Blick in die Bankengeschichte Warum die Deutschen die Sparkasse so schätzen

Vor mehr als 200 Jahren begann die besondere Beziehung der Deutschen zum Sparen und ihren Sparkassen. Die Krise stärkt die Sehnsucht nach einer heilen Bankenwelt. Eine Würdigung.

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Die Sparkassen setzen eher auf Sicherheit statt kurzfristiger Renditen. Quelle: dpa

Liebe Sparkasse, bitte verzeih mir. Allzu lange habe ich Dich nicht mehr beachtet. Allzu lange warst Du nur noch das ewige Mauerblümchen für mich. Ich hatte mich verloren an die Erfolgsgeschichten der internationalen Großbanken, war geblendet von den haushohen Entrees aus Glas und Stahl der Frankfurter Bankpaläste, war gefangen vom noblen Glanz der Privatbanken, vom atemlosen Sex der Londoner City, von den Milliardensummen, die an der Wall Street bewegt wurden.

Ich wollte nie so enden wie der Filialleiter der Sparkasse des Dorfes, aus dem ich stamme. Mein Vorbild war Michael Douglas, der Gordon Gekko aus „Wall Street“. Seine Hosenträger wurden meine Hosenträger. Das Sparschwein zum Weltspartag dagegen ist im Lauf der Jahre Teil einer traumatischen Kindheitserinnerung geworden, der Erinnerung an Enge und Vorherbestimmtheit.

Bei Dir sah und sehe ich Teppichboden statt Marmor, ausgebeulte Sakkos statt maßgeschneiderte Anzüge. Deine Schalterbeamten benutzen den Taschenrechner, um zwei Zahlen zusammenzuzählen, Deine Filialleiter fahren Bus statt Porsche. Dein Bonus heißt Prämie, und durch Deine Schalterhallen schreitet nicht der Geldadel, sondern schlurft das einfache Volk.

Dabei hatte es so hoffnungsvoll begonnen zwischen uns: Das blaue Sparbuch, das ich als Achtjähriger in den Händen hielt, besaß einen besonderen Zauber, der mit den Jahren noch zunahm, wenn der Nadeldrucker zeilenweise die am Ende des Jahres aufgelaufenen Zinsbeträge addierte. Mit der ersten Kontokarte fühlte ich mich erwachsen, die 10-Euro-Sondermünzensammlung verwahrte ich an einem Ehrenplatz.

Doch mit den Jahren erkaltete unsere Beziehung. Dass einer Deiner Automaten meine EC-Karte schluckte und es geschlagene drei Monate dauerte, bis ich wieder eine funktionierende Karte in den Händen hielt - kann passieren.

Dass Du mein Haus nicht finanzieren wolltest, weil eine Essener Hypothekenbank ein Achtel Prozent billiger war - geschenkt. Dass jedes Mal, wenn ich einen kompetenten Berater gefunden hatte, der drei Monate später verschwand - das war mühsam, aber so ist offenbar der Lauf des Lebens.

Dein Lieblingswort heißt Sicherheit

Milliarden sind bereits in die Sanierung europäischer Banken geflossen. Die Institute sind deswegen nicht sicherer geworden. Das dicke Ende naht.

Wir hatten viele schwierige Tage. Einmal gab mein Kundenberater private Daten von mir an meinen Vermieter weiter - die Beschwerde verlief im Sande. Ich erinnere mich auch, wie ich einen ganzen Nachmittag lang - mit dem Verkäufer eines Oldtimers im Schlepptau - durch diverse Deiner Filialen tingeln musste, bis ich einen Berater fand, der mir die benötigte Summe von 6000 Euro auszahlen konnte, die sich zwar auf meinem Konto befand, aber über der zulässigen „Tageshöchstauszahlungssumme“ lag. Ich habe Dich gehasst - schon für dieses Wort.

Das sind die größten Banken Europas

Zur ernsten Krise führte dann eine Beratung im Wertpapieranlagecenter der Stadt Köln kurz nach der Jahrtausendwende. Von einer Erbschaft wollte ich einen stattlichen Betrag anlegen. Drei Unternehmen hatte ich mir ausgeguckt: eine kleine, aber kultige Computerfirma namens Apple, einen breit aufgestellten asiatischen Technikkonzern mit dem Namen Samsung und eine relativ neue Suchmaschine namens Google, die demnächst an die Börse gehen würde.

Dein Anlagespezialist, ein freundlicher, etwas rotgesichtiger älterer Herr, wog bedächtig mit dem Kopf und riet mir ab, in diesen neumodischen Technikkram zu investieren. Und überhaupt, der Wechselkurs und so. Stattdessen empfahl er mir hauseigene Immobilienfonds und riet mir zu einem Bonussparplan. „Damit können Sie nichts falsch machen.“

Dummerweise habe ich damals darauf gehört - und damit alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Die wissen schon, was sie tun, dachte ich. Doch diese Überzeugung schwand in den nächsten Jahren - jedes Mal, wenn ich auf den Aktienkurs der Unternehmen schaute, die ich auf Deinen Rat hin nicht gekauft hatte.

Jedes Mal war ich ein Stück mehr davon überzeugt, dass Du von Deinem Geschäft zu wenig verstehst. Ich versuchte, mich nicht zu ärgern. Als die 90.000 nicht in Aktien angelegten Euro die Millionengrenze überschritten hätten, sagte ich Dir innerlich Lebewohl.

Andere Mütter haben auch schöne Töchter, dachte ich mir. Du und ich, wir haben nun mal eine andere Vorstellung vom Leben - vom Risiko, von Chancen, vom Wohlstand. Dein Lieblingswort heißt Sicherheit, mein Lieblingswort heißt Lebensfreude.

Sparkasse ist ein Stück Heimat

Die Forderungen der deutschen Banken und Versicherungen in Spanien
HSH Nordbank: Die HSH Nordbank ist per Stichtag 31. März mit insgesamt 176 Millionen Euro in spanischen Staatspapieren engagiert. Das umfasst laut Bank klassische Staatsanleihen ebenso wie staatlich abgesicherte Kredite an staatsnahe Betriebe. Quelle: dapd
WESTLB: Die Engagements der WestLB in Spanien (Staatsanleihen) liegen bei 727 Millionen Euro, bei der Ersten Abwicklungsanstalt EAA in Düsseldorf sind es für den gesamten öffentlichen Bereich (public finance, also Staat, Gebietskörperschaften, Kommunen) 1,18 Milliarden Euro. Quelle: dpa
NORDLB: Die Norddeutsche Landesbank war zum Ende des ersten Quartals (31. März) noch mit 499 Millionen Euro in Spanien engagiert. Details sollen voraussichtlich bei der Vorstellung der Geschäftszahlen am Donnerstag bekanntgegeben werden. Quelle: dpa
BAYERNLB: Die Bayerische Landesbank hat keine spanischen Staatsanleihen in den Büchern. Allerdings summieren sich dem Geschäftsbericht 2011 zufolge die nach Spanien insgesamt vergebenen Kredite auf knapp 5,8 Milliarden Euro. Quelle: dpa
MUNICH RE: Der weltgrößte Rückversicherer ist laut Quartalsbericht in dem Land mit rund 1,4 Milliarden Euro in Staatspapieren engagiert. Weitere 4,6 Milliarden Euro stecken in Pfandbriefen. Bei spanischen Banken ist der weltgrößte Rückversicherer nur mit 14 Millionen Euro engagiert. Zur Höhe der Beteiligung etwa an spanischen Unternehmensanleihen, macht die MunichRe keine Angaben. Quelle: dpa
ALLIANZ: Die Allianz hatte zum Ende des ersten Quartals spanische Staatsanleihen im Wert von rund 4,3 Milliarden Euro in den Büchern stehen. Quelle: dpa
HRE: Die verstaatlichte Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) hält keine spanischen Staatspapiere, aber Papiere etwa von Kommunen oder staatsnahen Unternehmen im Wert von rund 4,5 Milliarden Euro. Dazu kommen 600 Millionen Euro für die Finanzierung gewerblicher Immobilien. Quelle: dapd

Ich habe Dich verlassen. Und ging zu denen, die von allem mehr versprachen: mehr Glanz, mehr Weltgewandtheit, mehr Rendite. Doch um es abzukürzen: Mit ihnen wurde ich auch nicht glücklich. Der schöne Schein verblasste, spätestens an dem Tag, an dem in den USA das von deutschen Auswanderern gegründete Bankhaus Lehman zusammenklappte und die Welt in eine Finanzkrise stürzte.

Ich musste erfahren, dass meine neuen Freunde weniger Sicherheit boten und weniger Vertrauen verdienten als Du. Gesellschaftlich verantwortbar schienen mir deren Praktiken plötzlich auch nicht mehr. Je länger die Krise dauerte, desto mehr Skandale kamen zum Vorschein.

Das sind die größten Banken der Welt

Immer noch werden reihenweise ehemalige Branchenstars gefeuert, zuletzt Barclays-Chef Bob Diamond. Oder geraten in Erklärungsnot wie Anshu Jain, der starke Mann an der Spitze der Deutschen Bank. Und immer noch müssen Großbanken reihenweise Milliardenlöcher oder unsaubere Geschäfte einräumen - zuletzt die spanische Bankia mit ihren faulen Immobilienkrediten oder die britische Barclays mit der Manipulation des Libor-Zinses, des wichtigsten kommerziellen Zinssatzes weltweit.

So bin ich in letzter Zeit, liebe Sparkasse, wieder näher zu Dir gerückt. Durch die Distanz habe ich erfahren, dass nicht alles schlecht ist an Dir. Du bist gut beleumundet. Du bist gleich nebenan - mehr als 15.000 Filialen hast Du in Deutschland. Und das nicht nur in großen Städten - selbst im abgelegensten Schwarzwald-Dorf gibt es noch einen Geldautomaten mit dem weißen S auf rotem Grund.

Die Sparkasse ist ein Stück Heimat für viele. Das weiß auch Klaus Fischer, der Chef des gleichnamigen Dübel-Imperiums, den ich neulich traf: „Unser Unternehmen hat sich in Bezug auf das Inlandsgeschäft in den letzten Jahren auf die Kreissparkassen und die BW-Bank konzentriert, die auch zur Sparkassengruppe gehört. Grund dafür ist das in vielen Jahren gewachsene Vertrauen.“

Er schätzt vor allem, so sagt er, den persönlichen Kontakt zu den Verantwortlichen. Seine Erfahrungen mit Deiner Konkurrenz umschreibt er vorsichtig so: „Auch in für uns schwierigen Jahren konnten wir uns auf die Sparkassen verlassen, im Gegensatz zu anderen Instituten.“

Das Thema Vertrauen ist ganz wichtig, liebe Sparkasse - nicht nur für den prominenten Unternehmer, sondern auch den ganz normalen Bürger. Wenn Du hörst, wie Deine Kunden von menschlicher Beratung und kulanten Regelungen schwärmen, müsste Deine Brust vor Stolz schwellen: In diesen Aussagen findet sich noch etwas von der einstmals heilen Welt der Banken wieder, in der es noch Bankiers und keine Banker gab.

Diese Sehnsucht ist durch die Krise noch verstärkt worden - und Du hast, vielleicht als Einzige, das Potenzial, diese Sehnsucht zu erfüllen. Kein Wunder, dass Du rund 50 Millionen Kunden hast - und dass fast die Hälfte der Deutschen Dich als Hauptbank ansehen.

Von Menschen gemachtes Bankgeschäft

Geschäfte, die man versteht, mit Kunden, die man kennt: Aber die Sparkassen sind oft weit entfernt vom Puls der Zeit.

Ja, auch Du hast gesündigt. Auch bei Dir steigt der Verkaufsdruck, weil Du Deine vielen Mitarbeiter bezahlen musst. Auch bei Dir werden Spekulationspapiere verkauft. Auch bei Dir haben sich einzelne Geldhäuser, vorneweg die Sparkasse Köln-Bonn, mit allzu viel Risiko nahe an den Abgrund getrieben.

Das Entscheidende aber ist: Die Grundstruktur Deines Geschäfts ist in Ordnung. Du verkehrst täglich mit dem deutschen Mittelstand, dem Rückgrat unserer Wirtschaft. Gut 40 Prozent aller Unternehmenskredite in Deutschland kommen aus Deinen Tresoren einschließlich der Landesbanken.

Die Großbanken liegen bei mageren 13 Prozent. Viele wirklich mittlere Mittelständler haben ihre Hauptkonto bei der Sparkasse. Und die kleineren sind erst recht bei Dir zu Hause, wenn sie nicht bei den Volks- oder Raiffeisenbanken unterschlüpfen.

Kein Mangel an Nachwuchs

Seien wir ehrlich: Das liegt auch an mangelnder Konkurrenz. Private Banken lassen sich in kleineren Städten kaum noch blicken - und wenn, suchen sie dort eher nach reichen Privatkunden als nach Geschäftsleuten. Für die Großbanken fängt „Mittelstand“ meist erst bei ziemlich großen Unternehmen an, denen man außer Krediten noch eine Menge Zusatzgeschäft anbieten kann, etwa im Devisenbereich, weil sich der Kunde sonst „nicht lohnt“.

Bei Dir wird das Bankgeschäft noch von Menschen gemacht. Über 360.000 Mitarbeiter arbeiten für Dich, mehr als 23.000 Auszubildende. Und die müssen hart für ihr Geld arbeiten. Ihren Personalaufwand, geteilt durch die Anzahl der Mitarbeiter, gibt die Deutsche Bank in ihrem Geschäftsbericht mit 130.000 Euro im Jahr an - Du, liebe Sparkasse, kommst mit rund einem Drittel aus. Keiner Deiner Leute führt ein goldgerändertes Leben auf Kosten der Kunden.

Obwohl die fetten Gehälter eher bei den Großbanken zu verdienen sind, mangelt es Dir nicht an Nachwuchs. Auch in der Finanzbranche ist Geld schon lange nicht mehr alles. Beispiel Stephan Gundlach. Eigentlich wollte er Architekt werden.

Doch als Freunde ihm von ihrer Ausbildung bei der Sparkasse erzählten, da erfuhr der Schüler aus Moers, dass es auch noch andere Möglichkeiten gibt, etwas zu gestalten. Der heute 20-Jährige entschied sich nach dem Abitur 2011 für eine Banklehre in einer Deiner Düsseldorfer Filialen.

Sparkassen tragen Erbe der deutschen Geschichte weiter

Die Geldinstitute mit dem roten S-Logo verkünden Rekordergebnisse und feiern sich als Gewinner der Finanzkrise. Ihr Erfolg ist jedoch bedroht, die Stabilität gefährdet.
von Cornelius Welp

Nah dran am einzelnen Privatkunden, aber auch am großen Firmenkunden, das machte für ihn den Reiz aus. Den Vorstand sieht der Auszubildende im zweiten Lehrjahr nicht nur ab und zu auf den Titelseiten der Zeitungen, sondern regelmäßig in der Kantine. Zu Ausbildungsbeginn wurden Gundlach und seine 57 Kollegen persönlich begrüßt. Er weiß bereits jetzt, dass er nach der Ausbildung übernommen wird - und er wird bleiben.

Auch Karin-Brigitte Göbel gehört zu Deinen Fans. Die 53-Jährige ist seit 2009 für das Firmenkundengeschäft der Stadtsparkasse Düsseldorf verantwortlich. „Ich möchte Dinge gestalten, etwas bewirken, eine Region mitentwickeln. Und auch selbst entscheiden“, sagt die gebürtige Bochumerin, die zuvor im Vorstand der Taunus-Sparkasse in Bad Homburg gearbeitet hat und irgendwann gerne einen Vorstandsvorsitz übernehmen würde.

Dass die Menschen sie häufig in ihrer Freizeit ansprechen, auf ein Problem hinweisen oder um einen Termin bitten, das nimmt sie nicht nur in Kauf, im Gegenteil: Sie weiß es mittlerweile zu schätzen. Auch dass viele Menschen in ihrer Stadt sie erkennen - im Restaurant, im Museum, beim Einkaufen.

Die größte Sparkasse nach "Fläche"

Göbel kennt auch die andere Seite, die der privaten Banken. Sie hat ihre Ausbildung bei der Deutschen Bank gemacht, danach war sie für die amerikanische „Chase Bank“ mehrere Jahre in London. Aber nachdem sie lange Zeit aus dem Koffer gelebt und Städte, Wohnungen und Freunde immer wieder hinter sich gelassen hatte, war ihr klar: Für sie ist der regionale Weg der richtige. „Mir ist es wichtig, nie die Bodenhaftung zu verlieren.“

Die war für Dich schon seit jeher wichtig. Besonders schön und groß zeigst Du Dich in Wiesbaden, wo Du Dich Nassauische Sparkasse nennst, mit einem Geschäftsgebiet vom Hochtaunus über Frankfurt bis zum Stammsitz Wiesbaden und der Rhein-Lahn-Region - eine größere Fläche als diese 4200 Quadratkilometer deckt keine andere Sparkasse ab.

Dort besitzt Du mit Schloss Vollrads sogar einen stattlichen Landsitz mit Weinbergen - ein Beispiel dafür, dass Du keineswegs nur klein und angestaubt daherkommen kannst, sondern mit ebenso viel Stolz wie private Banken und oft noch älterer Tradition.

Denn Deine Häuser tragen letztlich ein Erbe der deutschen Geschichte weiter, die bis ins 19. Jahrhundert hinein von Kleinstaaten geprägt war und eine bis heute lebendige, kleinräumige wirtschaftliche und kulturelle Struktur hinterlassen hat.

Gemeinwohlorientierung steht im Vordergrund

Bis heute ist Deine Stärke der Kontakt vor Ort. In Westerburg, tief im Westerwald, betreibst Du eines Deiner 19 Private-Banking-Center. Frank Kalter liebt Standorte wie diesen. „In dieser Ecke haben wir keine Konkurrenz vor Ort“, sagt der 50-jährige Leiter des Vertriebsmanagements für Privatkunden. „Aktuell profitieren wir sehr von der Krise der Großbanken, der Wechselwille ist hoch. Das ist ein Riesenglück für uns.“

Viele Kunden, führt er aus, haben den Eindruck, ihre Interessen werden bei den großen Häusern nicht angemessen berücksichtigt. Bei den Großbanken kommen 400 bis 500 Kunden auf einen Betreuer, bei Dir sind es nur 100 bis 120. Eine der Lehren, die Kalter aus der Finanzkrise gezogen hat, lautet: „Bei uns geht nichts mehr raus, was der Kunde nicht versteht. Zertifikate verkaufen wir so gut wie gar nicht mehr.“

Damit, liebe Sparkasse, dass Du Dich in der Krise auf Deinen größten Vorzug besinnst, die Kundennähe, könntest Du wieder zu der Macht in Deutschland werden, die Du einmal warst. Das Potenzial dazu hast du: Du und Deinesgleichen, ihr bildet ein Reich für sich, zu dem auch noch die Landesbanken, die Deka, Deutschlands größte Fondsgesellschaft, und die Provinzial-Versicherungen gehören. Alles zusammen bildest Du mit Abstand die größte Finanzgruppe im Land.

Das Prinzip der "Gemeinnützigkeit"

Und Du bist eine sehr deutsche Einrichtung, nicht nur wegen Deiner föderalen, kleinräumigen Struktur und Deiner Tradition. Du leistest Dir inmitten der knallharten Marktwirtschaft eine Philosophie, die in jeder anderen Branche nur noch belächelt würde: Du hältst das Prinzip der „Gemeinnützigkeit“ hoch. „Sparkassenwesen steht für die Idee, möglichst allen Zugang zu Finanzdienstleistungen zu eröffnen bei gleichzeitiger Gemeinwohlorientierung“, sagt Dein Präsident Georg Fahrenschon über Dich.

Natürlich stehen Deine Institute im Wettbewerb und müssen ordentliche Renditen erwirtschaften, um ihre Bilanzen in Ordnung zu halten. Aber die Rendite ist kein Selbstzweck für Dich. Das zeigt schon ein Blick auf Deine Zahlen. Bei der Bilanzsumme begegnest Du der Deutschen Bank auf Augenhöhe: Sie kommt mit 2,1 Billionen Euro daher, Dein Sektor sogar mit 2,6 Billionen.

Aber im vergangenen Jahr machte sie einen Gewinn nach Steuern von mehr als vier Milliarden Euro, bei Dir waren es nur 1,6 Milliarden. Vorher hattest du knapp 3,5 Milliarden Steuern bezahlt - die Deutsche Bank nur gut eine Milliarde. Die Deutsche Bank macht das große Geld im Ausland, da fällt für den deutschen Steuerzahler nicht so viel ab.

Du unterstützt so gut wie jedes Konzert in der Region

Dazu kommt, dass Du, jedenfalls nach eigenem Verständnis, gar keinen richtigen Eigentümer hast. Private Banken sind ihren Aktionären oder privaten Bankiers verpflichtet, Volks- und Raiffeisenbanken haben sich dem „Nutzen“ ihrer Genossen und Kunden verschrieben.

Du und Deinesgleichen aber existiert als Körperschaften öffentlichen Rechts sozusagen freischwebend. Du gehörst den Städten und Kreisen nicht, sie sind nur Deine „Gewährträger“. Sie stehen für Dich ein, statten Dich aber in der Regel nicht mit Kapital aus. Dein Geld musst du weitgehend selbst aus Deinen Gewinnen ansammeln. Aber Du beanspruchst oft auch keine nennenswerten Ausschüttungen.

Darüber lässt sich reichlich streiten, liebe Sparkasse. Viele Städte und Gemeinden, gerade im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen, sind praktisch pleite, brauchen also dringend Geld. Darum stellt sich immer drängender die Frage: Warum zahlen die Kassen keine ordentlichen Dividenden?

An manchen Orten bist Du einsichtig. Zum Beispiel bekam die Stadt Nürnberg im Jahr 2010 erstmals Geld von Dir. Auch die Stadt Duisburg zeigte Begehrlichkeiten. Als sie im Mai verzweifelt nach Auswegen aus der Haushaltsmisere suchte, standest neben der Kündigung eines Vertrags mit der Düsseldorfer Oper und einer Anhebung der Grundsteuer auch Du auf der Liste: Mit Ausschüttungen solltest Du zur Sanierung des Haushalts beitragen. Meine Sparkasse - die Retterin in der Not?

Lieber Wohltäter sein

Nein, Du bist gegenüber solchen Forderungen traditionell zurückhaltend. Du willst lieber als Wohltäter auftreten. Und das tust Du schon lange, lässt Dich Dein Engagement rund eine halbe Milliarde Euro jährlich kosten. Zum Vergleich: Die Deutsche Bank kommt nur auf gut 80 Millionen. Du unterstützt so gut wie jedes Konzert und jede Ausstellung in der Region, viele Museen, Sportveranstaltungen und Jugendwettbewerbe.

Du bist so etwas wie der reiche Onkel der kommunalen Familie - und fühlst Dich in dieser Rolle auch sehr wohl. Denn, argumentierst Du, über Sponsoring kommt das Geld viel unbürokratischer und sachbezogener an als über eine Ausschüttung - und dann versteuert - in den städtischen Haushalt und von dort über politische Kanäle in Bereiche wie Kultur und Sport. Die Stadträte mögen das zum Teil anders sehen, waren aber, solange die schiere Finanznot nicht zu groß wurde, meist auch ganz zufrieden mit diesem System.

Das Prinzip der Gemeinnützigkeit hat es Dir ermöglicht, Augenmaß zu bewahren. Ich bin sicher, dass es Dir manchmal in den Fingern gejuckt hat, den Riesengewinnen des Investment-Bankings hinterherzujagen - aber Teil des weltweiten Kasinobetriebs warst Du selbst nie.

Nur bei Deinen Töchtern, den Landesbanken wie der WestLB, warst Du nicht aufmerksam. Deren Banker spielten im weltweiten Kasino mit hohem Einsatz - und verloren. Die Milliarden-Rechnung zahlen wir Steuerzahler und Du gemeinsam.

Bei dir mischen sich öffentliche und private Sphäre

Langweilig, aber kann nicht pleitegehen: Das Logo einer Sparkasse in München wird gereinigt Quelle: dpa

Damit wären wir wieder bei der Finanz- und Schuldenkrise, die uns seit Jahren plagt. Kurz gesagt, lässt sich die Ursache für beide Krisensymptome - den Beinahezusammenbruch des Finanzsystems 2008 und die heute drohende Auflösung der Euro-Zone - auf eine Formel bringen: „Im Kern geht es um zu hohe Verschuldung und zu wenig Ersparnisse.“

Dieser Satz, den ich beim amerikanischen Historiker Sheldon Garon gelesen habe, lässt mich nicht mehr los. Garon hat das Buch „Beyond Our Means“ - „Über unsere Verhältnisse“ - geschrieben. Riesige Kreditüberhänge finden ihr Spiegelbild in undurchschaubaren, spekulativen Anlageinstrumenten, die vom Volumen her das solide Sparen, mit dem solide Investitionen finanziert werden, in den Schatten stellen.

Auch aus diesem Blickwinkel bildest Du, liebe Sparkasse, das Gegenbild zu den großen privaten Instituten, die darauf ausgelegt sind, möglichst große Gewinne einzufahren und deshalb schnell das Maß zu verlieren drohen.

Du gehörst zu einem besonderen Reich, meine Sparkasse. Einem Reich, in dem sich auf eigentümliche Weise die öffentliche und die private Sphäre mischen. Du bist damit eine deutsche Besonderheit. Anders als die Geschäftsbanken wolltest Du von Anfang an sein.

Anders als die Geschäftbanken

Jahrhundertelang hatten die feinen Bankiers fast ausschließlich mit Kaufleuten, Händlern oder Herrschern Geschäfte gemacht. Der einfache Mensch von nebenan, die breite Bevölkerung, Menschen wie ich, bekamen keinen Zugang zu Banken und nicht die Möglichkeit, Geld anzulegen oder auszuleihen. Das änderte sich dank Dir.

Wie ich nachgelesen habe, waren es im 17. Jahrhundert französische und britische Intellektuelle wie der Schriftsteller Daniel Defoe, die erstmals dafür eintraten, auch ärmeren Bürgern die Möglichkeit zu geben, für schlechte Zeiten vorzusorgen. Richtig durchgesetzt hat sich der Gedanke aber erst in Deutschland - und hier ist er auch noch stärker in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben.

Eine der ersten Geldhäuser Deiner Art war die Bezirkssparkasse Salem in Baden-Württemberg. Abt Anselm II vom Zisterzienserkloster Salem gründete sie 1749 als „Ordentliche Waisenkassa“. Der Abt wollte verhindern, dass Waisengelder verschwendet oder zu falschen Zwecken ausgegeben wurden. Die bei der Verwaltung dieser Gelder erwirtschafteten Überschüsse wurden für gemeinnützige Zwecke verwendet. So, wie Du das auch heute noch machst.

Dieser Grundgedanke zog Kreise. Die „Ersparungscasse“ der „Hamburgischen Allgemeinen Versorgungsanstalt“ entstand, gegründet 1778 von Geistlichen, Gelehrten und wohlhabenden Kaufleuten, um die Verbreitung von Armut zu bekämpfen. Dass sich die sozialen Probleme verschärften und Armut zu einem Massenphänomen wurde, gab der Idee zusätzlichen Auftrieb.

Du bist langweilig, aber Du kannst nicht pleitegehen

Symbol für die Mittel der Gesellschaft: Die Sparkasse, hier in Düsseldorf Quelle: dpa

Mit der Zeit kamen auch Handwerksgesellen, Kaufmannsgehilfen, Dienstboten oder Industriearbeiter zu Dir, um ihr Geld anzulegen. Bald schritten auch ehrbare Kaufleute oder stolze Handwerksmeister durch Deine heiligen Hallen - nicht um Geld anzulegen, sondern um Kredite für ihre Geschäfte zu erhalten.

1801 schuf die Stadtgemeinde Göttingen Dein bis heute heiliges Prinzip der Gewährträgerhaftung: Es entstand die erste Sparkasse, für deren Verbindlichkeiten die Stadtgemeinde eine Garantie übernahm. Ein solches Institut, hinter dem Vater Staat stand und heute noch steht, war und ist sicherer als sicher.

Du bist langweilig, aber Du kannst nicht pleitegehen. Du bist von Geburt an angeschlossen an den großen staatlichen Rettungsschirm, auch wenn das Wort Rettungsschirm damals natürlich noch nicht erfunden war.

Schnell beliebt

So wurdest Du schnell sehr beliebt; bis 1836 gab es in Deutschland 281 Sparkassen, 1900 waren es schon fast zehnmal so viele. Und Du entwickeltest Dich weiter: 1909 entstand in Sachsen das erste Überweisungsnetz, das bald auch im ganzen Reich die Sparkassen miteinander verband.

Durch die Einlagen Deiner Kunden wurdest Du zu einem wichtigen Faktor der Industrialisierung. Besonders im privaten Wohnungsbau und im Aufbau der Infrastruktur spieltest Du eine Rolle, aber auch bei der Finanzierung der Staatsausgaben: Im Ersten Weltkrieg begann in Deinen Schalterhallen der Verkauf von Kriegsanleihen an die Bevölkerung.

Aber ich will Dir nicht nach dem Munde reden. Deine Geschichte ist nicht nur glorreich. Dem Nazi-Regime konntest auch Du Dich nicht entziehen. Im Zweiten Weltkrieg machte sich die Hitler-Regierung die Spargroschen der Deutschen zunutze. Du, liebe Sparkasse, verkauftest Kriegsanleihen und warbst mit Kampagnen wie dem „Hitlerjugend-Sparen“ oder dem „Gefolgschaftssparen“ um Gelder. Deine weiße Weste war braun geworden.

Erhard, Aufschwung, Girokonto

Du hattest es schwer, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wieder zur Normalität zurückzukehren. In Ostdeutschland schaffte die Regierung Deine dezentralen Strukturen wenige Jahre nach der Gründung der DDR 1949 ab und unterstellte die Institute dem Ministerium der Finanzen. Die Kreditvergabe an Privathaushalte und Unternehmen schränkte sie stark ein.

In Westdeutschland konntest Du als Sparkasse Deine Geschäfte zwar fortsetzen. Bis weit in die 1950er-Jahre aber nutzten die meisten Bundesbürger kaum Bankprodukte. Das änderte sich erst 1957, als immer mehr Unternehmen dazu übergingen, Löhne und Gehälter zu überweisen, statt ihren Mitarbeitern eine Lohntüte zu überreichen.

Dein Girokonto wurde populär. Bis 1958 konntest Du plötzlich 4,7 Millionen Privat- und Geschäftsleute mit einem Girokonto beglücken, zwei Jahre später waren es schon 6,0 Millionen. Du warst Teil des Wirtschaftswunders. Erhard, Aufschwung, Girokonto, das war der Dreiklang unseres damaligen Lebens.

Immer zeigtest Du Dich, trotz aller Beständigkeit, offen für etwas Neues: 1968, in Berlin rebellierte die Apo, da stelltest Du in Tübingen den ersten Geldautomaten Deutschlands auf, im gleichen Jahr wurde auch der Dispokredit eingeführt. In Deinen rund 15.500 Geschäftsstellen stehen heute rund 25.000 Geldautomaten, und ich kenne niemanden, der keinen Dispokredit besitzt.

Du hast Geschichte geschrieben, liebe Sparkasse. Du hast kräftig mitgearbeitet am Aufbau einer modernen Industriegesellschaft, in der das Wort Teilhabe eben mehr ist als eine Vokabel. Wenn vom Sozialstaat die Rede ist, denken Politiker an Rente, Pflegeversicherung und Kurzarbeitergeld. Ich denke auch an die Sparkassen.

Kaum ein Beispiel veranschaulicht Deine Verwurzelung in der Mitte unserer Gesellschaft so deutlich wie die Geschichte der Frankfurter Sparkasse. Sie ist ein sehr altes Institut, das heute direkt unter den Augen der privaten Großkonkurrenz seine Dienste anbietet.

Am 12. Juni 1822 öffnete sie als Tochter der „Polytechnischen Gesellschaft“ ihre erste Geschäftsstelle. Bürger gründeten sie für Bürger der Stadt. Der Beauftragte des Bergrates, Buderus von der Friedrichshütte bei Laubach, trat als Erster ein, um 100 Gulden einzuzahlen auf das „Einlegbüchlein mit der Nummer eins“ auf den Namen „Frankfurter Sonntagsschule für Handwerksgesellen und Lehrlinge“.

Wer nur auf Zinsen schielt, muss wechseln

Deine Kunden, liebe Sparkasse sind hier in Frankfurt auch heute noch sehr konservativ, das gibt Dein Anlageberater Matthias Strathmann unumwunden zu. Er arbeitet schon seit 30 Jahren für Dich. Für Plauderstündchen, wie sie früher üblich waren, wo Kunden oft nur ein bisschen reden wollten und als „Bestechung“ für den Kundenbetreuer, der damals noch Bankbeamter hieß, ein Stück Kuchen mitbrachten, bleibt ihm heute weniger Zeit.

Insgesamt, sagt er, sei das Geschäft im Vergleich zu früher deutlich nüchterner und standardisierter geworden. Eine ausführliche Beratung kann zwar immer noch zwei Stunden dauern, das liegt heute aber vor allem an den vielen Formalitäten, die die Sparkasse genauso erledigen muss wie jede internationale Bank auch. Doch Deine Kunden, sagt Strathmann, schätzen die Sicherheit der Sparkasse.

Und wenn sich jemand beschwert, wie neulich eine alte Dame, dass die Deutsche Bank mehr Zinsen bietet, dann sagt er ihr: „Wenn es Ihnen nur auf die Zinsen ankommt, müssen Sie wechseln.“ Meistens bleiben die Kunden dann doch bei Dir. Die Sparkasse war, das hält ihr jeder zugute, noch nie in Zinsmanipulationen verwickelt. Ihr Vorstand fliegt nicht Learjet und seine Muttersprache ist Deutsch.

Spanische Sparkassen Kern der Kreditkrise

Typisch deutsch ist aber noch etwas anderes: Sparkasse kommt von „Sparen“. Und Sparen ist das Gegenteil von „auf Pump leben“. Und es ist auch nicht verwandt mit dem Wort „Spekulieren“.

Der Spekulation setzt Du den Weltspartag dagegen. Der Weltspartag wurde 1924 auf dem 1. Internationalen Sparkassenkongress in Mailand beschlossen. Aber Du machtest diesen Weltspartag zu Deinem Markenzeichen. Damals, in den 1920er-Jahren, war das Vertrauen der Deutschen in den Wert des Geldes und in die Währungsstabilität wegen der Währungsreform von 1923 schwer beschädigt. An Sparen dachte daher kaum jemand.

Der Weltspartag sollte das ändern und bereits Kinder zu fleißigen Sparern erziehen. Besonders für die deutschen Banken spielte er deswegen eine große Rolle. Und für die Sparkassen besonders. Auch ich bin früher, als Kind, jedes Jahr mit meiner vollen Spardose zu Dir gepilgert.

Noch heute habe ich das Prasseln der Münzen im Zählautomaten im Ohr. Und die Bilderbücher, die ich als Belohnung vom Sparkassendirektor bekam, stehen noch heute im alten Bücherregal unter der Kellertreppe. Auch wenn mir das zwischendurch albern und eng vorkam. Ich habe mich nie von diesen Erinnerungsstücken unserer gemeinsamen Geschichte getrennt.

Gegengift zur Welt der Verschwendung

Auch, wenn ich das heute mit mehr Abstand betrachte: Du, liebe Sparkasse, hast mir das Sparen gelehrt. Sparen, das habe ich jetzt erst verstanden, ist nur ein anderes Wort für Stabilität. Wenn alle so wären wie Du, gäbe es keine Staatsschuldenkrise und keine Bankenzusammenbrüche.

Du bist das Gegengift zu einer Welt der Verschwendung und der Kreditnahme auf Kosten von Menschen, die erst noch geboren werden müssen. Das ist falsch, aber es ist üblich. Es ist gefährlich, aber das hindert die Welt nicht daran, das Leben auf Pump für modern zu halten.

Auch dazu hat der Historiker Garon etwas Schlaues gesagt: Sparen will gelernt sein. Und er lobt, dass in den deutschen Ländern dieser Lernprozess schon Ende des 18. Jahrhunderts begonnen habe. Genau zu der Zeit, in der Du Deinen Ursprung hast. Die Sparquote der Deutschen, also der Anteil, den sie von ihrem Einkommen sparen, liegt seit langem relativ stabil um die zehn Prozent.

Die Sparquote der Menschen in den USA, Garons Heimat, ging lange gegen null und steigt jetzt nur langsam an. Garons trauriges Fazit für seine Heimat, der er das deutsche Vorbild entgegenhält: „Ein Land kann sich nicht für stark und gesund halten, solange die Mehrheit seiner Bevölkerung über zu wenig Ersparnisse für Notfälle und Alter verfügt.“

Spanische Sparkassen Kern der Kreditkrise

So wie die Tugend des Sparens in Deutschland nahezu unverändert blieb, hat sich auch die Struktur des Bankwesens weitgehend erhalten. In Italien etwa wurden viele Sparkassen privatisiert und fusioniert, so entstand der mächtige Finanzkonzern Unicredit, bei dem nur noch kommunale Stiftungen, die einen Teil der Aktien halten, an die Vergangenheit erinnern.

In Frankreich haben sich Sparkassen und Genossenschaftsbanken zusammengeschlossen, die in Deutschland immer noch jeder ein Reich für sich bilden. In Spanien sind die Sparkassen sogar der Kern der gegenwärtigen Kreditkrise und wurden daher zum Teil unter Druck der Regierung in Madrid und der Notenbank fusioniert, was ihre Probleme aber nicht wirklich gelöst hat.

In Deutschland ist das Sparkassensystem immer noch das gleiche. Dass Dein Reich heute so intakt ist, liegt auch daran, dass es hier nie eine Immobilien- und Kreditblase vergleichbar wie in den USA, Irland oder Spanien gegeben hat.

Aber wohl auch daran, dass wir es nicht ertragen könnten, wenn Du, liebe Sparkasse, jetzt auch noch ins Wanken geraten würdest. Mein Bild von Dir mag angesichts der Verfehlungen in London und anderswo verklärt sein, aber anders wäre das Leben eines Sparers im Moment wohl nicht zu ertragen.

Die neue gesichtslose Konkurrenz

So erfreue ich mich an Deinen deutschen Tugenden, etwa daran, dass bei Dir die Sicherheit an erster Stelle steht. Bei privaten Banken, da sind die Einlagen nur bis zu einem gewissen Grad abgesichert. Bei den öffentlich-rechtlichen Banken aber gilt das Prinzip der Institutssicherung: Wenn eines der Geldhäuser in Probleme gerät, fängt die Organisation es komplett auf und saniert es.

Zwar sind auch Deine Mittel begrenzt, und irgendwann, bei einer Krise vergleichbar wie in Spanien, wären sie wohl auch erschöpft. Aber bisher hat dieses Prinzip sehr gut funktioniert: Meine Sparkasse ist der Tresor meines Lebens.

Die Kanzlerin und ihr damaliger Finanzminister, Angela Merkel und Peer Steinbrück, ich erinnere mich noch gut, stellten sich in der Krise vor das Publikum und sagten, die Spareinlagen der Deutschen seien sicher. Sie beruhigten den deutschen Sparer mit dem Geld des deutschen Steuerzahlers.

Dabei stimmt diese Gruppe ja weitgehend überein. Als ich jetzt den Sparkassenpräsidenten Georg Fahrenschon traf, regte der sich daher zu Recht auf: „Banken, die schon dem Untergang geweiht waren und mit Steuergeldern gestützt wurden, machen uns heute beim Tagesgeld Konkurrenz. Das empfinde ich als ungerecht und wettbewerbsfeindlich.“

So viel Sicherheit Du also auch ausstrahlen magst - unantastbar bist Du nicht. Es gibt eine neue Konkurrenz, die ist gesichtslos. Das Internet war in Deiner Lebensgeschichte nicht vorgesehen. Dass Computer die Arbeit von Menschen erledigen, macht Dir sichtlich zu schaffen. Deine neue, elektronische Konkurrenz, die weitgehend mit Websites und elektronischen „Tools“ auskommt, will den Schalterbeamten überflüssig machen.

Du musst Dich diesem Wettbewerb stellen, dem Wettlauf der realen gegen die virtuelle Welt. Der realen gehören zwar meine Sympathien, doch die virtuelle ist schneller und kommt mit niedrigeren Kosten aus. Vor allem jüngere Leute stehen auf Onlinebanking - so drücken sie sich aus - und finden Menschen wie mich altmodisch.

Ich finde mich auch altmodisch. Aber ich glaube, es würde uns allen besser gehen, wenn wir ein wenig altmodischer würden. Eine langweilige Bank scheint mir eine gute Bank zu sein. Wir alle waren zu schnell, zu tollkühn, zu betrunken von den Versprechungen einer Zeit, die als neue Zeit angekündigt war. Den Kulturwandel, den die Deutsche Bank jetzt angekündigt hat, den hast Du in den Genen.

Wenn's um Geld geht, Sparkasse. So hieß früher Deine Werbung. Heute kommt sie mir gar nicht wie eine Werbung vor, sondern wie ein Keuschheitsgelübde in Zeiten der Finanzakrobatik, dem sich die anderen anschließen sollten, bevor es zu spät ist.

Wenn Du mich wieder in Deine Arme aufnehmen würdest, wäre ich Dir dankbar. Ich würde auch gern meine beiden Kinder mitbringen. Ich habe Ihnen erzählt, das es früher bei Dir zur Kontoeröffnung ein Sparschwein gab. Ich hoffe, ich habe nicht zu viel versprochen.

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