Banken Wie lukrativ die Postbank-Kunden wirklich sind

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M. gibt auch klare Anweisungen, was zu verkaufen ist: „Mindestens bei jedem 2. Termin ist ein BSV (Bausparvertrag, Anm. d. Red.) Abschluss möglich, das ist meine feste Überzeugung“, schreibt er an seine Mitarbeiter. „Und ich erwarte, dass jeder Vertragspartner mindestens zwei Termine pro Tag hat. Das bedeutet jeder Vertragspartner schreibt pro Tag zumindest einen BSV.“ „Die Vertriebsziele deuten darauf hin, dass der Selbstständige seine Arbeit inhaltlich nicht frei gestalten kann,“ sagt Glaser. Auch das spreche für einen Arbeitnehmerstatus.

Um Scheinselbstständigkeit aufzudecken, nimmt die Deutsche Rentenversicherung Unternehmen unter die Lupe. Doch die Verträge sind in aller Regel wasserdicht und die tägliche Arbeitspraxis kann die Behörde nur stichprobenartig überprüfen.

Solange die Postbank hier nicht auffällt, ist sie fein raus. Anders sähe es aus, wenn die möglicherweise Scheinselbstständigen selbst gegen die Bank vorgehen. Das ist vor allem für schlechter verdienende Berater interessant, weil sie durch eine sogenannte Leistungsklage eine Festanstellung mit fixem Gehalt erreichen können.

Denn durchschnittlich verdiente 2007 ein Postbank-Finanzberater laut Jahresabschluss nur 47.000 Euro. Bei der Private-Finance-Tochter der Comdirect Bank waren es im Schnitt gemäß Jahresabschluss 69.000 Euro, bei der AWD-Gruppe 54.000 Euro. Neuere Zahlen gibt es nicht.

Grund: Die Provisionssätze der Postbank sind teilweise sehr niedrig. Laut dem Vertrag eines Postbank-Finanzmanagers, der der WirtschaftsWoche vorliegt, bekommt dieser für einen Bausparvertrag in Höhe von 35.000 Euro eine Provision von 280 Euro. Für eine Baufinanzierung in Höhe von 120.000 Euro, die zwischen 96 und 119 Monaten läuft, sind es 600 Euro. Davon muss der Berater sämtliche Kosten und seine Sozialversicherung bestreiten. Netto bleibt da nicht viel übrig.

Stellt das Gericht fest, dass der Berater eigentlich ein Arbeitnehmer ist, ist er in der Regel automatisch unbefristet beschäftigt. Die fehlenden Sozialbeiträge muss der Chef zurückzahlen. Zwar darf er den Arbeitnehmeranteil beim Mitarbeiter einfordern, ihn aber nur von den nächsten drei Monatsgehältern abziehen. Und das auch nur bis zur Pfändungsgrenze. Bei 2000 Euro Nettogehalt und keinerlei Unterhaltsverpflichtungen zieht der Chef 710 Euro ab.

Damit könnten im Extremfall erhebliche Forderungen auf die Postbank zukommen. Denn der Arbeitgeber muss die Beiträge für scheinselbstständige Mitarbeiter rückwirkend bis zu vier Jahre zurückzahlen. Bei einer durchschnittlichen Provision von monatlich 3800 Euro pro Finanzberater machen die gesamten Sozialversicherungsbeiträge rund 1500 Euro aus. Das macht ein Gesamtrisiko in Höhe von etwa 300 Millionen Euro – Säumniszuschläge von einem Prozent je Monat nicht eingerechnet.

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