Bank der Untoten Monte dei Paschi, Italiens Sündenfall

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3. Akt: Und wenn sie nicht gestorben sind…

Marco Morelli heißt der Mann, der nun im Auftrag des Staates dafür sorgen soll, dass die älteste Bank der Welt nicht nur eine große Geschichte, sondern auch eine Zukunft hat. Der Vorstandschef der Banca Monte dei Paschi ist damit bisher eher so halbweit gekommen. Zwar werden die Aktien des Instituts mittlerweile wieder an den Märkten gehandelt. Und zwar sagt ein Aufsichtsratsmitglied: „Die Bank steht so gut da wie nie. Vor allem weil sie ein Geschäftsmodell hat, das eindeutig auf Kredite und Dienstleistungen für Mittelständler und Familien aus der Region setzt.“

Doch klar ist auch: Die reinen Zahlen untermauern diese Sicht noch nicht wirklich.

Trotz Abbaus von 5500 Arbeitsplätzen: Die Bank will nicht in die schwarzen Zahlen kommen. 3,5 Milliarden Euro betrug der Verlust im vergangenen Jahr und war damit noch höher als im Jahr zuvor, als er bei 3,2 Milliarden gelegen hatte. Allein im vierten Quartal belief sich der Verlust auf 502 Millionen Euro. Und der Wert der faulen Kredite ist sogar leicht angestiegen. Tot geglaubte leben länger? Im italienischen Bankensektor offenbar nicht. Stattdessen stellt sich die Frage: Lässt sich ein Problem auf Dauer lösen, indem man seine Wurzeln nicht angeht sondern aus politischen Gründen übertüncht?

„Wir arbeiten weiter an unserem Restrukturierungsplan, den wir im vergangenen Jahr vorgestellt haben“, sagt Morelli. Der sieht vor, dass bis 2021 jede fünfte Stelle gestrichen werden soll und die Schließung von 600 der 2000 Filialen. Seit Beginn 2017 wurden 435 Filialen geschlossen. „Wir müssen die Bank wieder auf die Füße stellen. Und das ist ein Prozess, der mehrere Jahre dauert, das wissen wir“, sagt Padoan.

Als die neue Präsidentin des Verwaltungsrats der Bank, Stefania Bariatti, jüngst gefragt wurde, ob sie weitere böse Überraschungen in den Büchern der Bank ausschließen könne, antwortet sie knapp: „Absolut“. Die Frage ist, wer das nach einem Jahrzehnt voller Krise noch glaubt? Die Märkte jedenfalls eher nicht, die Bank kämpft weiter um das Vertrauen von Investoren.

Zudem sich seit einigen Wochen ein Gerücht hält: Italienische Medien berichten, dass eine Fusion bevorstehe mit einer anderen Bank oder sogar eine Fusion mehrerer Banken. Genannt wurde UBI Banca, die Geschäftsbank aus Bergamo, drittgrößte im Land nach Börsenkapital mit einem Marktanteil von mehr als sieben Prozent. Von dort kam postwendend ein hartes Dementi. Allerdings drängt Minister Padoan seit Monaten die gesamte Branche zu Fusionen und Kooperationen: Die Genossenschaftsbanken mussten sich zwei Dach-Banken zuordnen, andere mussten Unterschlupf bei Großbanken finden. Dieser Weg hat sich für die meisten bewährt. „Die gesamte Branche ist deutlich aufgeräumter als noch vor einem Jahr“, sagt Riccaord Barbieri, Chefvolkswirt im italienischen Finanzministerium.

Darauf setzt auch sein Chef Padoan beim Versuch, die Sieneser Wähler für sich zu gewinnen. Als vor einem Jahr die Bankenbranche noch in Trümmern lag, sinnierte er offen über einen Rückzug aus der Politik. Jetzt will er es nochmal wissen und baut darauf, dass die Wähler vor allem den positiven Teil seiner Bilanz sehen. Wer ihn dabei beobachtet, kann sich manchmal des fatalen Eindrucks einer Parallele zu einer anderen Berühmtheit, die einmal in Siena gewirkt habe soll, nicht erwehren.

Von der Stadtheiligen Sankt Katharina sagt man, sie habe keine Mühe gescheut, den Mächtigen ins Gewissen zu reden. Sie kritisierte Eigennutz, verdammte Verschwendung und kämpfte gegen Hochmut. Und trotz ihrer Mahnungen blieb Katharina von Siena illusionslos. Die Welt, befand sie kurz vor ihrem Tod, schaffe im Grund nur eins: Leiden. Das habe Gott so gewollt, um den Weg zu ihm ins Jenseits besonders erstrebenswert scheinen zu lassen.

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