfallen könnten. Fiat ist zwar im Kleinwagen-Segment stark aufgestellt – doch seine Mittelklasse-Sparte Lancia kämpft seit Jahren mit Problemen. Opels neuer Mittelklasse-Hoffnungsträger Insignia kann daher kaum mit Know-how aus Italien rechnen. Zudem benötigt Fiat Hilfen von bis zu sieben Milliarden Euro über maximal fünf Jahre – eine hohe Summe für die Rettung eines maroden Autobauers.

Auf der zweiten Seite lesen Sie mehr über Magnas Übernahmekonzept und GMs Taktieren

Magnas Konzept: Mit Opel russischen Markt aufmischen

Einen „Lichtstrahl“ will der Autozulieferer Magna Opel verpassen. So lautet der Name von Magnas Übernahmekonzept, das auf Opels Markenzeichen, den Blitz, anspielt. Gemeinsam mit dem russischen Hersteller Gaz und der russischen Sberbank will sich Magna an Opel beteiligen. Magna will 20 Prozent der Opel-Anteile, die Russen kommen auf etwas über 30 Prozent. Gut 40 Prozent von Opel könnten so in den Händen der Opel-Mutter General Motors verbleiben. Opels Wachstum soll Presseberichten zufolge dann vor allem vom russischen Markt kommen.

Doch auch diese Lösung ist nicht gerade frei von Risiken: Der GAZ-Konzern gehört dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska, der gerade selbst mit massiven Geldproblemen kämpft. GAZ stellt eine ganze Palette von Ladenhütern her: Lastwagen der Marke Ural, Kleintransporter mit klingenden Namen wie „Zobel“ oder „Gazelle“ – und ein Fahrzeug namens Wolga Silber. In den ersten vier Monaten dieses Jahres hat der 70.000 Mitarbeiter starke russische Autobauer gerade einmal 2900 Fahrzeuge verkauft, die Bänder stehen tage- und wochenweise still.

Immerhin steht der zweite Russe im Bunde, die Sberbank, trotz Finanzkrise noch auf soliden Füßen. Doch sie steht auch im Einflussbereich des Kreml: Sberbank-Chef German Gref war früher russischer Wirtschaftsminister, Wladimir Putin zieht im Hintergrund die Fäden.

Magna, weltweit der drittgrößte Autozulieferer, bekommt die Auto-Absatzkrise deutlich zu spüren: Der Konzernumsatz hat sich im ersten Quartal auf 2,68 Milliarden Euro halbiert, der Nettoverlust betrug 150 Millionen Euro. Das ist zwar kein Riesenverlust, aber doch ein Minus. Magna-Co-Vorstandschef Siegfried Wolf betont zwar immer wieder die starke Finanzbasis von 1,7 Milliarden Dollar. Doch die ist in nur einem Jahr um eine Milliarde Dollar geschmolzen.

Finanzinvestor Ripplewood hat kaum Chancen

Bestenfalls Außenseiterchancen hat der dritte Interessent, die Beteiligungsgesellschaft RHJ rund um den US-Finanzinvestor Ripplewood. Deutsche Politiker haben die Ernsthaftigkeit des RHJ-Angebots längst bezweifelt. Nach den RHJ-Plänen soll GM einen substanziellen Anteil an Opel behalten.

Opel-Rettung: Rechnung ohne Wirt?

Die Entscheidung über Opels Zukunft fällt nicht in Berlin, sondern in Detroit, dem Stammsitz der Opel-Mutter General Motors (GM). Opel und GM sind eng verwoben. GM-Europa-Chef Carl-Peter Forster spricht zwar davon, dass Opel sogar bei einer GM-Insolvenz  „weiterhin uneingeschränkten Zugriff auf Technologien und Architekturen“ haben wird.

Doch das wird auch längst von einigen Experten angezweifelt. Wegen des Opel-Entwicklungszentrums in Rüsselsheim, dass einige wegweisende Patente entwickelt hat, dürfte GM auch kaum Interesse an einem vollständigen Verkauf von Opel haben. Rüsselsheim hat sich besondere Kompetenz im Bereich kleiner, sparsamer Antriebe aufgebaut. Die kann GM in Zukunft gut brauchen. Denn nur so wird der Konzern jene strengen Verbrauchsnormen schaffen, die US-Präsident Obama in den USA einführen will.

Vor diesem Hintergrund dürfte sich GM kaum mit den italienischen Übernahmeplänen anfreunden. Denn Fiat will bis zu 80 Prozent an Opel übernehmen. Die Amerikaner dürften derzeit bei Opel auf Zeit spielen und zusehen, ob die deutsche Regierung Investoren mit tragfähigen Konzepten auftreibt. Solange sie dann noch eine Mehrheit an Opel behalten, hat GM nichts zu verlieren: Denn dann behalten sie den Zugriff auf Opel-Technologien und dürfen sich über den steigenden Wert ihrer Anteile freuen, wenn das Konzept der Investoren greift.

Mehr über GMs Hinhaltetaktik gegenüber Opel lesen Sie in wenigen Tagen auf wiwo.de

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