Autozulieferer Conti kann Kampf gegen Übernahme durch Schaeffler kaum noch gewinnen

Gestern hat das fränkische Familienunternehmen Schaeffler sein Übernahmeangebot für Continental leicht erhöht. Doch das ändert nichts an der Ausgangslage. Schaeffler greift mit einem Milliarden-Trick nach dem Dax-Konzern Continental – und kann kaum noch verlieren.

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Manfred Wennemer, Quelle: AP

Hätte er das alles verhindern können? Hätte er vorhersehen können, dass kein Finanzinvestor, sondern ein Familienunternehmen aus der fränkischen Provinz, die Schaeffler-Gruppe, einmal nach der Macht bei Conti greifen würde? Continental-Vorstandschef Manfred Wennemer dürfte sich diese Frage in der vergangenen Woche wohl hundertfach gestellt haben. Und er muss sie ehrlicherweise mit „Nein“ beantworten.

Der Autozulieferer Continental, bekannt vor allem für sein Reifengeschäft und führend in vielen Bereichen moderner Automobiltechnik, gilt als einer der effizientesten Konzerne in der obersten Börsenliga, dem Dax. Wennemer hat mit Alan Hippe einen Finanzvorstand, der den Markt und ungewöhnliche Aktienkursbewegungen zu lesen weiß wie kaum ein anderer. Die Investor-Relations-Abteilung von Conti wurde gerade als beste des Landes ausgezeichnet. Die Investmentbank Goldman Sachs, die Conti seit Jahren bei der Verteidigung gegen potenzielle Übernahmen berät, ist in dieser Disziplin eine der besten Adressen weltweit. All das hat als Schutz gegen unerwünschte Übernahmeavancen bislang gut gewirkt – und wird noch komplettiert durch eine für Investoren bittere Pille: Conti hat Siemens vor wenigen Monaten das Autozulieferergeschäft VDO abgekauft. Elf Milliarden Euro Schulden stehen bei Conti nun in der Bilanz und die Integration von VDO hat gerade erst begonnen.

Eigentlich konnte sich Wennemer also sicher vor einer Übernahme von Conti fühlen. Und so hat niemand etwas bemerkt von einem der größten Übernahmecoups der deutschen Industriegeschichte. Den verschwiegenen Familienkonzern Schaeffler-Gruppe mit Sitz in Herzogenaurach hatte niemand auf der Liste. Inhaberin Maria-Elisabeth Schaeffler, ihr Sohn Georg und Schaeffler-Geschäftsführer Jürgen Geißinger übernehmen, danach sieht es aus, die Kontrolle über Conti. Und es gibt erstaunlich wenig, was der Dax-Konzern noch dagegen tun könnte.

Denn die Franken haben die Profis aus Hannover übertölpelt. Wennemer und seinen Finanzchef Hippe hat es am vorvergangenen Freitag jedenfalls allem Anschein nach kalt erwischt, als Schaeffler-Geschäftsführer Geißinger und die Gesellschafter die Conti-Vorstände wissen ließen, sie gedächten sich bei dem Dax-Konzern zu engagieren und seien bereit, mehr als 30 Prozent der Firmenanteile zu erwerben. Am Montag darauf sollen Wennemer und Hippe bei einem zweiten Treffen in Frankfurt vorgeschlagen haben, Schaeffler solle doch 15 Prozent der Anteile übernehmen. In einem Telefonat am Dienstagmorgen legte Conti noch einmal nach und schlug 20 Prozent vor. Doch Schaeffler wollte mehr und ließ durchblicken, man habe ohnehin Zugriff auf ein mehr als 30 Prozent großes Aktienpaket.

Durch die Hintertür hat sich Schaeffler ein riesiges Paket – insgesamt 36 Prozent – an Conti-Aktien gesichert. Der Trick: Im Auftrag von Schaeffler koordinierte Merrill Lynch eine ganze Reihe von Banken, mit denen Schaeffler gewissermaßen Wetten auf die Conti-Aktie abschloss. Die Banken deckten sich, so mutmaßen Experten, um sich selbst abzusichern, mit Aktien und Optionen auf Aktien ein und haben nach Ablauf der Wette die Möglichkeit, Schaeffler diese Aktien anzudienen. Macht Schaeffler davon Gebrauch, kommen aller Voraussicht nach genug stimmberechtigte Anteile zusammen, um selbst dann, wenn nur wenige Aktionäre das Übernahmeangebot von knapp 70 Euro je Conti-Aktie annehmen sollten, auf der nächsten Conti-Hauptversammlung den Ton anzugeben.

Wennemer schäumt vor Wut

Ein Sicht der Experten juristisch relevant daran ist: Die Banken sind keineswegs verpflichtet, dem potenziellen Übernehmer ihre Anteile anzubieten. „In der Regel steht das in den Verträgen explizit drin und damit ist zumindest formell auch sichergestellt, dass der Vertragspartner keinen direkten Zugriff auf die Aktien hat. Denn das hätte Meldepflichten und gegebenenfalls die Verpflichtung zur Abgabe eines Übernahmeangebots zur Folge“, erklärt Wolfgang Kircher von der Kanzlei Hogan & Hartson. „Es ist für die Banken allerdings sinnvoll, die Aktien dem Partner, in diesem Falle Schaeffler, anzudienen“, erklärt Kircher. „Wenn sie die Aktien einem anderen Käufer andienen, müssen sie den Mehrerlös in der Regel ohnehin an ihren Vertragspartner, der die Derivate erworben hat, ausschütten.“ Schaeffler konnte sich also unbemerkt anschleichen. Das ist nicht gerade freundlich, aber mutmaßlich legal. „Ich glaube nicht, dass man erfolgreich gegen dieses Vorgehen juristisch etwas unternehmen kann“, sagt Kircher.

Wennemer jedenfalls schäumte vor Wut und klagte, Schaeffler handele „egoistisch, selbstherrlich und verantwortungslos“ und habe „rechtswidrige Mittel“ eingesetzt. Das Conti-Management – das nach Übernahmen und Standortverlagerungen ins Ausland selbst schon oft in der Kritik der Gewerkschaften stand – schürt Besorgnis vor Stellenstreichungen und einer Zerschlagung des Unternehmens. Und wird dabei von der Politik sekundiert: „Ich bin entsetzt“, sagte die SPD-Finanzexpertin Nina Hauer. Politiker beider Berliner Koalitionsparteien kündigten an, die Meldeschwelle für Beteiligungen, die derzeit bei nur drei Prozent liegt, zu überdenken.

Das alles dürfte wenig helfen. Zwar versucht Continental noch, über die Börsenaufsicht BaFin einen Weiterverkauf der von Banken erworbenen Anteile an Schaeffler zu untersagen. Dass die Behörde dem Ansinnen folgt, sehen Juristen jedoch als unwahrscheinlich an. Auch die Hoffnung auf einen sogenannten weißen Ritter, ein hilfreiches Unternehmen, das ein höheres Gegenangebot für Continental abgibt und so den Deal vereitelt, ist gering. „Wer soll denn in diesem Marktumfeld als weißer Ritter auftreten, wenn der Gegenspieler bereits 36 Prozent der Anteile hält?“, fragt Vinzenz Schwegmann, Partner beim Beratungsunternehmen Alix. „Und selbst wenn, was würde das für Conti ändern?“

Maria-Elisabeth Schaeffler: Quelle: dpa

Sicher: Die Möglichkeit besteht, dass Schaeffler am Ende Conti nur aussaugt, sich das Know-how des Konkurrenten einverleibt und weite Konzernteile, etwa das Reifengeschäft, weiterveräußert. Doch selbst wenn es so kommt – könnte sich Wennemer darauf verlassen, dass ein weißer Ritter edlere Ziele verfolgt als Schaeffler? „Ich frage mich, warum ein Familienunternehmen als Großinvestor automatisch ein schwarzer Ritter sein muss“, sagt Gregor Matthies, Partner bei der Unternehmensberatung Bain & Company. Schon einmal hat sich Schaeffler, das war vor sieben Jahren, ein Unternehmen gegen seinen Willen einverleibt: den Konkurrenten FAG Kugelfischer. „Ich hatte nach bei der Übernahme von FAG durch Schaeffler nicht den Eindruck“, sagt Matthies, „dass das dem Unternehmen geschadet hat. Im Gegenteil, FAG steht heute gut da.“

Wer ist Schaeffler eigentlich, und was wollen die Franken wirklich? Da wären zunächst die beiden Familiengesellschafter Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Sohn Georg. Die 66-jährige, stets adrett auftretende Matriarchin erbte Mitte der Neunzigerjahre das Familienunternehmen von ihrem Mann und hält gemeinsam mit Sohn Georg alle Konzernanteile. Die Dame ist eine schillernde Figur, wirkt auf Besucher – zumindest bei der ersten Begegnung – eher wie eine reiche Lebefrau, die sich von ihren Sekretärinnen Modekataloge vorführen lässt, ihr Schoßhündchen Amadeus streichelt, dabei Mozart hört und über ihr vielfältiges soziales Engagement plaudert.

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