Eine Woche nach der Frankfurter Staatsanwaltschaft haben nun die Münchener Strafverfolger die Zentrale des größten deutschen Geldhauses durchsucht. Dabei geht es um den bereits seit mehr als einem Jahr bekannten Vorwurf des Prozessbetrugs gegen ehemalige Vorstände - im Rahmen des Rechtsstreits mit der Familie des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch.
Die Staatsanwaltschaft wirft vier ehemaligen Vorständen der Bank vor, in dem Prozess die Unwahrheit gesagt zu haben. In den vergangenen Wochen seien neue Erkenntnisse aufgetaucht, die zu der Durchsuchung geführt hätten, sagten mehrere mit der Angelegenheit vertraute Personen.
Die Beamten hätten Materialien beschlagnahmt, aber noch niemanden festgenommen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Donnerstag. Die Bank bestätigte die Durchsuchungsaktion. Sie wies den Vorwurf, der sich unter anderem gegen die Ex-Chefs Rolf Breuer und Josef Ackermann richtet, erneut zurück.
Beobachtern zufolge war die Durchsuchung am Mittwoch deutlich kleiner als vor einer Woche, als rund 500 schwer bewaffnete Polizisten Gebäude der Bank filzten. Da ging es um den Vorwurf des Steuerbetrugs im Zusammenhang mit dem Handel von CO2-Verschmutzungsrechten. Dabei wurden fünf Mitarbeiter festgenommen, wovon drei noch in Haft sind. Zudem wird in dem Zusammenhang gegen Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen und Finanzchef Stefan Krause wegen Steuerhinterziehung ermittelt.
Einem Zeitungsbericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge hat das Kreditinstitut die aufsehenerregende Razzia vergangene Woche durch mangelnde Zusammenarbeit mit den Behörden provoziert. Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft habe den Firmenanwalt des Instituts bereits im Juni davor gewarnt, angeforderte Unterlagen nicht länger zurückzuhalten, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Ermittlerkreise. Demnach sei die Warnung einer "dunkelgelben" Karte beim Fußball vergleichbar gewesen. Die Bank habe sich aber weiter geweigert, so umfassend mit den Behörden zusammenzuarbeiten.
Auch die Entschuldigung Fitschens beruhigt die Kritiker nicht
Derweil wollen trotz öffentlicher Entschuldigung von Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen für sein Verhalten nach der Steuerrazzia die Kritiker nicht verstummen. SPD-Chef Sigmar Gabriel verglich Fitschens Beschwerdeanruf bei Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) mit dem Fall von Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Führende Politiker der schwarz-gelben Koalition riefen nach einer Woche der Empörung zur Mäßigung auf, um das Ansehen des größten deutschen Geldhauses nicht weiter zu beschädigen. Zugleich wurde bekannt, dass einer von vier einsitzenden Bankmitarbeitern aus der U-Haft entlassen wurde.
„Ein Politiker hätte bei einem solchen Versuch, die Arbeit von Staatsanwalt und der Polizei durch einen Anruf beim Ministerpräsidenten zu behindern, bereits seinen Job verloren“, urteilte Gabriel in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Offenbar gebe es für Bankvorstände andere Maßstäbe.
Fitschen versicherte im Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Die Unabhängigkeit der Rechtspflege ist auch für mich ein hohes Gut. Sollte mein Anruf in der Öffentlichkeit zu einem falschen Eindruck geführt haben, möchte ich mich dafür ausdrücklich entschuldigen.“
Der 64-Jährige erklärte: „Mein Anruf erfolgte mit guten Absichten.“ Er habe gegenüber Bouffier seine „tiefe Betroffenheit über die Wahrnehmung der Vorgänge im Ausland“ ausdrücken wollen. Schließlich seien die Bilder der Razzia um die ganze Welt gegangen.
Am Mittwoch vergangener Woche hatten 500 Fahnder unter anderem die Zentrale des Dax-Konzerns in Frankfurt durchkämmt. Ermittelt wird wegen schwerer Steuerhinterziehung, Geldwäsche und versuchter Strafvereitelung beim Handel mit Luftverschmutzungsrechten (CO2-Zertifikaten). Fitschen hatte sich über die aus seiner Sicht „überzogene“ Aktion telefonisch bei Bouffier beklagt.
Erneute Niederlage vor Gericht - diesmal in Italien
Der FDP-Fraktionsvize Martin Lindner forderte im „Handelsblatt“, das „Kesseltreiben“ gegen Fitschen zu beenden: „Die Angriffe auf die Institution Deutsche Bank schaden den Interessen Deutschlands.“ Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) mahnte in der Zeitung auch die Ermittler: Auch bei einem so prominenten Unternehmen wie der Deutschen Bank müsse „nüchtern und unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ermittelt werden“.
Rechtsstreitigkeiten der Deutschen Bank
Die Deutsche Bank sieht sich mit diversen Klagen vor allem in den USA und in Deutschland konfrontiert. Eine Übersicht über die Vorwürfe und Verfahren allein seit Anfang 2011, von denen einzelne bereits abgeschlossen sind.
Der Bundesgerichtshof gibt der Deutschen Bank im März 2011 eine schallende Ohrfeige: Sie muss an einen hessischen Mittelständler mehr als eine halbe Million Euro Schadenersatz zahlen. Diesen Betrag hatte der Kläger mit einem komplizierten Zinsswap-Geschäft verloren, das die Bank nach Auffassung des BGH „bewusst zulasten des Anlegers“ konstruiert hatte. In der Folge einigt sie sich mit zahlreichen Kommunen und Unternehmen nach Angaben von Anwälten auf Vergleiche.
In den US-Untersuchungen zur Rolle der Wall Street in der Finanzkrise erhebt ein Senatsausschuss am 13. April 2011 schwere Vorwürfe gegen die Deutsche Bank und Goldman Sachs. Der Deutschen Bank wird vorgeworfen, umstrittene Finanzprodukte aufgelegt zu haben. So habe sie unter anderem einen milliardenschweren verbrieften Hypothekenkredit (CDO) namens „Gemstone 7“ geschnürt und verkauft, bevor der Markt abstürzte. Der zuständige Händler habe gewusst, dass das Paket minderwertige Assets enthalte.
Die EU-Wettbewerbshüter knöpfen sich Ende April 2011 den Handel für Kreditausfallversicherungen (CDS) vor, mit dem sich Investoren und Spekulanten gegen Pleiten von Staaten und Firmen absichern. Die Kartellermittlungen richten sich gegen 16 Investmentbanken, darunter die Deutsche Bank.
Die Deutsche Bank bestätigt Anfang Mai 2011, dass die Stadt Los Angeles eine Klage gegen das Institut im Zusammenhang mit umstrittenen Zwangsräumungen eingereicht hat. Die Bank sei über Tochterunternehmen einer der größten „Slumlords“ der Millionenmetropole, heißt es in der Klageschrift, die Entschädigungszahlungen von mehreren hundert Millionen Dollar nach sich ziehen könnte. Sie habe Hunderte Anwesen verfallen lassen und Menschen zu Unrecht aus ihrem Heim vertrieben.
Die US-Aufsichtsbehörde Federal Housing Finance Agency (FHFA) verklagt am 2. September 2011 17 Banken wegen umstrittener Hypothekengeschäfte, darunter die Deutsche Bank. Die Behörde wirft ihnen vor, beim Verkauf von mit Hypotheken unterlegten Wertpapieren falsche Angaben gemacht zu haben. Der Klageschrift zufolge werden finanzielle Schäden auf Hypotheken-Anleihen über insgesamt fast 200 Milliarden Dollar geltend gemacht - davon entfallen mehr als 14 Milliarden auf die Deutsche Bank. Das Geldhaus weist die Vorwürfe als unbegründet zurück.
Laut „Financial Times“ nehmen die britischen Behörden von der Deutschen Bank und anderen Instituten zusammengestellte Wertpapiere im September 2011 wegen Betrugsverdachts unter die Lupe. Die Untersuchung des Serious Fraud Office (SFO) solle Beweise dafür liefern, dass die Banken ihren Kunden beim Verkauf von forderungsbesicherten Wertpapieren in Großbritannien falsche Informationen geliefert hätten. Laut SFO-Direktor Richard Alderman sind die Ermittlungen schwierig, da die Behörde den Instituten eine Betrugsabsicht nachweisen müsse.
Die Staatsanwaltschaft München durchsucht am 14. November 2011 Vorstandsbüros und die Rechtsabteilung im Zusammenhang mit dem Kirch-Prozess. Gegen den damals noch amtierenden Vorstandschef Josef Ackermann werde wegen des Verdachts auf Prozessbetrug ermittelt. Auch gegen den damaligen Aufsichtsratschef Clemens Börsig, Ex-Vorstandschef Rolf Breuer und den früheren Personalchef Tessen von Heydebreck werde ermittelt. Die Bank und die Betroffenen halten die Beschuldigungen für haltlos und das Vorgehen der Staatsanwaltschaft für unverhältnismäßig.
Die Pleite der US-Finanzfirma MF Global hat für die Deutsche Bank ein juristisches Nachspiel. Zwei US-Pensionsfonds verklagen im November 2011 Abteilungen des Frankfurter Instituts sowie sechs weiterer Geldhäuser, die MF Global bei der Erstellung von Anleihe-Angeboten unterstützt haben. Die Kläger werfen den Banken vor, in den Prospekten Probleme verschwiegen zu haben, die schließlich zum Kollaps des Brokerhauses geführt haben. Mit der Klage nehmen die Fonds vor allem finanzstarke Institute ins Visier, um ihre Verluste nach dem MF-Global-Zusammenbruch auszugleichen.
Sechs Händler werden wegen eines 230 Millionen Euro schweren Umsatzsteuerkarussells mit CO2-Verschmutzungszertifikaten am 21. Dezember 2011 in Frankfurt zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Handel wurde über die Deutsche Bank abgewickelt. Unter den 170 Beschuldigten im Visier der Staatsanwaltschaft sind auch sieben Mitarbeiter der Bank. Gegen sie gibt es noch keine Anklagen, die Bank hat aber 310 Millionen Euro Umsatzsteuerforderungen aus dem CO2-Handel abgeschrieben.
Eine Schadenersatzklage der BayernLB gegen die Deutsche Bank wegen Verlusten mit verbrieften Häuserkrediten (RMBS) in den USA wird am 19. April 2012 bekannt. Die Bank habe beim Verkauf falsche Angaben zur Qualität des Portfolios gemacht, klagt die Landesbank. Viele Banken legen Klage wegen der RMBS ein, um keine Fristen zu versäumen.
Die Deutsche Bank legt ihren wichtigsten Streit mit der US-Regierung um faule Hypotheken in den USA am 10. Mai 2012 bei. Die Bank zahlt in einem Vergleich 202 Millionen Dollar. Die US-Regierung hatte dem Geldhaus und dessen einstiger Immobilientochter MortgageIT vorgeworfen, sich mit falschen Angaben zu faulen Krediten den Zugang zu einem Regierungsprogramm erschlichen zu haben, das für Hypotheken bürgte.
Der milliardenschwere Schadenersatzprozess um die Pleite des Münchener Medienunternehmers Leo Kirch geht im Mai 2012 auf die Zielgerade. Er hatte dem ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer die Schuld am Zusammenbruch seines Imperiums vor mehr als zehn Jahren gegeben. Nach Kirchs Tod betreiben seine Erben den Prozess weiter. Ein vom Gericht vorgeschlagener Vergleich, nach dem die Deutsche Bank rund 800 Millionen Euro gezahlt hätte, ist kurz vorher gescheitert.
Am 6. Juli 2012 wird bekannt, dass die Finanzaufsicht Bafin bei der Deutschen Bank eine Sonderprüfung wegen ihrer möglichen Verwicklung in die Affäre um die Manipulation des Londoner Interbanken-Zinssatzes Libor eingeleitet hat. Weltweit wird in der Sache gegen 16 der 22 Institute ermittelt, die Daten für die Berechnung des Libor geliefert haben. Auch der Euribor-Zinssatz soll manipuliert worden sein.
Die „New York Times“ berichtete am 18. August, dass die US-Behörden die Rolle der Deutschen Bank im Umgang mit Geldern aus dem Iran, dem Sudan und anderen von Sanktionen betroffenen Staaten prüft. Es geht um Geschäfte vor dem Jahr 2008. Die Deutsche Bank ist eine der letzten globalen Finanzfirmen, die unter die Lupe genommen wird. Die Untersuchungen sind aber noch in einem frühen Stadium. Die Bank hat nach eigenen Angaben alle Geschäfte mit dem Iran 2007 eingestellt.
Quelle: Reuters
Nach den Vorwürfen eines ehemaligen Analysten, der der Bank vorwarf, die Bilanz gefälscht und Milliardenverluste versteckt zu haben, kommt es zur Razzia. Am 11. Dezember stürmen Dutzende Polizisten die Deutsche-Bank-Zentrale, verhaften Angestellte und nehmen Ermittlungen auf. Das Brisante: Ausgerechnet der als Vorzeigebanker geltende Co-Chef Jürgen Fitschen rückte ins Visier der Ermittlungen.
Im Zuge der Razzia wurden neue Vorwürfe gegen die Deutsche Bank bekannt. Beim Handel mit Emissionsrechten, sogenannten CO2-Zertifikaten, soll das Institut bewusst die anfallende Umsatzsteuer vorenthalten haben. Ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung musste der Kirch-Verhandlung fernbleiben, weil er wegen des CO2-Falls vorübergehend im Gefängnis sitzt.
Die entsprechende Steuererklärung im Jahr 2009 hat Co-Vorstandschef Fitschen unterschrieben. Von Seiten der Bank heißt es, Fitschen habe das Papier nur durch Zufall unterschrieben und sei für die Vorwürfe nicht verantwortlich.
Am 14. Dezember 2012 kommt es nach zehn Jahren das sensationelle Urteil des Oberlandesgerichts im Streit mit den Erben des Medienmanagers Leo Kirch: Die Deutsche Bank muss Schadenersatz für Verluste in Folge der Pleite des Kirch-Imperiums 2002 zahlen. Die Höhe der Wiedergutmachung sollen zwei Gutachter bestimmen, für deren Benennung beide Seiten bis Ende Januar Vorschläge unterbreiten können. Die Kirch-Seite hatte die Bank in diesem Verfahren auf mehr als zwei Milliarden Euro verklagt. Eine Revision gegen das Urteil ist nicht zugelassen.
Nach der Razzia am 14. Dezember 2012 hätten die Behörden den Konzern aufgefordert, umfangreiche Dokumente zu rund 40 Mitarbeitern zu liefern, um zu klären, inwieweit die Bank an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war, berichtet der "Spiegel". Diese Daten seien jedoch laut Staatsanwaltschaft absichtlich verzögert und unvollständig gesichert übergeben worden, hieß es. So seien 20.000 E-Mails gelöscht und zu neun Mitarbeitern gar keine Mail-Konten übergeben worden.
Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen soll sich in einem Telefonat mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier über den Polizeieinsatz beschwert haben. Der habe sich jedoch geweigert, in laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu intervenieren.
Das seit Juni amtierende Führungsduo der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen und Anshu Jain, hatte einen „Kulturwandel“ in dem Weltkonzern angekündigt. Fitschen zeigte sich im „FAZ“-Interview zuversichtlich, dass der Wandel gelingen kann: „Ich bin überzeugt, dass wir noch enger zusammenrücken werden, um die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen.“
Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hat 25 Beschäftigte im Visier, darunter Fitschen und Finanzvorstand Stefan Krause. Die beiden Vorstände hatten die - später korrigierte - Steuererklärung für das Jahr 2009 unterschrieben. Fünf Mitarbeiter wurden verhaftet, vier davon blieben zunächst in Untersuchungshaft.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Günter Wittig, bestätigte, dass am Dienstagabend einer der vier Untersuchungshäftlinge entlassen wurde. Dies habe die Behörde selbst veranlasst, weil der Haftgrund der Verdunklungsgefahr nicht mehr gegeben sei. Wittig ließ offen, wie es dazu gekommen ist. Denkbar sind eine umfassende Aussage des Beschuldigten oder die Erkenntnis, dass alle notwendigen Beweise gesichert sind. Die drei weiteren U-Häftlinge sitzen nach Angaben der Justiz weiterhin ein. Über die Freilassung des einen Bankmitarbeiters aus der Untersuchungshaft hatte zuerst die „Bild“-Zeitung vorab aus ihrer Donnerstagausgabe berichtet.
Unterdessen musste die Deutsche Bank nach der kürzlichen Schlappe im Kirch-Prozess erneut eine juristische Niederlage hinnehmen. Ein italienisches Gericht verurteilte die größte deutsche Bank gemeinsam mit anderen Banken wegen umstrittener Derivate-Geschäfte mit der Stadt Mailand. Die Strafe fiel mit einer Million Euro je Bank vergleichsweise gering aus. Das Urteil könnte jedoch ein Präzedenzfall werden, da zahlreiche italienische Kommunen ähnliche Geschäfte gemacht hatten. Die Institute kündigten an, gegen das Urteil vorgehen zu wollen.
Am vergangenen Freitag hatte die Deutsche Bank im Ringen mit den Erben von Leo Kirch eine schwere Niederlage erlitten. Das Geldhaus muss nach einem Urteil des Münchner Oberlandesgerichts für Verluste in Folge der Pleite des Kirch-Imperiums 2002 Schadenersatz leisten.