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Bewertungsmethode So rechnen sich Banken ihre Risiken klein

Die europäischen Banken müssen ihre Eigenkapitaldecke stärken: Entweder sie beschaffen sich frisches Eigenkapital oder sie reduzieren ihr risikotragendes Geschäft. Einige Institute berechnen einfach ihre Risiken neu.

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Gefahr: Toxische Wertpapiere werden jetzt weniger toxisch. Um strengere Kapitalvorgaben zu erfüllen, ändern Banken ihre Bewertungsmethoden. Quelle: Reuters

Frankfurt Die europäischen Banken arbeiten mit Hochdruck daran, ihre Eigenkapitaldecke zu stärken. Wegen der Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone haben die europäischen Behörden angeordnet, dass die Banken bis Ende Juni 2012 ihre Kernkapitalquote auf neun Prozent ihrer risikogewichteten Vermögenswerte erhöhen müssen.

Grundsätzlich haben die Banken zwei Möglichkeiten, die notwendige Kapitallücke zu schließen, die 106 Milliarden Euro beträgt: Entweder sie beschaffen sich frisches Eigenkapital oder sie reduzieren ihr risikotragendes Geschäft. Einigen Instituten ist noch eine dritte Lösung eingefallen: Sie berechnen ihre Risiken einfach neu.

Dahinter steckt folgende Logik: Jede Bank muss ihre Geschäfte mit einer bestimmten Menge Risikokapital unterlegen. Wie viel sie braucht, hängt davon ab, wie hoch die Ausfallwahrscheinlichkeit dieses Geschäfts ist. Wer also sehr risikoreiche Kredite vergibt, braucht mehr Geld, um eine bestimmte Eigenkapitalquote zu erreichen, als eine entsprechend konservative Bank. Die Rechenmodelle der Banken sind aber nicht vorgegeben. Jede größere Bank besitzt ihre eigenen Modelle, die von der Bankenaufsicht abgesegnet werden. So können unterschiedliche Einschätzungen der Risiken zustande kommen.

Um die neue Kapitalquote zu erfüllen, steht bei vielen Banken der Abbau der Risikoaktiva auf dem Programm. Doch der Verkauf von Vermögenswerten ist nicht leicht und eine geringere Kreditvergabe oft ein Politikum. Daher sehen manche Banken in der „Optimierung“ ihrer internen Modelle die Lösung. Konkret heißt das, dass sie durch Neuberechnung die Risiken niedriger ansetzen wollen als davor.

„Der qualitativ anspruchsvollste Weg, die Quote von neun Prozent zu erreichen, ist dies wohl nicht“, kritisiert WestLB-Analyst Neil Smith gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. Überzeugender wäre es, die gleichen Modelle zu verwenden und die risikoreichen Vermögenswerte zu reduzieren. Anleger dürften sich wohl kaum davon überzeugen lassen, dass eine Bank nur deshalb besser dasteht, weil sie neu gerechnet hat.


Auch die Commerzbank erwägt die Anpassung von Risikomodellen

Viele Institute lassen sich davon aber nicht abhalten. So gab die spanische Großbank Santander bei der Präsentation ihrer Quartalszahlen an, ihre Kernkapitalquote alleine durch Überarbeitung der internen Modelle und Optimierung der Risikoaktiva bis Mitte 2012 um 0,7 Prozentpunkte anheben zu können. Das Kapitaldefizit von 5,2 Milliarden Euro reduziert sich so um ganze vier Milliarden. Konkurrent BBVA kann so den Kapitalbedarf um 2,1 Milliarden Euro reduzieren, erklärte Finanzvorstand Manuel Gonzalez Cid kürzlich. Auch britische und italienische Banken überarbeiten derzeit ihre Modelle.

Die spanischen Banken argumentieren, sie hätten in der Vergangenheit eben besonders konservativ gerechnet und würden sich mit der Nachjustierung nun an europäische Standards anpassen. Setzt man das Volumen der Risikoaktiva der Banken ins Verhältnis zur Bilanzsumme, dann gibt es tatsächlich Unterschiede: Santander und BBVA kommen auf relativ hohe Quoten von 45 und 56 Prozent. Bei der Commerzbank macht die Quote dagegen 33 Prozent aus, bei der Deutschen Bank sogar nur 15 Prozent. Je höher die Risikoaktiva im Verhältnis zur Bilanzsumme sind, desto risikoreicher ist die Bilanz – oder desto konservativer hat die Bank gerechnet.

Auch die Commerzbank denkt nach

Doch auch die Commerzbank erwägt die Anpassung von Risikomodellen – sofern sie feststelle, dass sie ihre Vermögenswerte im Vergleich zu anderen Großbanken systematisch schlechter bewerte, wie Finanzvorstand Eric Strutz kürzlich sagte. „Bei der Berechnung der Risikogewichtungen besteht ein gewisser Spielraum“, sagt NordLB-Analyst Michael Seufert. „Allein durch Anpassungen in den Risikomodellen dürften die Banken aber nicht in der Lage sein, die höheren Kapitalanforderungen zu erfüllen.“

Deshalb plant die Commerzbank auch, ihre Kapitalquote durch einbehaltene Gewinne, Verkäufe und durch Einschränkungen im Kreditgeschäft zu erreichen. Um den Banken engere Grenzen zu setzen, genügt es einigen Experten nicht, dass die Aufsicht die Modelle jährlich überprüft. Sie fordern die Einführung einer Leverage-Ratio, die die Bilanzsumme im Verhältnis zum Eigenkapital begrenzt. Ohne Risikogewichtung.

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