Banken-Elite Investmentbanken läuft der Nachwuchs davon

Viel Geld verdienen und ein glückliches Leben führen möchte die junge Harvard-Elite. Doch große Investmentbanken können das nicht bieten. Im Kampf um die besten Köpfe verlieren sie gegen Technologieunternehmen.

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Nur noch fünf Prozent der Harvard-Business-School-Absolventen wollen bei Banken einsteigen. Quelle: IMAGO

Am Wochenende in Arbeit zu versinken, stundenlang an Präsentationen basteln und unzählige Nachtschichten in glänzenden Wolkenkratzern der Finanzmetropolen dieser Welt schieben – auf solche Dinge waren Absolventen der Harvard Business School einst stolz und sorgten für Neid bei ihren weniger erfolgreichen Freunden. Doch die Zeiten sind vorbei. Doch die jungen Überflieger heute haben keine Lust, sich für ein Unternehmen kaputtzuarbeiten. Und schon gar nicht für eine Bank. Beliebte Arbeitgeber stattdessen: Technologieunternehmen.

„Früher brüsteten sich die Leute: '21-Stunden-Tage, sieben Tage die Woche, acht Monate am Stück' - das galt als Auszeichnung”, sagt Kiran Gandhi. Die Havard-Absolventin hat sich – wie viele andere aus ihrem Jahrgang – bei einem Technologieunternehmen beworben. „Heute heißt es: 'Ich arbeite von 9 bis 5, bekomme einen Haufen Geld und habe ein großartiges Leben.'”

Das Mekka der jungen Elite heißt Silicon Valley. Dort sitzen Apple und Google neben jungen Startup-Unternehmen. Die Millionenstadt San Francisco ist nicht weit mit ihren Bars und Clubs, dem Meer und den Szenevierteln. Und die Mieten sind für die junge Tech-Elite mehr als erschwinglich. Das Silicon Valley, wo man noch mit einem eigenen Startup Millionen verdienen kann, lässt die strengen Investmentbanken alt und grau aussehen. Anders als die Internetkonzerne sind sie seit der Finanzkrise Gegenstand der permanenten Behördenregulierung.

Und auch bei der Behandlung junger Arbeiter gerieten die Banken immer wieder in die Kritik. Aufsehen erregte der Tod eines Praktikanten der Bank of America in London. Im vergangenen Jahr sorgten Praktikanten in Hong Kong für Empörung. Sie erzählten dem Wall Street Journal, dass sie auf der Toilette Nickerchen halten würden, um bei den langen Arbeitszeiten mitzuhalten.

Zwei freie Wochenenden im Monat reichen nicht

Seitdem haben die Finanzinstitute einiges getan, um gerade junge Einsteiger zu entlasten. Bei Goldman Sachs zum Beispiel dürfen Praktikanten zwischen zwölf Uhr nachts und sieben Uhr morgens sich nicht mehr im Büro aufhalten. Die Credit Suisse rief im vergangen Jahr ihre Junior-Banker dazu auf, den Samstag frei zu nehmen. Die Bank of America hat angeordnet, im Monat an vier Tagen Wochenende zu machen.

Ob die neuen Freiheiten den Banken beim Recruiting der Besten helfen, bleibt abzuwarten. Bislang bröckeln ihnen die Elite-Absolventen jedenfalls weg. Während 2007 noch rund 13 Prozent der Harvard-MBA- Absolventen, in den beiden Bereichen Investmentbanking und Handel anfingen, betrug deren Anteil im vergangenen Jahr gerade einmal fünf Prozent, geht aus den Statistiken der Elite-Uni hervor.

Eine vorläufige Erhebung für das laufende Jahr zeigt, dass jetzt sogar nur noch vier Prozent der Studenten Interesse an einem Arbeitsplatz in einer Bank haben, wenn sie im kommenden Mai ihren Abschluss machen. Unter den besten fünf Prozent äußerte nur einer entsprechende Ambitionen.

„Wenn wir hören, dass einer unserer Kommilitonen eine Stelle bei einer Investmentbank bekommen hat, sagen wir 'Glückwunsch'. Aber eigentlich denken wir 'Du tust uns leid'”, sagt Keima Ueno, der seinen MBA-Abschluss in Harvard in diesem Jahr gemacht hat. Ueno arbeitete drei Jahre in der Investmentbank von Morgan Stanley und schrieb sich danach in Harvard ein, um den MBA-Abschluss zu erwerben. Mittlerweile ist er nach Japan zurückgekehrt, wo er einen Online-Einzelhandel betreibt.

Glückliches Leben ist Überfliegern wichtiger als Geld verdienen

Technologie-Unternehmen locken die Top-Absolventen mit dem Versprechen, dass sie nicht nur viel Geld verdienen, sondern auch ein glücklicheres Leben führen können. Und das, obwohl die Arbeitstage auch hier lang sind. Aber wer bei einem der Riesen des Silicon Valley unterkommt, kann zumindest darauf hoffen, dass das Unternehmen einem den Arbeitstag komfortabel gestaltet. Google zum Beispiel lässt seine Mitarbeiter von San Francisco aus per Bus zur Arbeitsstelle ankarren. Facebook bezahlt seinen Mitarbeitern sogar die Reinigung ihrer Wäsche. Und bezahlten Vaterschaftsurlaub gibt es außerdem und das in einem Land, in dem der Gesetzgeber nicht einmal bezahlten Mutterschutz vorsieht.

Es ist also nicht unbedingt erstaunlich, dass es immer mehr Elite-Absolventen eher an die Westküste als an die Wallstreet zieht. Im vergangenen Jahr gingen rund 17 Prozent der Absolventen der Harvard Business School in den Technologiesektor. Banken haben derweil so stark an Boden verloren wie keine andere Branche.

Doch die Banken geben sich nicht kampflos geschlagen. Sie versprechen Neuzugängen mehr Zeit zum Schlafen, hin und wieder einen freien Tag und weniger Termindruck. Die Finanzkonzerne wollen verhindern, dass die klügsten Köpfe Investmentbanking nicht mehr als nachhaltige Karriere betrachten. Goldman Sachs Group zum Beispiel lud vor ein paar Monaten den Erfolgsautor Deepak Chopra ein, um über Wohlbefinden, Entspannung und den Wert von Urlaub zu reden.

Allerdings sind Banken auch finanziell nicht mehr so attraktiv wie früher. Die durchschnittliche Vergütung bei Investmentbanken ist seit der Finanzkrise gesunken - angesichts fallender Erlöse und der größeren Aufmerksamkeit, die Aufseher und Aktionäre Bonuszahlungen widmen.

Bei Goldman Sachs beispielsweise ist die durchschnittliche Vergütung eines Mitarbeiters von 661.490 Dollar im Jahr 2007 auf nur noch 373.265 Dollar im vergangenen Jahr geschrumpft.

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