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Bankenkrise Sprachstörung zwischen Berlin und Frankfurt

Am Mittwochabend versammelte sich ein einflussreicher Kreis in der Berliner Repräsentanz der Deutschen Bank Unter den Linden: sieben führende Finanz- und Wirtschaftspolitiker der Regierungskoalition, dazu der zuständige Referatsleiter aus dem Kanzleramt. Bankvorstand Jürgen Fitschen, für das Inlandsgeschäft verantwortlich, hatte die Herrenrunde zum „parlamentarischen Abend“ gebeten, um ihr die Sicht der Deutschen Bank nahezubringen: Ihre Empfehlungen für den Kampf gegen die Bankenkrise, aber auch ihre Sorgen, dass die Politik mit den falschen Rezepten unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen könnte. Die Angst der Deutschbanker: Da die meisten anderen heimischen Institute aus dem globalen Investmentgeschäft bereits ausgeschieden sind, richte sich jede strengere Vorschrift zuvörderst gegen den Branchenprimus. Mit den Gesprächen wolle man „Verständnis schaffen zwischen der Berlin-Welt und der Frankfurt-Welt“, erzählt ein Insider.

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Josef Ackermann in Davos Quelle: dpa

Die Abgeordneten, darunter Leo Dautzenberg, CDU-Obmann im Finanzausschuss, Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU, und Carl-Ludwig Thiele, Fraktionsvize der FDP, Mitglied im Beirat der Bafin und Kandidat für einen Vorstandsposten in der Bundesbank, forderten umgekehrt vom Gastgeber, die Branche solle doch bitte selbst Vorschläge machen, welche Art der Regulierung sinnvoll wäre. Dabei wollen die Politiker vor allem wissen, welche Auswirkungen neue Vorschriften auf die so genannte Realwirtschaft hätten, nicht auf die Banken. Die politische Gratwanderung zwischen mehr Freiheit und mehr Sicherheit, die man aus der Innenpolitik kennt, sie gilt auch hier.

Seit Wochen sucht die Politik nach dem richtigen Weg, wie sich künftige Bankenkrisen verhindern ließen – oder wie die Insolvenz eines Instituts ablaufen könnte, ohne gleich das ganze Finanzsystem in den Abgrund zu reißen. Und genauso lange versucht die Branche, Verständnis für ihr Geschäft zu wecken. Die Neuregelung der Bankenkontrolle (Bundesbank statt Bafin) sollte am Dienstag auf Wunsch der FDP-Fraktionsvorsitzenden Birgit Homburger auf der Tagesordnung des Koalitionsausschusses stehen. Das Thema wurde aber wieder abgesetzt, weil Finanzminister Wolfgang Schäuble im Krankenhaus war.

Stimmung der Politik auf Krawall gebürstet

Im Bundestag ist die Stimmung unruhig. Nicht nur die Opposition ist sauer auf die Geldbranche, auch bei den bürgerlichen Parteien ist die Stimmung auf Krawall gebürstet: Erst habe der Staat mit zig Milliarden Steuergeldern angeschlagene Banken retten müssen, und nun täten die Institute schon wieder so, als sei nichts gewesen. „Die Marktwirtschaft wird diskreditiert durch die Linken, die sie mit Faustrecht gleichsetzen, und durch die Gierigen, die Regelungslücken in Folge der Globalisierung nutzen, um sich die Taschen vollzustopfen“, schimpft beispielsweise der CSU-Landesgruppenvorsitzende Hans-Peter Friedrich.

Zwar hatte Josef Ackermann als Chef des größten Hauses schon einige Vorschläge für Verbesserungen und Selbstbeschränkungen vorgelegt, doch gerade er ist in Berlin derzeit nicht so gut gelitten. Mit jedem Beteuern, an Boni für Investment-Spezialisten führe kein Weg vorbei, reduziert er sein Ansehen in der politischen Klasse. Lange hatten die Banken überhaupt nicht verstanden, was sich an der Politikfront zusammenbraute. In Davos hatte Ackermann, im Nebenjob IIF-Präsident, für eine Selbstbeschränkung geworben; die Drohung von US-Präsident Obama, die großen Bankhäuser zu zerschlagen, galt zumindest als Weckruf.

CSU-Mann Friedrich will den Banken riskante Investmentgeschäfte vermiesen: „Wir brauchen Appetitzügler für Risiken, und das sind vor allem erhöhte Eigenkapitalanforderungen, gestaffelt nach Risiken.“ Allerdings müsse die Regierung aufpassen, dass sie damit nicht „eine Kreditklemme heraufbeschwört“. Denn je höher die Eigenkapitalanforderungen, desto geringer werde der Spielraum für Ausleihungen an die so genannte Realwirtschaft. Friedrich geht folglich davon aus, dass die Banken in jedem Fall die Spekulation nicht lassen würden. „Es wird immer so sein, dass Banken auch riskantere Geschäfte machen. Wir wollen ihnen sagen: Ihr müsst wissen, dass dies Kräfte bindet, statt mit seriösen und soliden Geschäften auch gutes Geld zu verdienen.“ Natürlich müsse man beachten, „dass die Amerikaner sich nicht wieder drücken wie bei Basel II, aber jede Erhöhung der Anforderungen hilft“.

Drei Landesbanken formen

Zusätzlich zur Zusammenführung der Aufsicht bei der Bundesbank will Friedrich auch operativ bei Schieflagen eingreifen. „Wir müssen es schaffen, dass die Aufsicht schon viel früher, also im Vorfeld einer Bankeninsolvenz, in die Geschäftsführung eingreifen kann.“ Schon arbeiten Bundesfinanzministerium und Bundesjustizministerium daran, diese Eingreifschwelle deutlich zu senken. „Wenn es künftig bei systemischen Banken zu Schwierigkeiten kommt, dann soll die Bankenaufsicht eingreifen. Sie soll dann den systemrelevanten Teil abspalten und unter Kuratel der Aufsicht stellen. Der Soffin soll dann die Oberhoheit übernehmen und das richtige Personal suchen. Den nicht-systemischen Teil soll die Bankenaufsicht in die Insolvenz gehen lassen.“

Bei der vertraulichen Runde im Haus der Deutschen Bank konnte Vorstand Fitschen zumindest einige konkrete Vorschläge liefern. Aus den gesunden und den maroden Landesbanken sollten zunächst drei Institute geformt werden, von denen zumindest ein Institut dann an private Investoren gehen sollte, um später eine zweite nationale Bank mit globalem Anspruch zu bilden. Der Deutschen Bank, so Fitschen, wäre durchaus lieb, wenn sein Haus nicht allein auf weltweiter Flur den deutschen Markt repräsentieren müsse. Gegen die schlappe Ausstattung gerade des heimischen Mittelstands mit Eigenkapital stellen die Frankfurter ihren Hilfsfonds. Höhere Eigenkapital-Anforderungen für riskante Geschäfte der Geldinstitute befürwortet auch der Branchenprimus. Und auch eine Haftung des ursprünglichen Geldgebers beim Weiterverkauf von Krediten steht auf seiner Liste. Einig waren sich Gäste wie Gastgeber, dass jede Regulierung für alle wichtigen Spieler gelten müsse. Fitschen: „Wir müssen ganz, ganz genau prüfen, was die USA wirklich umsetzen.“

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