Blick in die Bankengeschichte Warum die Deutschen die Sparkasse so schätzen

Seite 10/13

Erhard, Aufschwung, Girokonto

Du hattest es schwer, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder zur Normalität zurückzukehren. In Ostdeutschland schaffte die Regierung Deine dezentralen Strukturen wenige Jahre nach der Gründung der DDR 1949 ab und unterstellte die Institute dem Ministerium der Finanzen. Die Kreditvergabe an Privathaushalte und Unternehmen schränkte sie stark ein.

In Westdeutschland konntest Du als Sparkasse Deine Geschäfte zwar fortsetzen. Bis weit in die 1950er-Jahre aber nutzten die meisten Bundesbürger kaum Bankprodukte. Das änderte sich erst 1957, als immer mehr Unternehmen dazu übergingen, Löhne und Gehälter zu überweisen, statt ihren Mitarbeitern eine Lohntüte zu überreichen.

Dein Girokonto wurde populär. Bis 1958 konntest Du plötzlich 4,7 Millionen Privat- und Geschäftsleute mit einem Girokonto beglücken, zwei Jahre später waren es schon 6,0 Millionen. Du warst Teil des Wirtschaftswunders. Erhard, Aufschwung, Girokonto, das war der Dreiklang unseres damaligen Lebens.

Immer zeigtest Du Dich, trotz aller Beständigkeit, offen für etwas Neues: 1968, in Berlin rebellierte die Apo, da stelltest Du in Tübingen den ersten Geldautomaten Deutschlands auf, im gleichen Jahr wurde auch der Dispokredit eingeführt. In Deinen rund 15.500 Geschäftsstellen stehen heute rund 25.000 Geldautomaten, und ich kenne niemanden, der keinen Dispokredit besitzt.

Du hast Geschichte geschrieben, liebe Sparkasse. Du hast kräftig mitgearbeitet am Aufbau einer modernen Industriegesellschaft, in der das Wort Teilhabe eben mehr ist als eine Vokabel. Wenn vom Sozialstaat die Rede ist, denken Politiker an Rente, Pflegeversicherung und Kurzarbeitergeld. Ich denke auch an die Sparkassen.

Kaum ein Beispiel veranschaulicht Deine Verwurzelung in der Mitte unserer Gesellschaft so deutlich wie die Geschichte der Frankfurter Sparkasse. Sie ist ein sehr altes Institut, das heute direkt unter den Augen der privaten Großkonkurrenz seine Dienste anbietet.

Am 12. Juni 1822 öffnete sie als Tochter der „Polytechnischen Gesellschaft“ ihre erste Geschäftsstelle. Bürger gründeten sie für Bürger der Stadt. Der Beauftragte des Bergrates, Buderus von der Friedrichshütte bei Laubach, trat als Erster ein, um 100 Gulden einzuzahlen auf das „Einlegbüchlein mit der Nummer eins“ auf den Namen „Frankfurter Sonntagsschule für Handwerksgesellen und Lehrlinge“.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%