Bahnstreik Lokführer gehen auf Kollisionskurs

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Wie schlimm war der Streik 2007/2008?

Ende 2007 und 2008 kämpften die beiden Sturköpfe Manfred Schell von der GDL und Bahnchef Hartmut Mehrdorn gegeneinander. Die GDL forderte einen eigenständigen Tarifvertrag und Einkommenssteigerungen von bis zu 31 Prozent. Mehdorn schickte seine besten Leute in den Ring, um die Forderungen abzuwiegeln. Am Ende gab es elf Prozent mehr Lohn und einen eigenständigen Tarifvertrag.

Die Bilanz des Bahnstreiks war beispiellos: Im November 2007 ging zweieinhalb Tage gar nichts. Danach folgten mehrere Wochen und Monate lang einzelne Streiktage und Verbalschlachten im Fernsehen und Tageszeitungen. In der Wirtschaft gab es Lieferschwierigkeiten und vereinzelt Produktionsausfälle. Auch im Ausland, etwa bei belgischen Firmen geriet die Produktion ins Stocken, weil sie nicht mehr mit Waren aus Deutschland beliefert werden konnten. Erst der Abschluss im März 2008 brachte Ruhe in den Konflikt. Die Deutsche Bahn bezifferte die Kosten für das Unternehmen auf rund 170 Millionen Euro. So viel Umsatzeinbußen musste der Konzern durch den Ausstand der Lokführer verkraften.

Berechnungen des Vereins für Socialpolitik hingegen kommen zu deutlich höheren Belastungen. Der Lokführerstreik von 2007 und 2008 habe die Deutsche Bahn und die gesamte Wirtschaft insgesamt rund 500 Millionen Euro gekostet. Ausschlaggebend dafür waren vor allem die Kosten im Schienengüterverkehr. Weil einige Güterzüge nicht fuhren, beklagten Unternehmen Produktionsunterbrechungen und -ausfälle.  Ein Streiktag im Güterverkehr kostete die Wirtschaft damals rund 35 bis 45 Millionen Euro. Mit acht Streiktagen schlug der Ausstand bei den Unternehmen damit mit rund 360 Millionen Euro zu Buche.

Im Personenverkehr verursachte der Streik deutlich geringere Kosten. Die Belastungen vor allem im Fernverkehr beliefen sich auf rund 100 Millionen Euro, weil Konferenzen, Messen und Geschäftstermine abgesagt werden mussten. Die Kosten für Ausfälle im Nahverkehr seien dagegen zu vernachlässigen.

Wird der jetzige Streik schlimmer als der von 2007/2008?

Davon ist nicht auszugehen. Der GDL ging es damals um ihre Existenz, wollte sie nicht von den beiden Gewerkschaften Transnet und GDBA geschluckt werden. Der Kampf für einen eigenständigen Tarifvertrag war ein Ziel, für das der damalige GDL-Chef Manfred Schell so ziemlich alles riskierte.

Doch unterschätzt werden darf der derzeitige Konflikt nicht, auch wenn es nur um die Lohnhöhe geht. Die GDL sitzt am Schalthebel der Mobilität und hat schon 2008 gezeigt, dass sie die Deutsche Bahn in die Knie zwingen kann. Zudem gilt der heutige GDL-Chef Weselsky als der kompromisslosere Gewerkschafter (Details dazu im wiwo.de-Porträt von Klaus Weselsky). Hinzu kommt: Die GDL wird ihre bisherige Streiktaktik, die sie in den vergangenen beiden Jahren an den Tag gelegt hat, ändern. Die GDL fuhr bislang vor allem eine Strategie der Nadelstiche. Sie bestreikte mal hier, mal dort ein kleines Bahnunternehmen, das gegen die Interessen der GDL-Mitglieder arbeitete. Diese Strategie war wenig erfolgreich. Die Öffentlichkeit nahm diese Hauskämpfe kaum wahr. Nun wird die GDL aller Voraussicht nach ihre bundesweite Macht ausspielen. Bestreikt sie den Regional- und Fernverkehr bundesweit, werden die Auswirkungen auf Wirtschaft und Fahrgäste spürbar höher.

Gibt es bei Verspätungen wegen des Streiks Anspruch auf Erstattung?

Nein. Rein rechtlich haben Reisende keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrkarte. Auch wenn es wegen des Streiks zu Verzögerungen kommt, die die Weiterreise behindern, besteht kein Anspruch auf Ersatz der Folgekosten. Verpasst der Kunde etwa seinen Anschlusszug oder das Flugzeug, gibt es keinen generellen Anspruch auf Entschädigung.

Die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) empfiehlt aber, den Verkehrsunternehmen zu schreiben und auf eine kulante Regelung zu setzen - unabhängig von der rechtlichen Lage. Ob die Bahnen dem einzelnen Reisenden entgegenkommen, hängt dann auch vom Ausmaß des Streiks ab. Bei flächendeckenden Streiks wird es schwieriger, auf Erstattungen der Fahrpreise zu hoffen.

Allerdings hat zumindest die Deutsche Bahn bereits kulante Regelungen angekündigt. Zum einen wollte die die Auswirkungen für Reisende gering halten, indem sie zusätzliches Personal an den Bahnhöfen mobilisiert. Zudem kündigte sie laut Nachrichtenagentur DPA an, die Kosten für jene Kunden zu erstatten, die wegen des Streiks Anschlusszüge verpassen oder eine Reise komplett absagen. 

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