Automobil-Industrie Finanzkrise beutelt Vorzeigemarken Daimler und BMW

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Innovation: Nicht mehr Hubraum, Zylinder und PS, sondern Effizienz und CO2-Einsparung sind die neuen Maßstäbe der Industrie

Miteinander gesprochen wird immer noch. Etwa über den gemeinsamen Einkauf von Sitzen und Klimaanlagen. Doch Daimler-Chef Dieter Zetsche wirkt inzwischen genervt, spricht man ihn auf das Thema an. Man führe „im Grundsatz konstruktive Gespräche“, irgendwann müsste man aber zu einem Ergebnis kommen, sonst könnte man sie beenden. Bisherige Gespräche über gemeinsame Plattformen für Fahrzeuge oder Motoren – so wurde erwogen, die kleinen Vier-Zylinder-Motoren aus der Mini-Peugeot-Kooperation auch für die Nachfolger der Mercedes A- und B-Klasse einzusetzen – haben nichts gebracht.

Stattdessen werden A- und B-Klasse wieder von Mercedes-Motoren angetrieben – obwohl dafür die C-Klasse-Motoren mit großem Aufwand von Längs- auf Quer-Einbauweise umgerüstet werden müssen. Dabei gelten die kleinsten Sternträger ohnehin als Problemkinder: Während der Smart inzwischen in der Gewinnzone herumkurvt, hat Daimler an den Baby-Benzen bisher praktisch kein Geld verdient. Dass der geplante Bau einer Fabrik im Niedriglohnland Ungarn und die Erweiterung der Baureihe um zwei neue Modellvarianten die Nachfolgegeneration zu einem Renditerenner machen, bezweifeln selbst Konzerninsider.

Der Grund, warum bei beiden Herstellern die Kosten für die kleinen Autos häufig aus dem Ruder laufen, liegt aber nicht nur an zu geringen Stückzahlen, sondern auch am übergroßen Ehrgeiz der Ingenieure. „Daimler und BMW sind es gewohnt, jedes Auto wie ein Oberklassefahrzeug zu konstruieren und zu produzieren – bei kleineren Fahrzeugen kann das nicht funktionieren“, sagt Bain-Berater Matthies. „Volkswagen und Toyota haben jahrzehntelange Erfahrung darin, kleinere Fahrzeuge zu vertretbaren Kosten zu bauen.“ BMW und Daimler müssten auch in Entwicklung und Produktion vieles anders und vor allem auch nicht alles selber machen.

Mini ist eigentlich eine Erfolgsstory

Als Beispiel für aufwendige Entwicklung, gepaart mit geringer Stückzahl, gilt unter Branchenkennern auch der Mini. Der Kleinwagen, den BMW aus der glücklosen Ehe mit dem britischen Hersteller Rover geerbt hat, ist eigentlich eine Erfolgsstory. Er verkauft sich mit derzeit fast 220.000 Autos pro Jahr weitaus besser als früher einmal prognostiziert – und doch erfüllt das Auto bisher nicht die hochgesteckten Kapitalrenditeerwartungen von zwölf Prozent, weil 220.000 Stück für einen Kleinwagen eben noch immer nicht genug sind.

Wie es anders geht, zeigt Fiat mit dem Kleinwagen Cinquecento, der ebenfalls auf eine lifestylige Klientel zielt. Der teilt sich Plattform und größte Teile der Technik nicht nur mit dem Fiat Panda, sondern auch mit dem neuen Ford Ka. So kommen spielend mehr eine halbe Million Einheiten zusammen, die, obwohl an unterschiedliche Kundengruppen adressiert, unter dem Blechkleid weitgehend identisch sind.

BMW hat für den Mini bei den Motoren bereits eine Allianz mit Peugeot geschlossen. Nun wollen die Münchner auch mit Alfa Romeo zusammenarbeiten. Seit Monaten wird mit dem italienischen Hersteller über die Palette der Möglichkeiten verhandelt – von der gemeinsamen Teile-Nutzung bis zur gemeinsamen Fahrzeug-Plattform, auf der dann Minis und Alfas produziert würden. Bis zum Jahresende wollen sich beide Zeit nehmen – dann soll entschieden werden. Der Druck, ein Ergebnis zu erzielen, wächst derweil. Angst, das Image der eigenen Marke könnte unter der Kooperation leiden, brauchen die Münchner wohl nicht zu haben, solange es gelingt, das typische Mini-Fahrgefühl zu erhalten, das bislang für Agilität und Sportlichkeit steht. Schwerer zu beantworten ist für BMW und Daimler die grundsätzliche Frage, wie ein Premium-Kleinwagen – eigentlich ein Widerspruch in sich – aussehen muss. Nicht jedes Fahrzeug hat die Gunst einer aufregenden Historie, die man wie beim Mini nur geschickt aufpolieren muss.

Zwar gibt es noch den klassischen Mercedes-Fahrer, der seiner Tochter als Stadtflitzer einen Smart schenkt, weil ihm nie etwas anderes als ein Daimler-Konzernprodukt vor die Tür käme. Aber es gibt eben auch Kunden wie jenen Porsche-Fahrer, der in der Frankfurter Fiat-Niederlassung dringend einen Cinquecento verlangte – Preis egal, nur pünktlich zum Geburtstag seiner Frau müsse er da sein. „Den Kleinwagen verkaufen Sie weniger als das Oberklassefahrzeug über die Technologie, sondern über Marke und gutes Marketing“, sagt Oliver-Wyman-Experte August Joas. „Allerdings sollte das Auto trotzdem die Premium-Markenwerte transportieren.“

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