Bankenskandal Erneut Razzia bei der Deutschen Bank

Für die Deutsche Bank war der Advent in diesem Jahr alles andere als gemütlich. Beinahe täglich machte das Institut Negativ-Schlagzeilen, zuletzt an diesem Donnerstag mit einer weiteren Razzia.

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Die Brennpunkte der Deutschen Bank
BerlinDas Verhältnis der Deutschen Bank zur Politik war unter Ackermann zwiespältig. Das soll nun vor allem Co-Chef Fitschen pflegen. Quelle: Reuters
FrankfurtIn der Deutschen-Bank-Zentrale fürchten einige Manager zu viel Einfluss der Investmentbanker. Als Beleg sehen Skeptiker die Besetzung der Top-Position im Risikomanagement durch einen Getreuen von Co-Chef Jain. Quelle: Laif
BonnDer kommende Postbank-Chef Frank Strauß soll Ertragskraft und Effizienz des größten Zukaufs der Ära Ackermann stärken. Dafür muss er vor allem kulturelle Differenzen in den Griff bekommen. Quelle: dpa
LondonDie Zentrale der Investmentsparte der Deutschen Bank sitzt in London und beeindruckt Besucher mit moderner Kunst. Sie will von der Schwäche der Konkurrenz profitieren und weltweit unter die Top 3 vorstoßen. Quelle: Laif
New YorkWegen ihrer zweifelhaften Rolle in der Verbriefung minderwertiger Hypothekenkredite protestieren Hausbesitzer in den USA gegen die Deutsche Bank. Die Schadensersatzforderungen belasten das neue Duo an der Spitze. Quelle: Reuters
PekingDas Geschäft in Asien wird für die Deutsche Bank trotz staatlicher Beschränkungen immer wichtiger. Am größten sind die Wachstumsaussichten in China. Aber auch Indien erweist sich als unausgeschöpftes Finanzreservoir. Quelle: Laif

Eine Woche nach der Frankfurter Staatsanwaltschaft haben nun die Münchener Strafverfolger die Zentrale des größten deutschen Geldhauses durchsucht. Dabei geht es um den bereits seit mehr als einem Jahr bekannten Vorwurf des Prozessbetrugs gegen ehemalige Vorstände - im Rahmen des Rechtsstreits mit der Familie des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch.

Die Staatsanwaltschaft wirft vier ehemaligen Vorständen der Bank vor, in dem Prozess die Unwahrheit gesagt zu haben. In den vergangenen Wochen seien neue Erkenntnisse aufgetaucht, die zu der Durchsuchung geführt hätten, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen.

Die Beamten hätten Materialien beschlagnahmt, aber noch niemanden festgenommen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Donnerstag. Die Bank bestätigte die Durchsuchungsaktion. Sie wies den Vorwurf, der sich unter anderem gegen die Ex-Chefs Rolf Breuer und Josef Ackermann richtet, erneut zurück.

Beobachtern zufolge war die Durchsuchung am Mittwoch deutlich kleiner als vor einer Woche, als rund 500 schwer bewaffnete Polizisten Gebäude der Bank filzten. Da ging es um den Vorwurf des Steuerbetrugs im Zusammenhang mit dem Handel von CO2-Verschmutzungsrechten. Dabei wurden fünf Mitarbeiter festgenommen, wovon drei noch in Haft sind. Zudem wird in dem Zusammenhang gegen Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen und Finanzchef Stefan Krause wegen Steuerhinterziehung ermittelt.

Einem Zeitungsbericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge hat das Kreditinstitut die aufsehenerregende Razzia vergangene Woche durch mangelnde Zusammenarbeit mit den Behörden provoziert. Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft habe den Firmenanwalt des Instituts bereits im Juni davor gewarnt, angeforderte Unterlagen nicht länger zurückzuhalten, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Ermittlerkreise. Demnach sei die Warnung einer "dunkelgelben" Karte beim Fußball vergleichbar gewesen. Die Bank habe sich aber weiter geweigert, so umfassend mit den Behörden zusammenzuarbeiten.

Auch die Entschuldigung Fitschens beruhigt die Kritiker nicht

Derweil wollen trotz öffentlicher Entschuldigung von Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen für sein Verhalten nach der Steuerrazzia die Kritiker nicht verstummen. SPD-Chef Sigmar Gabriel verglich Fitschens Beschwerdeanruf bei Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) mit dem Fall von Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Führende Politiker der schwarz-gelben Koalition riefen nach einer Woche der Empörung zur Mäßigung auf, um das Ansehen des größten deutschen Geldhauses nicht weiter zu beschädigen. Zugleich wurde bekannt, dass einer von vier einsitzenden Bankmitarbeitern aus der U-Haft entlassen wurde.

„Ein Politiker hätte bei einem solchen Versuch, die Arbeit von Staatsanwalt und der Polizei durch einen Anruf beim Ministerpräsidenten zu behindern, bereits seinen Job verloren“, urteilte Gabriel in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Offenbar gebe es für Bankvorstände andere Maßstäbe.

Fitschen versicherte im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Die Unabhängigkeit der Rechtspflege ist auch für mich ein hohes Gut. Sollte mein Anruf in der Öffentlichkeit zu einem falschen Eindruck geführt haben, möchte ich mich dafür ausdrücklich entschuldigen.“

Der 64-Jährige erklärte: „Mein Anruf erfolgte mit guten Absichten.“ Er habe gegenüber Bouffier seine „tiefe Betroffenheit über die Wahrnehmung der Vorgänge im Ausland“ ausdrücken wollen. Schließlich seien die Bilder der Razzia um die ganze Welt gegangen.

Am Mittwoch vergangener Woche hatten 500 Fahnder unter anderem die Zentrale des Dax-Konzerns in Frankfurt durchkämmt. Ermittelt wird wegen schwerer Steuerhinterziehung, Geldwäsche und versuchter Strafvereitelung beim Handel mit Luftverschmutzungsrechten (CO2-Zertifikaten). Fitschen hatte sich über die aus seiner Sicht „überzogene“ Aktion telefonisch bei Bouffier beklagt.

Erneute Niederlage vor Gericht - diesmal in Italien

Die größten europäischen Banken
Banco Santander Quelle: REUTERS
UBS Quelle: REUTERS
Lloyds Banking Quelle: dapd
ING Quelle: dapd
Société Générale Quelle: dpa
Royal Bank of Scotland Quelle: dapd
Crédit Agricole Quelle: dpa

Der FDP-Fraktionsvize Martin Lindner forderte im „Handelsblatt“, das „Kesseltreiben“ gegen Fitschen zu beenden: „Die Angriffe auf die Institution Deutsche Bank schaden den Interessen Deutschlands.“ Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) mahnte in der Zeitung auch die Ermittler: Auch bei einem so prominenten Unternehmen wie der Deutschen Bank müsse „nüchtern und unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ermittelt werden“.

Rechtsstreitigkeiten der Deutschen Bank

Das seit Juni amtierende Führungsduo der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen und Anshu Jain, hatte einen „Kulturwandel“ in dem Weltkonzern angekündigt. Fitschen zeigte sich im „FAZ“-Interview zuversichtlich, dass der Wandel gelingen kann: „Ich bin überzeugt, dass wir noch enger zusammenrücken werden, um die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen.“

Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hat 25 Beschäftigte im Visier, darunter Fitschen und Finanzvorstand Stefan Krause. Die beiden Vorstände hatten die - später korrigierte - Steuererklärung für das Jahr 2009 unterschrieben. Fünf Mitarbeiter wurden verhaftet, vier davon blieben zunächst in Untersuchungshaft.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Günter Wittig, bestätigte, dass am Dienstagabend einer der vier Untersuchungshäftlinge entlassen wurde. Dies habe die Behörde selbst veranlasst, weil der Haftgrund der Verdunklungsgefahr nicht mehr gegeben sei. Wittig ließ offen, wie es dazu gekommen ist. Denkbar sind eine umfassende Aussage des Beschuldigten oder die Erkenntnis, dass alle notwendigen Beweise gesichert sind. Die drei weiteren U-Häftlinge sitzen nach Angaben der Justiz weiterhin ein. Über die Freilassung des einen Bankmitarbeiters aus der Untersuchungshaft hatte zuerst die „Bild“-Zeitung vorab aus ihrer Donnerstagausgabe berichtet.

Unterdessen musste die Deutsche Bank nach der kürzlichen Schlappe im Kirch-Prozess erneut eine juristische Niederlage hinnehmen. Ein italienisches Gericht verurteilte die größte deutsche Bank gemeinsam mit anderen Banken wegen umstrittener Derivate-Geschäfte mit der Stadt Mailand. Die Strafe fiel mit einer Million Euro je Bank vergleichsweise gering aus. Das Urteil könnte jedoch ein Präzedenzfall werden, da zahlreiche italienische Kommunen ähnliche Geschäfte gemacht hatten. Die Institute kündigten an, gegen das Urteil vorgehen zu wollen.

Am vergangenen Freitag hatte die Deutsche Bank im Ringen mit den Erben von Leo Kirch eine schwere Niederlage erlitten. Das Geldhaus muss nach einem Urteil des Münchner Oberlandesgerichts für Verluste in Folge der Pleite des Kirch-Imperiums 2002 Schadenersatz leisten.

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