Bahntechnik Chinesen hängen Siemens ab

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Gefährliche Nachrücker

Die Krux für die deutschen Eisenbahntechniker liegt jedoch darin, dass das Geschäft im Inland in den vergangenen fünf Jahren um 17 Prozent sank, während es im Ausland um 40 Prozent stieg. „Die Märkte für Bahntechnik in China oder in Russland sind weitaus dynamischer als in Deutschland“, sagt Siemens-Mobility-Chef Hans-Jörg Grundmann.

Weil die deutschen und europäischen Anbieter in Russland oder China aber nur unter der Bedingung Fuß fassen dürfen, dass sie – von Ausnahmen abgesehen – in Gemeinschaftsunternehmen mit Einheimischen den Markt beliefern, züchten sie ihre Konkurrenz selbst heran. In Russland baut Siemens zum Beispiel mit dem russischen Wettbewerber Sinara Doppelloks am Ural; die Antriebstechnik wird in der Nähe von Petersburg hergestellt. Bereits unterschrieben ist ein Abkommen über 240 Vorortzüge im Wert von 2,2 Milliarden Euro mit der Aeroexpress, einer Tochter der russischen Staatsbahn RZD. Die Züge sollen zunächst im Siemenswerk Krefeld entstehen, ab 2012 will das Joint Venture in Russland produzieren.

Know-How fehlt

Lediglich den Sapsan, einen Hochgeschwindigkeitszug auf der Basis des ICE für die Strecken Moskau–Sankt Petersburg und Moskau–Nischni Nowgorod, durfte Siemens exklusiv herstellen. Den Russen fehlt dafür schlichtweg das Know-how.

Alstom geht noch weiter: Im Frühjahr vereinbarten der Siemens-Erzkonkurrent und die russische Transmaschholding (TMH) die schrittweise Übernahme von 25 Prozent der TMH-Anteile bis 2012 und eine strategische Partnerschaft. Alstom liefert Superschnellzüge nach Russland für die Strecke Sankt Petersburg–Moskau. Dazu kommen 200 Lokomotiven, die Alstom mit TMH baut.

So gestärkt, kann der russische Branchenriese zu einem Wettbewerber für Westeuropäer aufsteigen. Das Unternehmen, das 2009 einen Umsatz von knapp zwei Milliarden Euro einfuhr und 57 000 Mitarbeiter an zehn Standorten beschäftigt, hat den russischen Markt voll unter Kontrolle. Der Marktanteil bei Elektroloks in Russland lag zuletzt bei 98 Prozent, bei elektrisch betriebenen Personenzügen, die Siemens besonders interessieren, bei 85 Prozent. Denn beim Massengeschäft mit Waggons oder Güterlokomotiven geben die Russen ihren einheimischen Herstellern den Vorzug.

Jetzt schon greift TMH auf den Nachbarmärkten an: Erst vor Kurzem kauften die Russen den ukrainischen Marktführer. Nächstes Jahr will TMH in der Ukraine 100 Lokomotiven für die russische Staatsbahn RZD und 50 Triebfahrzeuge für die mongolische Eisenbahn bauen.

Geradezu flächendeckend rollen die Chinesen den Eisenbahnmarkt auf, indem sie alle großen Hersteller aus Europa und Japan in Joint Ventures einbinden und deren Know-how anzapfen. Bombardier etwa baut 80 Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ Zefiro zusammen mit dem chinesischen Produzenten CSR. Siemens und Alstom kooperieren mit CNR. Kawasaki aus Japan tat sich mit CSR zusammen, um einen Superzug auf Basis des japanischen Flitzers Shinkansen zu produzieren. Dazu kommen noch unzählige Gemeinschaftsprojekte im U-Bahn-Bau, im Schienenbau oder in der Signaltechnik.

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