Mal gelten sie als übertriebener Hype, mal als die neuen Banken der Zukunft. Beim Thema Fintechs gehen die Meinungen in der Finanzbranche weit auseinander. Eine Patentlösung scheint es noch nicht zu geben, jede Bank sucht ihren eigenen Weg im Umgang mit den jungen Finanz-Start-ups.
Die Gretchenfrage für beide Seiten lauten daher: Kopieren oder Kooperieren? Während viele Institute auf Kooperationen setzen und mit Fintechs zusammenarbeiten, werden auch immer wieder Ideen aus dem Fintech-Lager kopiert. Gleichzeitig verfügen immer mehr der jungen Tech-Firmen über eine eigene Banklizenz und machen sich damit unabhängig von den großen Geldinstituten. Ein Überblick über die gängigsten Modelle.
Geht es nach reinen Zahlen, deutet viel darauf hin, dass sich das Wachstum der Fintech-Branche gerade etwas stabilisiert. So wurde im zweiten Quartal dieses Jahres weniger Venture Capital investiert, wie aus einer Analyse der KPMG hervorgeht. Während im ersten Quartal noch 4,9 Milliarden Dollar an Venture Capital investiert wurde, waren es zuletzt nur noch 2,5 Milliarden Dollar Wagniskapital. Insgesamt wurde zwar mehr in die Tech-Unternehmen investiert, dazu trug aber maßgeblich ein 4,5 Milliarden Dollar schweres Investment in China bei.
Interessant ist allerdings, dass die Investitionen durch Banken in Fintechs gleichzeitig gestiegen sind. „Die Offenheit untereinander hat zwischen Banken und Fintechs zuletzt deutlich zugenommen“, sagt Sven Korschinowski, Experte für Zahlungsverkehr und Partner bei KPMG. Fintechs würden nicht mehr als Zerstörer und Gegner der Banken gesehen. Im Gegenteil, immer häufiger beteiligen sich Banken an Fintechs oder kaufen sie, wie ein aktuelles Beispiel zeigt.
Kauf
Selbst die Deutsche Bank, die bisher mit Fintechs vor allem „zusammenarbeiten“ wollte, erklärte nun erstmals, in Fintechs auch investieren zu wollen. Das verkündete Markus Pertlwieser, Digitalchef im Privatkundenbereich der Deutschen Bank, vergangene Woche in Berlin. Das Kapital soll aus einem 750-Millionen-Euro schweren Topf kommen, den die Bank für Digitalisierungsprojekte vorhält. Dafür arbeitet die Bank mit dem Start-up-Accelerator Plug and Play von Axel Springer zusammen. „Für uns ist das ein strategischer Schritt, um unser Kerngeschäft schneller zu digitalisieren und in neue digitale Geschäftsmodelle zu investieren“, sagte Pertlwieser.
Fintech-Revolutionäre
Über eine App können Anleger ohne Gebühren in Aktien investieren (bislang nur in den USA).
Anleger sollen Wertpapiere künftig direkt über die Blockchain handeln (noch in der Testphase).
Digitale Vermögensverwaltung per Algorithmus auch für Kleinanleger.
Eine der größten Übernahmen in der Bank-Fintech-Welt war der Kauf der Münchener Fidor Bank durch die französische Großbank BPCE, einem Pendant zu den deutschen Volksbanken. Bisher klingt alles nach einer Win-win-Situation. Während die Münchener sich freuen, den Start-up-Status endgültig hinter sich zu gelassen und einen verlässlichen Kapitalgeber gewonnen zu haben, wollen die Franzosen mit Fidor ihren digitalen Umbau voranbringen.
Kooperationen
Vor der Kooperation mit Axel Springer hatte die Deutsche Bank stets betont, dass sie eng mit Fintechs zusammenarbeiten will, anstatt sie zu kopieren. „Wir ergänzen uns hervorragend“, sagte Bankchef John Cryan vor kurzem auf einer Branchentagung in Frankfurt.
So kooperiert die Bank beispielsweise seit April mit dem Hamburger Fintech Figo. Dadurch können Kunden der Bank über ihr Online-Banking gleichzeitig auf ihre Konten bei anderen Banken zugreifen und müssen diese nicht extra aufrufen. Banken könnten die Digitalisierung nicht alleine schaffen, kommentierte Privatkundenvorstand Christian Sewing die Zusammenarbeit.
Alleinstellungsmerkmal gefährdet
Das Beispiel zeigt, wo die Reise hingeht. Vor einiger Zeit waren Plattformen, auf denen Bankkunden auf mehrere Konten gleichzeitig zugreifen konnten, ein Angebot, was Fintechs wie beispielsweise N26 vorbehalten war. Mittlerweile gehören solche Apps und Plattformen allerdings auch bei den „alten“ Banken zum Standard. Selbst zehn große Sparkassen arbeiten zusammen an „Yomo“, einer ähnlichen App, mit der alle Bankgeschäfte über das Smartphone abgewickelt werden können. Fintechs müssen sich also ebenfalls schnell weiterentwickeln, um ihr Alleinstellungsmerkmal nicht zu verlieren.
Kopieren
Einige Banken geben dagegen offen zu, Modelle von Fintechs im Zweifel auch einfach zu kopieren. Eines der bekanntesten Kopier-Beispiele ist Paydirekt, das Online-Bezahlsystem deutscher Banken und Sparkassen. Als Vorbild für mehr Nachahmerei dient das allerdings bisher nicht. Zunächst kam das Projekt nicht ins Laufen, der Start verzögerte sich immer weiter. Vor allem bei den Sparkassen nahmen Absprachen und Sicherheitsbedenken vor der Einführung der Paypal-Kopie viel Raum ein. Letztlich weihten die Sparkassen das Projekt erst im Rahmen des Sparkassentags im Mai ein, während einige andere Banken wie die Commerzbank Paydirekt schon im November 2015 für ihre Kunden bereit hielten.
Die lange Wartezeit hat das Produkt nicht unbedingt besser gemacht. „Die Bedienung ist ein Alptraum“, sagt ein Fintech-Unternehmer hinter vorgehaltener Hand. Die Banken und Sparkassen hätten damit versucht, ein nicht existentes Problem zu lösen. Schließlich gibt es mit Paypal bereits einen global aktiven Zahlungsdienstanbieter, da war also gar keine Lücke.
So digitalisieren Banken ihr Geschäftsmodell
Durch Auswertung des Kundenverhaltens über alle Kanäle (Online, Mobil, Filiale) können Kundenbedürfnisse besser gefiltert werden und so der ideale Zeitpunkt für eine individuelle Kundenansprache identifiziert werden.
Quelle: Roland Berger
Die Neukundengewinnung ist in den letzten Jahren sehr schwierig geworden. Banken müssen daher innovative Ideen entwickeln, um Neukunden mit einfachen und digitalisierten Produkten zu überzeugen.
Es reicht nicht aus, Geschäftsmodelle zu optimieren. Banken müssen auch ihr Wachstum vorantreiben und neue Geschäftsfelder erschließen.
Durch Kooperationen mit branchenfremden digitalen Playern oder FinTech-Unternehmen bekommen Banken direkten Zugang zu innovativen Ideen und lernen die Denkweise der "Digital Natives".
Fehler müssen erlaubt sein, denn nur so können sich Organisationen in dem sich ständig ändernden digitalen Umfeld weiterentwickeln.
Digitalisierung ermöglicht eine neue Art des Kundenservice. Um diese Chancen nutzen zu können, muss ein radikaler Kulturwandel in den Banken stattfinden.
Die Digitalisierung muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zum Back Office stattfinden, damit auch komplexe Finanzprodukte schnell und zuverlässig abgewickelt werden können.
Erfolgversprechender ist ein Commerzbank-Projekt - auch Deutschlands zweitgrößte Bank scheut sich nicht, Fintechs im Zweifel zu kopieren. Vorstandschef Martin Zielke erklärte vor kurzem, man könne jeweils schnell entscheiden, ob man kooperieren wolle oder ein Geschäftsmodell übernehmen. Ihre Kontowechsel-App, mit der Kunden ihr Konto per Handy umziehen können, wird beispielsweise vom Start-up Fino Digital betrieben und auch entwickelt. Zugleich hat die Bank über ihre Innovationsplattform main incubator im Juni Main Funders gegründet, eine Online-Plattform zur Kreditvergabe.
Dabei handelt es sich um einen Online-Marktplatz, auf dem Kreditsuchende und Geldgeber direkt zusammengebracht werden. Bisher waren es vor allem Fintechs wie Auxmoney oder Funding Circle, die den Markt für diese sogenannte „Peer-to-peer“-Kreditvergabe bestimmten. Nun können auch Commerzbank-Firmenkunden auf Main Funders direkt um eine Finanzierung ihrer Projekte werben.
Die Probleme der FinTech-Branche
Geschäftsmodell: Schwarmkredite
Nutzer: 1.173.000
Eigentümer: Index Ventures, Union Square Ventures
Probleme: Viele Inkassofälle
Geschäftsmodell: Schwarmkredite
Nutzer: 250.000
Eigentümer: Rocket Internet
Probleme: Strengerer Kleinanlegerschutz
Geschäftsmodell: Anlagen im Ausland
Nutzer: 25.000
Eigentümer: Index Ventures, Ribbit Capital
Probleme: Konkurrenz durch Klone
Geschäftsmodell: Mittelstandsfinanzierung
Nutzer: 43.000
Eigentümer: Index Ventures, Temasek, Blackrock
Probleme: Strengerer Kleinanlegerschutz
Der Vorteil gegenüber den reinen Fintechs: Die Plattform ist nur für Commerzbank-Kunden zugänglich, im Hintergrund besteht also eine gemeinsame Basis für Transaktionen. Bisher sei das Interesse sehr groß, heißt es bei main incubator auf Anfrage. Zu der Frage, ob bereits ein Kredit über den Marktplatz vermittelt wurde, wollte sich main incubator nicht äußern.
Kein Allheilmittel
Eine Patentlösung gibt es laut Marktbeobachtern nicht. „Banken sollten sich nicht festlegen, sondern von Fall zu Fall prüfen, ob sie kooperieren, kopieren oder vielleicht kaufen wollen“, sagt KPMG-Experte Korschinowski. Eins ist gleichzeitig klar: eine Modeerscheinung, ein vorübergehendes Phänomen, sind Fintechs nicht. Je flexibler Banken also im Umgang mit den jungen Technologieunternehmen sind, desto besser.