Banken Schweizer Großbanken: Einmal Absturz und zurück

Die Credit Suisse wird von Skandalen erschüttert Quelle: imago images

Die UBS schreibt Rekordgewinne, die Credit Suisse wird von Skandalen erschüttert. Vor zehn Jahren sah es noch genau umgekehrt aus. Warum haben sich die beiden Schweizer Banken so unterschiedlich entwickelt?

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Die „Börsen-Zeitung“ beißt ungern die Hand, die sie ernährt, Kritik an Banken fällt in dem Blatt traditionell eher gemäßigt aus. Umso heftiger langte der Kommentator angesichts der Verfehlungen einer Schweizer Bank zu. Die sei nicht weniger als „gemeingefährlich“ und produziere „Skandale am laufenden Band.“ Am sichersten, so sein Fazit, wäre es wohl die Bank dichtzumachen, bevor sie weiteres Unheil anrichte.

Ziel des Wutausbruchs war die Großbank UBS, die in der Finanzkrise bereits Milliardenverluste produziert hatte und bei der ein einzelner Händler nun nochmals zwei Milliarden Euro in den Sand gesetzt hatte. Zehn Jahre später trumpft das größte Schweizer Institut groß auf: Vor wenigen Tagen übertraf die UBS mit einem Gewinn von umgerechnet zwei Milliarden Euro alle Quartalsergebnisse seit 2007, die Eigenkapitalrendite lag bei fast 20 Prozent.

Mit Skandalen machte dagegen zuletzt eine andere Schweizer Bank von sich reden, die nach der Finanzkrise eigentlich als ein Musterbeispiel für Solidität galt. Einen Tag nach der UBS meldete die Credit Suisse (CS) schrumpfende Erträge und einen Verlust in dreistelliger Millionenhöhe. Der Kurs der CS-Aktie liegt heute 70 Prozent niedriger als vor zehn Jahren, bei der UBS liegt er 45 Prozent höher. Und mit einem Börsenwert von 16 Milliarden Euro ist die zweitgrößte Schweizer Bank aktuell vier Milliarden Euro weniger wert als die Deutsche Bank. Ende 2019 war ihre Marktkapitalisierung noch doppelt so hoch wie die des Frankfurter Wettbewerbers.

Auch wenn das Aktionärstreffen der CS in diesem Jahr abermals virtuell stattfindet, dürfte es dort zahlreiche unangenehme Fragen geben. Alle voran eine: Wie konnte es dazu kommen?

Oswald Grübel hat dafür nur eine Erklärung. „Wenn ein Unternehmen über Jahre so viele Krisen erlebt, dann liegt der Grund im schlechten Management“, sagte der 78-Bankenveteran, der sowohl an der Spitze der CS wie der UBS gestanden hat, vor wenigen Wochen der „Neuen Zürcher Zeitung.“ Weil die Führung der CS nicht funktioniert habe, hätten im letzten Jahrzehnt viele hervorragende Manager die Bank verlassen. Die Folge seien „Anfängerfehler“, die mit einer guten Risikokontrolle niemals hätten passieren dürfen.

Tatsächlich reihte die Bank in den vergangenen Jahren eine Blamage an die nächste. Die Pleite des US-Hedgefonds Archegos etwa traf sie ebenso mit voller Härte wie der Niedergang des eng mit ihr verbandelten angeblichen Finanzwunderkinds Lex Greensill. Jüngst verlor sie auch noch einen Prozess, den der frühere georgische Ministerpräsident Bidsina Iwanischwili gegen sie angestrengt hatte. An diesem und anderen reichen Kunden hatte sich ein intern als Starberater gefeierter CS-Banker über Jahre bereichert.   

Hinzu kommen erstaunliche Turbulenzen auf der Führungsebene. Der mit vielen Vorschusslorbeeren als Chef des Verwaltungsrats installierte António Horta-Osório trat Anfang des Jahres nach nicht einmal einem Jahr im Amt zurück. Der langjährige Chef der britischen Bank Lloyds hatte während der Pandemie Quarantäneregeln unter anderem deshalb missachtet, um das Tennisturnier in Wimbledon zu besuchen. Vorstandschef Tidjane Thiam trat Anfang 2020 zurück, nachdem bekannt geworden war, dass die Bank mehrere Führungskräfte hatte beschatten lassen. Thiam selbst wurde bei einer internen Untersuchung später entlastet.

Bei der UBS dagegen sind solche Auffälligkeiten zuletzt ausgeblieben. Zwar liegen die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten bei ihr noch deutlich höher als bei der CS, sie stammen allerdings aus einem einzigen Verfahren. In Frankreich wurde sie Ende vergangenen Jahres zur Zahlung von knapp zwei Milliarden Euro wegen angeblicher Beihilfe zu Geldwäsche und Steuerhinterziehung in schon länger zurückliegenden Fällen verurteilt. Die Bank hat dagegen Berufung eingelegt. Die CS dagegen warnte bei der Vorlage ihrer Quartalszahlen jüngst davor, dass sich ihre Rückstellungen nochmals deutlich erhöhen könnten.

Dass beide Banken sich so unterschiedlich entwickelt haben, erklären Beobachter auch mit ihrer jüngeren Geschichte. Während die UBS vor zehn Jahren am Tiefpunkt angekommen einen entschlossenen Reformprozess in Gang setzte, gingen die Manager der CS, die sich als Gewinner der Finanzkrise fühlen konnten, weniger entschlossen vor. Und während die UBS voll auf die nach dem de-facto-Fall des Bankgeheimnisses weniger riskante Vermögensverwaltung setzte, spielte beim kleineren Rivalen das Investmentbanking weiterhin eine zentrale Rolle. Die Folge sind nicht zuletzt kulturelle Reibereien. So stellte Ex-Chef Grübel fest, die CS leide „gegenwärtig unter internen Spannungen zwischen der schweizerisch geprägten Kultur und dem angelsächsischen Geschäftsverständnis.“

Grübel ließ auch verlauten, dass im Aufsichtsgremium die erforderlichen Kompetenzen vorhanden sein müssten. „Es braucht auch hier Personen, welche das Geschäft à fond kennen“, sagte er. Das ist durchaus als Kritik an Urs Rohner zu verstehen. Der Schweizer Wirtschaftsanwalt, in Deutschland Anfang des Jahrtausends als Chef des Fernsehsenders ProSieben Sat.1 bekannt geworden, gilt vielen heute als Hauptverantwortlicher für den Absturz. Der langjährige Verwaltungsratschef war schon in den vergangenen Jahren immer wieder angeeckt, etwa mit Äußerungen, in denen er die aus seiner Sicht großen Vorzüge der USA gegenüber der Schweiz pries. In der Krise nun machte er eine überaus unglückliche Figur und musste sich letztlich ankreiden lassen, seine Kontrollfunktion allenfalls bedingt ausgefüllt zu haben. Anfang 2021 verließ Rohner nach zehn Jahren seinen Posten.  

Genauso lange hat Axel Weber das Kontrollgremium der UBS geführt. Der frühere Bundesbankchef ist während seiner Amtszeit zwar nicht als großer Visionär aufgefallen, aber als Architekt einer soliden Struktur. Als Außenstehendem fiel es ihm leichter, die Bank gemeinsam mit dem langjährigen Vorstandschef Sergio Ermotti neu auszurichten. Dabei kam es Weber zugute, dass er aus seinem früheren Job antizipieren konnte, dass sich einige Geschäfte in der neuen Regulierungswelt kaum noch lohnen dürften.

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Angesichts der Stärke der einen und der Schwäche der anderen Großbank wird in der Schweiz immer mal wieder über ein mögliches Zusammengehen beider Institute spekuliert. Das gilt allerdings schon deshalb als unwahrscheinlich, weil die Aufsichtsbehörden davon wenig begeistert sein dürften. Schließlich hatten diese spätestens in der Finanzkrise erkannt, dass die Schieflage einer Großbank das kleine Land schnell überfordern würde. Seitdem wissen alle, dass sich die Schweiz nur einen Problemfall leisten kann. Allenfalls.

Lesen Sie auch: Bei den deutschen Banken läuft es auf den ersten Blick überraschend gut. Doch es gibt keinen Grund zur Euphorie.

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