„Basel III“ Bankenregulierung mit Trippelschritten

Das neue Eigenkapital-Regime „Basel III“ wird in vielen Ländern deutlich verzögert an den Start gehen. Und auch bei den Plänen für eine EU-Bankenaufsicht hakt es. Nun kommt neue Kritik von Bundesbankchef Weidmann.

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Ben Bernanke, Chef der US-Notenbank Federal Reserve will die Regeln für ausländische Großbanken verschärfen. Quelle: AFP

Frankfurt/New York/Basel/Washington Mehr als vier Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman kommen die Finanzmarktreformen in kleinen Schritten weiter voran. Die US-Notenbank Fed will mit strengeren Kapitalvorschriften für ausländische Banken Ernst machen, wie die Zentralbank am Freitagabend in New York mitteilte. Und die global geltenden neuen und strengeren Eigenkapitalregeln für Banken („Basel III“) sollen - trotz der Verzögerungen unter anderem in den USA - bis Ende 2013 in allen wichtigen Ländern startklar sein. Dies berichtete Schwedens Notenbankchef Stefan Ingves in seiner Rolle als Vorsitzender des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht ebenfalls am Freitagabend.

Das geplante Startdatum 1. Januar 2013 für „Basel III“ wird zwar in vielen Ländern nicht gehalten. Der Basler Ausschuss erwartet jedoch, dass die Nachzügler sämtliche weiteren Schritte zeitgerecht in Kraft setzen. „Bis Ende 2013 würden somit beinahe alle Mitglieder des Basler Ausschusses Basel III entsprechenden dem vereinbarten Zeitplan umsetzen“, sagte Ingves laut Mitteilung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Der Notenbanker sprach von einem „absolut zentralen Schritt zur Stärkung der Widerstandskraft des weltweiten Bankensystems“. Wegen der Vezögerungen hatte sich zuletzt der Europäische Bankenverband EBF für eine Verschiebung stark gemacht.

Nach den „Basel-III“-Regeln, die schrittweise von 2013 bis 2019 eingeführt werden sollen, müssen Banken ihre Kreditgeschäfte mit mehr eigenem Kapital von besserer Qualität absichern. Vermieden werden soll damit, dass abermals Steuerzahler mit Milliarden einspringen müssen, wenn eine Bank wie in der Finanzkrise 2007/08 ins Wanken gerät. Die Top-Wirtschaftsmächte (G20), also auch die USA, hatten sich Ende 2010 verpflichtet, „Basel III“ ab 2013 anzuwenden. Die Vorgängerrichtlinien „Basel I“ und „Basel II“ waren in den USA nicht oder nur in Teilen umgesetzt worden.

Zuletzt hatten Stimmen aus den USA Zweifel genährt, ob es die Amerikaner mit dem wichtigen Projekt ernst nehmen. So hatte der Vizechef der dortigen Bankenaufsicht, Thomas Hoenig, gesagt: „Wir sollten Basel III in seiner aktuellen Form aufgeben.“ Die Bundesbank hatte daraufhin gewarnt, jeder Versuch einer Verwässerung werde „zu neuen Spannungen an den Finanzmärkten“ führen.

Der Name „Basel III“ leitet sich vom Sitz der BIZ, einer Art Zentralbank der Zentralbanken, und dem bei der BIZ angesiedelten Ausschuss für Bankenaufsicht ab.


US-Notenbank dreht an der Regulierungsschraube

In der Mitteilung vom Freitag heißt es, bislang hätten elf Mitglieder des Ausschusses endgültige Regelungen herausgegeben, die am 1. Januar 2013 in Kraft träten. Sieben weitere, darunter die USA und die Europäische Union hätten Entwürfe veröffentlicht und „angegeben, dass sie daran arbeiten, so bald wie möglich endgültige Regelungen herauszugeben“. Wann die Verhandlungen in der EU über ein Gesetzespaket zu „Basel III“ abgeschlossen werden, ist noch offen.

Nach den neuen US-Regeln müssten ausländische Geldhäuser künftig strengere Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften erfüllen. Zudem müssten diese Institute ihre Tochterunternehmen unter einer US-Dachgesellschaft zusammenfassen. Die neuen Regeln sollen für gut zwei Dutzend Institute mit einer weltweiten Bilanzsumme von jeweils mehr als 50 Milliarden US-Dollar (38,2 Mrd Euro) gelten. Diese müssten sich dann auch in den USA Stresstests für den Fall einer schweren Wirtschaftskrise unterziehen. Die Regeln könnten im Juli 2015 in Kraft treten.

Das Direktorium der Fed stimmte am Freitagabend dafür, 90 Tage lang Stellungnahmen zu ihrem Plan einzuholen. Fed-Chef Ben Bernanke sprach von einem „weiteren bedeutenden Schritt“, um die Risiken einzudämmen, die große, vernetzte Finanzinstitutionen für die Finanzstabilität bedeuten. Ziel der neuen Vorschriften sei es, dass ausländische Kreditinstitute im Ernstfall nicht von den amerikanischen Steuerzahlern vor der Pleite gerettet werden müssten, teilte die Federal Reserve mit.

„Der Vorschlag würde ausländische Banken nicht im Verhältnis zu den einheimischen US-Banken benachteiligen“, sagte Fed-Gouverneur Jeremy Stein. Vielmehr sollten damit gleiche Bedingungen für alle geschaffen werden. Dagegen warnte der Weltbankenverband IIF, ausländische Institute könnten sich aus den USA zurückziehen.

Allerdings könnte der Vorstoß der US-Notenbank für Europas Großbanken teuer werden. Analysten gehen davon aus, dass Häuser wie die Deutsche Bank und Barclays mehrere Milliarden Dollar zusätzliches Kapital vorhalten müssen, sollte die Fed sie zwingen, ihr gesamtes US-Geschäft einer Holdingstruktur nach heimischen Standards zu unterstellen. Die Deutsche Bank hatte die Holdingstruktur für ihr US-Geschäft zu Jahresbeginn verschlankt und eine Ebene herausgenommen. Das Geschäft in den USA sei ausreichend kapitalisiert, hieß es damals.

Die US-Töchter von Instituten wie Deutsche Bank und Barclays dürften künftig weniger leicht Kapital an ihre Mutterkonzerne in Deutschland und Großbritannien abgeben und müssten mehr leicht verkäufliche Vermögenswerte in den USA halten. Die Deutsche Bank hatte sich am Donnerstag optimistisch gezeigt, die erwarteten Kapitalanforderungen für ihre US-Töchter zu erfüllen. „Wir sind zuversichtlich, mögliche Lücken beim Kapital von betroffenen Sparten auffüllen zu können“, hatte Deutsche-Bank-Finanzvorstand Stefan Krause bei einer Analystenkonferenz gesagt.


Weidmann kritisiert Pläne für europäische Bankenaufsicht

Die Bundesbank hat auch nach der Einigung auf Details einer europäischen Bankenaufsicht Vorbehalte gegen das Konstrukt. Der „Spiegel“ berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, Juristen der Notenbank monierten nach einer ersten Prüfung des Brüssler Kompromisses aus der vergangenen Woche, dem Projekt fehle „eine dauerhaft tragfähige Rechtsgrundlage“. Neue Gremien wie der geplante Vermittlungsausschuss zwischen Bankenaufsicht und EZB-Rat seien europarechtlich nicht ausreichend abgesichert.

Die Europäische Zentralbank (EZB) soll die Aufgabe als zentraler Bankenaufseher im März 2014 voll übernehmen. Auf deutschen Druck werden nur Europas große, grenzüberschreitenden Institute mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro oder mehr als 20 Prozent der Wirtschaftskraft ihres Heimatlandes direkt kontrolliert. Das betrifft etwa 200 Banken.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann äußert in der aktuellen Ausgabe der „Wirtschaftswoche“ ebenfalls Bedenken: „Ich bin nicht davon überzeugt, dass der EZB-Rat das optimale Gremium ist, um darüber zu entscheiden, ob eine Bank geschlossen werden soll oder nicht.“ Geldpolitik und Bankenaufsicht bei der EZB müssten eindeutig abgegrenzt werden. „Es ist nicht wirklich klar, ob der nunmehr gefundene Kompromiss das leisten kann“, sagte Weidmann.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier attackierte derweil die Bundesregierung wegen ihrer Haltung beim EU-Gipfel. Der Zeitplan für die europäische Bankenaufsicht deute darauf hin, dass „Entscheidungen verschleppt werden sollen auf einen Zeitpunkt nach 2013“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Die Regierung wolle keine Priorität bei den europäischen Sanierungsmaßnahmen setzen, „sondern ihren Wählern unangenehme Wahrheiten ersparen und alles auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschieben“.


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