Wer den Job des Bankers im Niedergang sieht, könnte das mit einer einzigen Zahl belegen: Der Durchschnittskunde kommt nur noch einmal im Jahr in die Filiale, zückt aber mehrmals am Tag sein Smartphone, um seine Konto-App aufzurufen. Und in gleichem Maße, wie Banken mangels Kundeninteresse Filialen schließen, bauen sie auch Stellen ab.
Der Boom digitaler und mobiler Bankdienste kann dem Berufsbild des Bankers neues Leben einhauchen, wenden jetzt manche gern ein. Das stimmt auch, doch für den Großteil der Arbeitnehmer stehen erst mal die deprimierenden Zahlen im Vordergrund:
So will der Branchenführer Deutsche Bank etwa 3000 Jobs streichen und aus 723 Filialen 535 machen. Die Commerzbank, Nummer zwei des deutschen Geldgewerbes, spricht zwar nicht von einem Filialabbauprogramm, doch auch bei ihr hat sich die Zahl der Standorte seit dem Kauf der Dresdner Bank 2008 von 1200 auf 1050 reduziert. Besonders radikale Schnitte setzt die HypoVereinsbank an. Sie hat die Zahl ihrer Filialen im Jahr 2015 halbiert. Auch bei den vielen kleineren Sparkassen und Volksbanken sind Filialen und Belegschaft auf dem Rückzug.
So fallen bei den Volks- und Raiffeisenbanken wegen der Fusion der Spitzeninstitute – DZ und WGZ Bank – Stellen weg. Bei den öffentlich-rechtlichen Landesbanken, an denen die Sparkassen neben den Bundesländern mitbeteiligt sind, sieht es nicht besser aus. Die HSH Nordbank muss sich mit Jobstreichungen für die von der EU geforderte Privatisierung aufhübschen und die Beschäftigten der Bremer Landesbank zittern, weil ihr Institut durch die Fusion mit der größeren niedersächsischen Landesbank NordLB gerettet werden muss.
So weit, so schlecht aus Sicht der Arbeitnehmer. Die Zeiten, in denen Bankangestellte mit ihren sicheren Jobs, gepflegten Anzügen und braven Haarschnitten als beliebte Schwiegersöhne galten, sind vorbei. Trotzdem gehen die Gewerkschaften kämpferisch in die zähen Verhandlungen mit den Arbeitgebern und fordern 4,9 Prozent mehr Gehalt für die Banker mit Branchentarifvertrag. Heute geht der Streit in die dritte Runde.
Sparkasse in Zeiten von Minizins und Digitalisierung
Immer mehr Kunden wickeln immer mehr Bankgeschäfte digital ab: Vom heimischen Computer aus, mit der App auf dem Smartphone, online per Videoberatung. Flächendeckende Filialnetze, wie sie Sparkassen und Volksbanken unterhalten, werden zum Kostenfaktor. „Der Kunde geht nicht mehr in die Geschäftsstelle“, konstatierte vor einigen Wochen der bayerische Sparkassenpräsident Ulrich Netzer. Inzwischen komme ein Kunde im Schnitt nur einmal pro Jahr in eine Filiale, nehme aber 108 Mal jährlich online Kontakt auf. Bundesweit leisten sich die aktuell 409 Sparkassen laut nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) 14 451 (Vorjahr: knapp 14 900) Filialen – inklusive Selbstbedienungspunkten. Der Verband rechnet mit einer weiteren Ausdünnung des engmaschigen Netzes. Die Sparkassen in Bayern beispielsweise haben bereits angekündigt, in diesem Jahr bis zu 220 ihrer 2200 Geschäftsstellen zu schließen.
Ganz aufgeben wollen die Institute ihre Präsenz in der Fläche nicht. „Wir werden die Filialen am Ende immer unter zwei Überschriften prüfen: Der Kunde erwartet noch mehr Beratung, Beratungs-Know-how. Die reine Abwicklung gehört immer stärker der Vergangenheit an“, sagte DSGV-Präsident Georg Fahrenschon im März. „Wir sehen einen klaren Trend unsere Filialen in Sachen Beratung noch stärker aufzuladen und zugleich den digitalen Kanal auszubauen.“
Sparkassen verdienten lange gut daran, für Kredite mehr Geld zu kassieren als sie ihren Kunden an Zinsen fürs Sparen zahlten. Doch die Differenz aus den beiden Positionen, der Zinsüberschuss, wird tendenziell kleiner, weil die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf Null gesenkt hat. Sorge bereitet vielen Instituten zudem, dass immer mehr Kunden Gelder kurzfristig parken - während bei Krediten möglichst lange Laufzeiten gefragt sind. Steigen die Zinsen wieder, könnten Kunden ihre Einlagen rasch abziehen.
In der gesamten Branche wird an der Gebührenschraube gedreht. „Die Zeit von weiten Angeboten kostenloser Kontoführung ist aus meiner Sicht vorbei“, sagte Fahrenschon im März. „Wir werden Leistungen bepreisen müssen - und zwar verursachergerecht.“ Auch die genossenschaftlichen Sparda-Banken stimmten auf Preissteigerungen „auf breiter Front“ ein - etwa Gebühren für Überweisungen in Papierform oder die Girocard. Die Noch-Deutsche-Bank-Tochter Postbank arbeitet derzeit an einem neuen Preismodell. Postbank-Chef Frank Strauß sagte der „Welt am Sonntag“, ob das Girokonto kostenlos bleibe, könne er noch nicht sagen. Die Commerzbank will ab 1. Juni von Kunden des bislang kostenlosen Girokontos, die Papierbelege einreichen, eine Gebühr von 1,50 Euro pro Überweisung verlangen.
Noch scheut sich die Branche davor, die Parkgebühr, die ihnen die EZB aufgebrummt hat, an Privatkunden weiterzureichen. Sparkassen-Präsident Fahrenschon mag nicht einmal den Begriff „Strafzins“ in den Mund nehmen. Der ehemalige bayerische Finanzminister betont: „Entscheidend ist, dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, um diesen verheerenden Effekt der Niedrigzinspolitik nicht beim privaten Sparer ankommen zu lassen.“ Auch die Volks- und Raiffeisen zeigen sich bislang eisern: „Wir werden versuchen, das Thema Negativzinsen unseren Privatkunden nicht zuzumuten“, sagt der Präsident des Dachverbandes BVR, Uwe Fröhlich.
Die Sparkasse Oberhausen - ein mittelgroßes Institut - schreckte Mitte März mit der Ankündigung auf, sie schließe Strafzinsen für reiche Privatkunden nicht mehr grundsätzlich aus. Betroffen wären aber nur Kunden, die Geldbeträge im siebenstelligen Bereich anlegen wollen, erklärte ein Sprecher. Denkbar seien in solchen Fällen künftig Verträge, die Strafzinsen erlaubten. Der Sprecher betonte: „Da wird kein privater Sparkunde in absehbarer Zeit betroffen.“ Bereits im Herbst 2014 hatte die Deutsche Skatbank in Thüringen für Aufsehen gesorgt, weil sie EZB-Strafzinsen an ihre Kunden weitergibt - allerdings bis heute nur dann, wenn die Einlagen eines Kunden bei dem genossenschaftlichen Institut drei Millionen Euro überschreiten.
Ein Trost: Völlig freie Hand haben die Institute beim Thema Gebühren nicht - gerade in einem so umkämpften Markt wie Deutschland. „Wer zu stark an der Gebührenschraube dreht, wird angesichts des starken Wettbewerbs allerdings Kunden verlieren“, erklärt Frank-Christian Pauli vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Für zusätzliche Konkurrenz sorgen junge FinTechs, die online auf Kundenfang gehen. Die niedrigen Zinsen haben auf der anderen Seite auch Vorteile für Verbraucher: Kredite, etwa für die Baufinanzierung oder den Autokauf, sind aktuell extrem günstig zu haben.
Auch wenn sie für die Arbeitnehmerseite letztlich erfolgreich verlaufen sollten, sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bankberuf sich deutlich ändert. Neben den einigermaßen abgesicherten und gut bezahlten Tarifbeschäftigten ist ein Bankerproletariat entstanden, dessen Angehörige sich als Angestellte zweiter Klasse fühlen.
Die Rede ist von den tausenden Beschäftigten, die in sogenannte Servicegesellschaften ausgegliedert wurden und werden, in denen kein Tarifschutz gilt. Dort herrschen unkomfortablere Arbeitsbedingungen, knappere Bezahlung und noch mehr Unsicherheit über die Zukunft als bei den Konzernmüttern. In diese auf Effizienz getrimmten Maschinenräume des Bankgeschäfts werden Aufgaben ausgelagert, die standardisiert ablaufen und wenig Flexibilität und Eigeninitiative von den Beschäftigten verlangen.
Nicht ohne Grund sind ihre Standorte oft abseits der Ballungsräume in strukturschwachen Regionen angesiedelt, die sich über jeden Arbeitgeber freuen. Eine Antwort auf die Frage nach der Zukunft des Bankerjobs geben diese Bankfabriken aber nicht. Angesichts des technischen Fortschritts ist es eine Frage der Zeit, bis auch die Jobs in den Servicetöchtern der Digitalisierung und Automatisierung zum Opfer fallen.