Branche im Wandel "Banken müssen unglaublich Gas geben"

Was Banken 2018 tun müssen. Quelle: Getty Images

Nicht nur die Niedrigzinspolitik der EZB und strengere Regulierungen belasteten 2017 die Banken. Diese vier Herausforderungen müssen die Geldinstitute im kommenden Jahr angehen, um konkurrenzfähig zu bleiben.

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Der Bankensektor steht vor einem Wandel. Die bisherigen Geschäftsmodelle der Geldhäuser werden sich in Zukunft nicht mehr lohnen. Dies hat gleich mehrere Gründe: Die Digitalisierung macht auch vor den Banken nicht halt, die Kundenbedürfnisse ändern sich, und ein Ende der Niedrigzinspolitik der EZB steht in naher Zukunft wohl noch nicht an.

Laut einer Studie der Unternehmensberatung Bain & Company befindet sich mehr als jede vierte Bank in Europa in einem kritischen Zustand und könnte Pleite gehen.

Damit es nicht soweit kommt, müssen die Banken dringend handeln und Lösungen für folgende vier Herausforderungen finden.

1. Neue Ertragsquellen finden

Eine wichtige Säule bei den Einnahmen war für Banken lange der Zinsüberschuss. Vor allem die Sparkassen und Genossenschaftsbanken richteten ihre Gewinnrechnung auf ihn aus. Doch die Differenz zwischen Einlagen und Krediten ist durch die Geldpolitik der EZB immer kleiner geworden. Während die Einnahmen sinken, steigen allerdings die Kosten. Neue Regulierungen und die Digitalisierung der Bankprozesse sind teuer. Deshalb sind Banken auf neue Einnahmequellen angewiesen.

So digitalisieren Banken ihr Geschäftsmodell

Bislang setzen sie vor allem darauf, Gebühren für bisher kostenlose Dienstleistungen einzuführen oder die Kontoführungsgebühren zu erhöhen. Das verärgert viele Kunden. Eine bessere Strategie wäre es, neue Produkte zu entwickeln, anstatt die Preisschraube anzuziehen. „Nur 20 Prozent der jetzigen Produkte der Banken werden die nächsten zehn Jahre überleben“, sagt der Trendforscher und Banken-Experte Dirk Herrmann.

Durch die Digitalisierung ergeben sich neue Möglichkeiten. Ab dem 13. Januar gilt die Zahlungsrichtlinie PSD2. Wenn Kunden es erlauben, dürfen künftig Drittanbieter Zugriff auf die Bankdaten erhalten. Diese ermöglichen es zum Beispiel, dass Fintechs dem Kunden personalisierte Finanzprodukte anbieten können. Diesen Trend dürfen Banken laut Herrmann nicht verschlafen und müssten selbst Produkte entwickeln, um nicht den Fintechs hier das Feld zu überlassen.

Dies sieht auch Nils Beier, Bankenexperte und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Accenture Strategy so. „Da müssen Banken weiter unglaublich Gas geben. Fintechs sind in ihren Nischen oft deutlich kundenorientierter als Banken.“

Im kommenden Jahr müssen Banken stärker auf digitale Angebote setzen und den Kunden viel individueller ansprechen.

2. Die Digitalisierung vorantreiben

Damit das überhaupt gelingen kann, müssen Banken sich intern anders aufstellen. „Die älteste, noch in der Industrie verwendete Software, finden Sie im Bankensektor“, sagt Herrmann. Die Umstellung dauert bei den Banken lange. Zu lange, findet Nils Beier. „Bei der Digitalisierung können die deutschen Banken noch deutlich effizienter, schneller und flexibler werden.“

Bis bei Banken ein neues digitales Produkt auf den Markt komme, dauere es meistens mindestens sechs bis zwölf Monate. Die Konkurrenz aus der Fintech-Szene ist da deutlich schneller. Nicht zuletzt deswegen, weil sie weniger Regulierungen einhalten müssen als Banken. Dennoch müssten Banken in der Lage sein, kleine Features auch innerhalb weniger Wochen auf den Markt zu bringen und zu testen, meint Beier.

Doch nicht nur die Geschwindigkeit sei bei der Digitalisierung ein Problem. Banken müssten auch besser die Kundenwünsche analysieren und innovativere Produkte entwickeln. Die Kosten der Digitalisierungsprojekte seien zu hoch und die Kunden nähmen diese oftmals nicht gut an. „Da stecken die Banken bislang noch teilweise in den Kinderschuhen“, sagt Beier.

3. Neue Regulierungen gut umsetzen

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Europäische Zentralbank haben auf die Bankenkrise 2008 reagiert, indem sie die Regulierung immer weiter verschärft haben. Dies soll eine erneute Krise verhindern oder zumindest abmildern. Auch 2018 kommen wieder einige neue Vorschriften wie die PSD2-Richtlinie auf die Banken zu. Nicht jedes Institut kommt damit zurecht.

Einer Studie des Beratungs- und Softwarehauses PPI zufolge, schafft es voraussichtlich jedes sechste Geldhaus nicht, die MiFID-II-Vorgaben pünktlich zum 3. Januar umzusetzen. Diese neuen europäischen Richtlinien für Wertpapiergeschäfte sehen unter anderem vor, dass Kunden vor dem Abschluss eines Wertpapiergeschäftes transparent alle Kosten für das Produkt aufgelistet bekommen. Außerdem müssen die Banken sämtliche Beratungsgespräche am Telefon künftig aufzeichnen.

Auch bei der Umsetzung der neuen EU-Datenschutz-Verordnung, welche im Mai in Kraft tritt, hapert es bei vielen Banken. Bei einer Umfrage eines Marktforschungsinstituts unter hundert Bankmanagern Mitte Dezember gaben 56 Prozent an, dass ihr Haus auf die Umstellung bislang noch schlecht vorbereitet sei.

Für Beier von Accenture Strategy, sind das unhaltbare Zustände. Banken müssten die Regulierungen möglichst effizient umsetzen. „Das ist nichts neues, wird in Zukunft aber immer wichtiger und komplexer.“ Angesichts der schwindenden Einnahmen sei es für die Banken umso wichtiger, die Kosten für die Umsetzung der neuen Vorschriften so gering wie möglich zu halten.

4. Sich auf eine neue Krise vorbereiten

Die deutsche Wirtschaft brummt. Seit Jahren wächst das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um knapp zwei Prozent pro Jahr. Das nützt auch Deutschlands Geldhäusern. „Die Banken haben von den historisch niedrigen Kreditrückstellungen profitiert und sich teilweise auch darauf eingestellt“, sagt Beier. Doch auch wenn derzeit die Konjunkturprognosen weiterhin positiv sind, wird die nächste Rezension kommen.

Höheres Tempo beim Filialsterben
Die Gründe für die Schließung der FilialenIn den letzten beiden Jahren wurden in Deutschland etwa 2.200 Bankfilialen geschlossen. Ein Hauptgrund dafür ist die zunehmende Digitalisierung. Diese bringt zum Beispiel neue Technologien mit sich. Dadurch ändern sich auch die Kundenanforderungen, auf welche die Banken dann reagieren müssen. Neben diesen Gründen wollen die Banken selbstredend ihre Effizienz steigern. Außerdem spielt auch der demographische Wandel eine nicht unbedeutende Rolle.(Quelle: KfW Research) Quelle: dpa
Die ZahlenVon 2001 bis 2015 nahm die Anzahl der Bankfilialen in Deutschland durchgehend ab. Durchschnittlich wurden pro Jahr etwa zwei Prozent der Standorte geschlossen. 2002 wurden mit 5,6 Prozent prozentual die meisten Filialen aufgegeben. Zwischen 2006 und 2012 schwankten die Zahlen zwischen 0,5 Prozent und 1,7 Prozent. Seit 2013 steigen die Zahlen wieder, sodass 2015 vier Prozent der Standorte wegfielen. Quelle: dpa
Alle Kreditinstitutstypen sind betroffenDass ein Kreditinstitutstyp besonders von dem Abbau betroffen ist, lässt sich nicht feststellen. Beispielsweise im Jahr 2015 wurden bei den Genossenschaftsbanken 3,9 Prozent der Filialen geschlossen, bei den Kreditbanken waren es 3,8 Prozent und bei den Sparkassen 4,2 Prozent. Auch in den vorherigen Jahren sind die Unterschiede nicht gravierender. Quelle: REUTERS
Fast alle Regionen betroffenDer innerdeutsche Vergleich zeigt, dass die meisten Regionen in Deutschland von den Schließung der Filialen betroffen sind. Es besteht allerdings ein Unterschied zwischen ländlichen Regionen – seit 2000 wurden hier durchschnittlich 27 Prozent der Bankfilialen geschlossen – und Städten – hier waren es „nur“ 23 Prozent. Entgegen des allgemeinen Trends konnten auch einige Regionen einen Anstieg verzeichnen. Der Spitzenreiter dieser Regionen ist Frankfurt am Main (Bild) mit einem Anstieg von 59 Prozent. Quelle: dpa
Europäischer DurchschnittIm Vergleich zu den anderen europäischen Staaten liegt Deutschland bei der Filialdichte angeht – mit 3,5 Filialen pro 10.000 Einwohner – im Mittelfeld. Spitzenreiter ist Spanien mit 6,7 Standorten und Schlusslicht sind die Niederlande mit einer Filiale, hier wurden zwischen 2000 und 2015 66 Prozent der Zweigstellen geschlossen. In Ländern wie Frankreich und Portugal wurde das Filialnetz entgegen des Trends sogar deutlich ausgebaut. Quelle: dpa
Immer weniger StandorteSetzt sich der Trend weiter fort und das Tempo, in welchem die Banken geschlossen werden, bleibt weiterhin so hoch, werden im Jahr 2035 etwa 52 Prozent der Filialen geschlossen sein, die noch im Jahr 2000 existierten. Nebenbei müssen die Kreditinstitute die fortschreitende Digitalisierung bewältigen und versuchen, dass trotz des Rückbaus der Filialnetzes die Qualität und Quantität der Versorgung der Kunden nicht leidet. Quelle: dpa

Darauf müssen sich die Banken einstellen, denn mit der Rezension wird es auch zu Kreditausfällen und Firmeninsolvenzen kommen. „Davon werden die meisten Banken betroffen sein, da die Reaktionszeiten zur Umsteuerung immer noch recht lange sind“, sagt Beier. Darum müssten sich die Banken bereits jetzt intensiv mit diesem Szenario befassen.

Ansonsten droht eine Neuauflage der Krise von 2008.

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