Banken und Fintechs Kopieren oder kooperieren?

Banken und Fintechs merken immer stärker, dass sie aufeinander angewiesen sind. Wo kopiert, kooperiert und gekauft wird und welches Modell am meisten Sinn macht.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Banken kopieren Fintechs. Quelle: dpa Picture-Alliance

Mal gelten sie als übertriebener Hype, mal als die neuen Banken der Zukunft. Beim Thema Fintechs gehen die Meinungen in der Finanzbranche weit auseinander. Eine Patentlösung scheint es noch nicht zu geben, jede Bank sucht ihren eigenen Weg im Umgang mit den jungen Finanz-Start-ups.

Die Gretchenfrage für beide Seiten lauten daher: Kopieren oder Kooperieren? Während viele Institute auf Kooperationen setzen und mit Fintechs zusammenarbeiten, werden auch immer wieder Ideen aus dem Fintech-Lager kopiert. Gleichzeitig verfügen immer mehr der jungen Tech-Firmen über eine eigene Banklizenz und machen sich damit unabhängig von den großen Geldinstituten. Ein Überblick über die gängigsten Modelle.

Geht es nach reinen Zahlen, deutet viel darauf hin, dass sich das Wachstum der Fintech-Branche gerade etwas stabilisiert. So wurde im zweiten Quartal dieses Jahres weniger Venture Capital investiert, wie aus einer Analyse der KPMG hervorgeht. Während im ersten Quartal noch 4,9 Milliarden Dollar an Venture Capital investiert wurde, waren es zuletzt nur noch 2,5 Milliarden Dollar Wagniskapital. Insgesamt wurde zwar mehr in die Tech-Unternehmen investiert, dazu trug aber maßgeblich ein 4,5 Milliarden Dollar schweres Investment in China bei.

Diese Start-ups sollten Sie kennen
Barzahlen, Florian Swoboda, Achim Bönsch, Sebastian Seifert Quelle: PR
Number26, Maximilian Tayenthal und Valentin Stalf Quelle: PR
Fidor BankGegründet: 2009 Sitz: München Onlinebank für Geschäftskunden, die sich zum Ziel gesetzt hat, den digitalen Wandel schneller und besser umzusetzen als traditionelle Banken. Dazu sollen Nutzer und die Bank selbst konsequent soziale Netzwerke nutzen, um Anlageideen zu auszutauschen und zu diskutieren. Gründer: Matthias Kröner, Dr. Michael Maier und Steffen Seeger (v.l.n.r.)Quelle: fidor.de Quelle: PR
Weltsparen.de, raisin Quelle: PR
SpotcapGegründet: 2014 Sitz: Berlin Rocket Internet will mit seiner Kreditplattform Spotcap eine Finanzierungslücke schließen: Statt sich in langwierigen Verhandlungen mit den Anforderungen ihrer Bank auseinanderzusetzen, sollen kleine und mittlere Unternehmen über Spotcap in wenigen Minuten einen Kreditrahmen bewilligt bekommen. Gründer: Jens Woloszczak und Toby TriebelQuelle: spotcap.com Quelle: PR
Traxpay Quelle: PR
Nikolay Storonsky, revolut Quelle: PR

Interessant ist allerdings, dass die Investitionen durch Banken in Fintechs gleichzeitig gestiegen sind. „Die Offenheit untereinander hat zwischen Banken und Fintechs zuletzt deutlich zugenommen“, sagt Sven Korschinowski, Experte für Zahlungsverkehr und Partner bei KPMG. Fintechs würden nicht mehr als Zerstörer und Gegner der Banken gesehen. Im Gegenteil, immer häufiger beteiligen sich Banken an Fintechs oder kaufen sie, wie ein aktuelles Beispiel zeigt.

Kauf

Selbst die Deutsche Bank, die bisher mit Fintechs vor allem „zusammenarbeiten“ wollte, erklärte nun erstmals, in Fintechs auch investieren zu wollen. Das verkündete Markus Pertlwieser, Digitalchef im Privatkundenbereich der Deutschen Bank, vergangene Woche in Berlin. Das Kapital soll aus einem 750-Millionen-Euro schweren Topf kommen, den die Bank für Digitalisierungsprojekte vorhält. Dafür arbeitet die Bank mit dem Start-up-Accelerator Plug and Play von Axel Springer zusammen. „Für uns ist das ein strategischer Schritt, um unser Kerngeschäft schneller zu digitalisieren und in neue digitale Geschäftsmodelle zu investieren“, sagte Pertlwieser.

Fintech-Revolutionäre

Eine der größten Übernahmen in der Bank-Fintech-Welt war der Kauf der Münchener Fidor Bank durch die französische Großbank BPCE, einem Pendant zu den deutschen Volksbanken. Bisher klingt alles nach einer Win-win-Situation. Während die Münchener sich freuen, den Start-up-Status endgültig hinter sich zu gelassen und einen verlässlichen Kapitalgeber gewonnen zu haben, wollen die Franzosen mit Fidor ihren digitalen Umbau voranbringen.  

Kooperationen

Vor der Kooperation mit Axel Springer hatte die Deutsche Bank stets betont, dass sie eng mit Fintechs zusammenarbeiten will, anstatt sie zu kopieren. „Wir ergänzen uns hervorragend“, sagte Bankchef John Cryan vor kurzem auf einer Branchentagung in Frankfurt.

So kooperiert die Bank beispielsweise seit April mit dem Hamburger Fintech Figo. Dadurch können Kunden der Bank über ihr Online-Banking gleichzeitig auf ihre Konten bei anderen Banken zugreifen und müssen diese nicht extra aufrufen. Banken könnten die Digitalisierung nicht alleine schaffen, kommentierte Privatkundenvorstand Christian Sewing die Zusammenarbeit.   

Alleinstellungsmerkmal gefährdet

Das Beispiel zeigt, wo die Reise hingeht. Vor einiger Zeit waren Plattformen, auf denen Bankkunden auf mehrere Konten gleichzeitig zugreifen konnten, ein Angebot, was Fintechs wie beispielsweise N26 vorbehalten war. Mittlerweile gehören solche Apps und Plattformen allerdings auch bei den „alten“ Banken zum Standard. Selbst zehn große Sparkassen arbeiten zusammen an „Yomo“, einer ähnlichen App, mit der alle Bankgeschäfte über das Smartphone abgewickelt werden können. Fintechs müssen sich also ebenfalls schnell weiterentwickeln, um ihr Alleinstellungsmerkmal nicht zu verlieren.

Kopieren

Einige Banken geben dagegen offen zu, Modelle von Fintechs im Zweifel auch einfach zu kopieren. Eines der bekanntesten Kopier-Beispiele ist Paydirekt, das Online-Bezahlsystem deutscher Banken und Sparkassen. Als Vorbild für mehr Nachahmerei dient das allerdings bisher nicht. Zunächst kam das Projekt nicht ins Laufen, der Start verzögerte sich immer weiter. Vor allem bei den Sparkassen nahmen Absprachen und Sicherheitsbedenken vor der Einführung der Paypal-Kopie viel Raum ein. Letztlich weihten die Sparkassen das Projekt erst im Rahmen des Sparkassentags im Mai ein, während einige andere Banken wie die Commerzbank Paydirekt schon im November 2015 für ihre Kunden bereit hielten.

Das sind die besten Fin-Tech-Start-ups
Das Münchener Start-up Gini wurde zum besten FinTech-Start-up 2015 gewählt. Quelle: Presse
Platz 2: WeltsparenDas 2012 gegründete Portal Weltsparen.de der Saving Global GmbH ist der erste Online-Marktplatz für europäische Festgelder. Bei ausgewählten Partnerbanken aus ganz Europa können Kunden online ihr Geld anlegen – mit deutlich attraktiveren Zinsen bis zu 2,5 Prozent. Auf dem Bild sind die Gründer Michael Stephan, Frank Freund und Tamaz Georgadze (von links) zu sehen. Quelle: Presse
Platz 3: Numbers 26Die moderne Banking-App von Maximilian Tayenthal (links im Bild) und Valentin Stalf soll das herkömmliche Girokonto ersetzen. Ihr Konto ist komplett kostenlos, kann per Smartphone und in Echtzeit bedient werden – und eine Mastercard gibt es noch dazu. Mit ihrem Angebot treten die beiden Unternehmer in direkte Konkurrenz zu den bestehenden Direktbanken – und werben mit der Einfachheit ihrer Produkte. Für den Firmennamen ist übrigens der berühmte bunte Zauberwürfel verantwortlich, der aus 26 einzelnen Würfeln besteht. „Das ist unsere Inspiration dafür, dass man auch das komplexe Bankensystem mit der richtigen Strategie einfach lösen kann“, erklären Tayenthal und Stalf ihre Firmenphilosophie. Quelle: Presse
Fairr.deDas Berliner Start-up Fairr.de gehört zu den übrigen Finalisten und hat sich auf Altersvorsorge spezialisiert. Fairr.de will sich in diesem Segment gegen die großen Banken behaupten. Die Kunden können online verschiedene Rentenprodukte abschließen – beispielsweise den „fairriester“, einen Riester-Fondssparplan mit ETFs und Anlageklassenfonds. Die Besonderheit dabei: Das Start-up verzichtet auf Abschlussprovisionen und wirbt mit niedrigen laufenden Kosten. Quelle: Presse
ExporoDas Crowdfunding-Portal Exporo ist eine Plattform für Immobilien und Immobilienprojekte. Das Hamburger Start-up vermittelt dabei Kapital zwischen Projektentwicklern und Anlegern – und ist mit einem Kapitalvolumen von mehr als 10 Millionen Euro in diesem Segment deutschlandweit führend. Im Dezember 2014 startete Exporo sein erstes Projekt in der Hamburger Feldbrunnenstraße (Foto). Mehr als 440 private Geldgeber haben sich mit Summen ab 500 Euro beteiligt – so konnte diese Immobilien-Schwarmfinanzierung innerhalb von nur 14 Wochen realisiert werden. Quelle: Presse
FinoBei Fino Digital können Kunden innerhalb von acht Minuten ihr Konto wechseln – per Mausklick, ganz ohne Schreibaufwand. Seit Herbst 2015 ist das Portal von Fino-Gründer Florian Christ (Bild) im Netz zu finden – und rund 15 Banken kooperieren mittlerweile mit dem jungen Kasseler Unternehmer. Quelle: Presse
VaamoDie Vaamo Finanz AG bietet individuelle Online-Investment-Lösungen für Privatpersonen an. Dazu können Nutzer ein eigenes Vaamo-Konto eröffnen. Das Besondere dabei: Die persönlichen Sparziele der Kunden stehen im Vordergrund. Ein technisches Kontrollsystem hilft dabei, dass die Nutzer ihre Ziele auch tatsächlich erreichen. Bei Vaamo gibt es weder einen Mindestanlagebetrag noch eine Mindestlaufzeit; die Kunden zahlen einen Pauschalpreis. Das Frankfurter Start-up kooperiert zur Depotführung und Transaktionsabwicklung mit der FFB. Quelle: Presse

Die lange Wartezeit hat das Produkt nicht unbedingt besser gemacht. „Die Bedienung ist ein Alptraum“, sagt ein Fintech-Unternehmer hinter vorgehaltener Hand. Die Banken und Sparkassen hätten damit versucht, ein nicht existentes Problem zu lösen. Schließlich gibt es mit Paypal bereits einen global aktiven Zahlungsdienstanbieter, da war also gar keine Lücke.

Entsprechend wenig ist Paydirekt bisher verbreitet, laut Unternehmenswebseite bieten bisher 164 Shops das Bezahlen mit Paydirekt an. Große Online-Shops wie Zalando oder Amazon finden sich darunter allerdings nicht, unter den Top-Shops rangiert bisher das Online-Angebot von Haribo.

So digitalisieren Banken ihr Geschäftsmodell

Erfolgversprechender ist ein Commerzbank-Projekt - auch Deutschlands zweitgrößte Bank scheut sich nicht, Fintechs im Zweifel zu kopieren. Vorstandschef Martin Zielke erklärte vor kurzem, man könne jeweils schnell entscheiden, ob man kooperieren wolle oder ein Geschäftsmodell übernehmen. Ihre Kontowechsel-App, mit der Kunden ihr Konto per Handy umziehen können, wird beispielsweise vom Start-up Fino Digital betrieben und auch entwickelt. Zugleich hat die Bank über ihre Innovationsplattform main incubator im Juni Main Funders gegründet, eine Online-Plattform zur Kreditvergabe.

Dabei handelt es sich um einen Online-Marktplatz, auf dem Kreditsuchende und Geldgeber direkt zusammengebracht werden. Bisher waren es vor allem Fintechs wie Auxmoney oder Funding Circle, die den Markt für diese sogenannte „Peer-to-peer“-Kreditvergabe bestimmten. Nun können auch Commerzbank-Firmenkunden auf Main Funders direkt um eine Finanzierung ihrer Projekte werben.

Die Probleme der FinTech-Branche

Der Vorteil gegenüber den reinen Fintechs: Die Plattform ist nur für Commerzbank-Kunden zugänglich, im Hintergrund besteht also eine gemeinsame Basis für Transaktionen. Bisher sei das Interesse sehr groß, heißt es bei main incubator auf Anfrage. Zu der Frage, ob bereits ein Kredit über den Marktplatz vermittelt wurde, wollte sich main incubator nicht äußern.

Kein Allheilmittel

Eine Patentlösung gibt es laut Marktbeobachtern nicht. „Banken sollten sich nicht festlegen, sondern von Fall zu Fall prüfen, ob sie kooperieren, kopieren oder vielleicht kaufen wollen“, sagt KPMG-Experte Korschinowski. Eins ist gleichzeitig klar: eine Modeerscheinung, ein vorübergehendes Phänomen, sind Fintechs nicht. Je flexibler Banken also im Umgang mit den jungen Technologieunternehmen sind, desto besser.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%