
Fakt ist: Der Bremer Landesbank (BLB) fehlen zum Jahresschluss 350 bis 400 Millionen Euro in der Kasse. Das Defizit ist Folge der faulen Schiffskredite, für die die Europäische Zentralbank eine deutlich höhere Risikobewertung verlangte. Der Hauptgesellschafter NordLB will einspringen, das aber nach dem Motto: „Wer zahlt, bestimmt die Musik.“ An Misstönen fehlt es nicht.
Was sind die Optionen?
Eigentlich geht es nur noch um eine Option. Die NordLB, Norddeutschlands größte Landesbank, will die BLB komplett übernehmen. Schon jetzt gehören ihr 54,8 Prozent. Wie aus Bremer Parlamentskreisen verlautete, will die NordLB den Anteil des Bundeslandes Bremen (41,2 Prozent) übernehmen. Der Preis ist noch unklar. Es zirkuliert die unbestätigte Summe von 200 Millionen Euro.
In Bremen sorgt das für entschiedenes Kopfschütteln. Das Bundesland stockte im August 2012 seinen 7,5-prozentigen Anteil durch die Umwandlung seiner stillen Einlagen in Höhe von 480 Millionen Euro auf 41,2 Prozent auf. Den Betrag hätte man schon gerne wieder. Weniger wäre ein herber finanzieller und politischer Verlust.
Die wichtigsten Antworten zur Bremer Landesbank
Bei der Bremer Landesbank (BLB) ist eine Bombe hochgegangen: Für 2016 erwartet die Bank bei an die Schiffsbranche vergebenen Krediten unerwartete Abschreibungen massiver Art; es geht um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag, also um weit mehr als eine halbe Milliarde Euro. Das Spezialgebiet Schiffsfinanzierung ist Teil der DNA bei der maritim geprägten BLB. Der Auslöser der Wertberichtigungen: „anhaltend schwierige Marktbedingungen“, wie die BLB kürzlich berichtete.
Die sind zwar noch nicht absehbar. Doch fest steht: Die BLB benötigt dringend frisches Geld, und das nicht zu knapp. Doch was sie selber wenig konkret als „Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals“ bezeichnet, wirft Fragen auf. Denn hinter dem Geldhaus steht das Land Bremen mit einem Anteil von 41 Prozent und vor allem die Landesbank NordLB mit 55 Prozent, die mehrheitlich Niedersachsen gehört. Das birgt Sprengstoff: Wer soll und darf bei der Misere einspringen und zu welchem Preis? Die BLB müsste womöglich Teile ihrer Eigenständigkeit aufgeben.
Für gewöhnlich müssten die Träger Geld nachschießen. Doch das hätte gleich mehrfach einen Haken: Bremen ist hoch verschuldet und Stützen aus der Hansestadt wären offensichtlich eine laut EU-Recht verbotene Beihilfe, die dem fairen Wettbewerb zuwiderliefe. Theoretisch könnte die NordLB die Sache übernehmen, die Stütze überweisen und das Geld bei sich abschreiben. Doch sie steckt selber in der Krise und hat nichts zu verschenken, zumal ihre Dividende zuletzt öfter ausfiel. Alternativen wären eine Komplettübernahme oder eine Fusion. Doch das benötigte nicht zuletzt auch den politischen Rückhalt beider Länder.
In den Schiffsfinanzierungen steckten bei der BLB Ende 2015 fast 8 Milliarden Euro Vermögen. Bei ihrer Bilanzsumme von insgesamt rund 30 Milliarden Euro ist das gut ein Viertel. Das Segment ist schon länger verlustbringend: 153 Millionen Euro Zinsgewinnen standen 2015 fast 390 Millionen Euro Risikovorsorge für Kreditausfälle entgegen. Auch 2014 war der Bereich dick im Minus, als es zwar 129 Millionen Euro Zinsgewinn gab, aber 216 Millionen Euro Risikopuffer. Zum Vergleich die weitaus größere Bilanzsumme der NordLB: 181 Milliarden Euro.
In einer Mitteilung an die Finanzmärkte schreibt das Geldhaus: „Damit reagiert die Bremer Landesbank auf ihre veränderte Einschätzung des Marktes für Schiffsfinanzierungen, der sich nach Erwartung der Bremer Landesbank mittelfristig nicht signifikant erholen wird.“ BLB-Chef Stephan-Andreas Kaulvers ließ erklären, dass die „Bereinigung und der Abbau des Schiffsportfolios mit hohen Wertberichtigungen verbunden sein werden (...) Das ist für uns herausfordernd, aber beherrschbar.“
Nein, die Schiffsbranche steckt seit Jahren tief in der Krise. Auch die große NordLB musste im Startquartal 2016 wegen maroder Kredite einen neuen Risikopuffer über 435 Millionen Euro bilden, was unterm Strich mit 84 Millionen Euro Verlust brachte. „Wir erwarten auch in den kommenden Quartalen keine Verbesserung der Lage an den Schiffsmärkten“, sagte NordLB-Chef Gunter Dunkel Mitte Mai. Das Jahr 2016 soll daher auch bei der NordLB mit einem Verlust enden.
Offensichtlich sah sie lange Hoffnung für Licht am Ende des Tunnels. Zwar schrieb sie in der Bilanz für 2015 von „weiterhin erheblichen Belastungen“ im Schiffssegment. Auch bestünden durch den Schwerpunkt in dem Segment generell „hohe Konzentrationsrisiken“ und „eine nachhaltige Erholung des Schifffahrtssektors ist aufgrund hoher Überkapazitäten weiter unsicher“. Doch für das Gesamtbild gelte: „Die grundlegende Ertragskraft der Bank wird weiter insgesamt als zufriedenstellend erachtet und bietet eine Grundlage, um den Herausforderungen im Schiffssegment (...) zu begegnen.“
Das entscheidet die BLB nicht alleine. Sie muss Vorschriften zufolge die Lage so gut wie möglich einschätzen. Dabei bedient sie sich nach eigener Aussage „externer Prognosen des Bewertungssachverständigen Weselmann sowie der führenden Marktforschungsinstitute Marsoft und MSI“. Das Ergebnis hielt den Wirtschaftsprüfern von KPMG stand, die der Bilanz 2015 attestierten, „keine Einwendungen“ zu haben.
Die CDU-Opposition in der Bremer Bürgerschaft wirft Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) Blauäugigkeit vor. Sie leitet bei der BLB den Aufsichtsrat. „Es sieht aus, als habe sie bei ihrer Kontrollfunktion versagt“, kritisierte der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jens Eckhoff. Ebenso wie die Opposition in Niedersachsens Landtag will sie die Lage zum Thema im Parlament machen.
Ein Sprecher sagte am Montag: „Die BLB beobachtet rechtzeitig und fortlaufend die risikoorientierte Entwicklung sämtlicher Kreditportfolien.“ Auf der Schiffskrise liege dabei ein besonderer Fokus. Die nun bekanntgegebenen riesigen Abschreibungen begründete der Sprecher mit dem „Reifegrad der zugrundeliegenden Erkenntnisse“. Von einer zögerlichen Haltung könne keine Rede sein. „Über den Status des Portfolios und die Maßnahmen des Vorstandes wurde und wird in den Gremien der Bank seit Jahren regelmäßig berichtet.“ Der Sprecher sagte zudem, dass diese Woche Aufsichtsrat und Risikoausschuss tagen.
Welche Varianten wurden noch diskutiert?
Aus dem Rennen sind zwei andere Varianten: Das „Upstreaming“-Modell und eine Bremer Kapitalspritze. Im ersten Fall hätte Bremen im Tausch für seinen Anteil einen geringen, vermutlich nur dreiprozentigen Anteil am NordLB-Konzern erhalten. Da gab es einerseits Bedenken aus Brüssel, aber auch bei der NordLB und der niedersächsischen Landesregierung. Denn für einen solchen Schritt hätten beide Banken einen komplizierten Bewertungsprozess durchlaufen müssen. Eine eigene Kapitalspritze kam für das Haushaltsnotlageland Bremen schon sehr früh nicht in Frage.
Was sind die Befürchtungen?
Die „Causa BLB“ ist politisch, weil zwei – übrigens rot-grün geführte – Bundesländer mit im Spiel sind. Niedersachsen hält rund 60 Prozent an der NordLB. Den stolzen, aber armen Bremern geht es um die Eigenständigkeit und dazu gehört die BLB. Die hält rund zwei Dutzend Beteiligungen. Dazu gehören die wichtige und „hafensensible“ Bremer Lagerhaus-Gesellschaft BLG (12,61 Prozent), die Bremische Wohnungsbaubeteiligungsgesellschaft (50) und die Bremische Grundstücks-GmbH & Co. KG (100). Hauptgesellschafter bei der BLG ist und bleibt die Stadt Bremen (50,4).
Wie mit diesen Beteiligungen umgegangen wird, ist noch unklar und Teil der Verhandlungen. Aber in Bremen hat man ein mulmiges Gefühl, denn die NordLB könnte sich ja von Beteiligungen trennen und sie weiter verkaufen. Bei der BLG kommt hinzu, dass Niedersachsen und Bremen im Hafengeschäft durchaus auch Konkurrenten sind.
Wie sieht es bei den Schiffsfinanzierungen aus?
Die BLB und im stärkeren Umfang die NordLB sind traditionell als norddeutsche Banken stark in maritimen Feld aktiv. Die NordLB will einen Teil ihrer faulen Schiffskredite an den US-Investor KKR Credit abgeben. Die BLB hat ihr Portfolio deutlich reduziert. Derzeit umfasst das Portfolio 6,5 Milliarden Euro. Bis 2020 sollen es nur noch vier Milliarden sein. Von einst 1000 Schiffen im Jahr 2008 hatte die BLB zum Stichtag 31. Dezember 2015 noch 648 Schiffe in Fahrt.
Warum will die NordLB die BLB?
Der Bremer Linken-Abgeordnete Klaus-Rainer Rupp sprach schon im Juni von einem Skript für eine „feindliche Übernahme“. Eine Liebesheirat dürfte es jedenfalls nicht sein. Die NordLB könnte durch die Übernahme die Basis der Risikovorsorge verbreitern und Synergien nutzen. 10 Prozent der 1000 BLB-Mitarbeiter könnten möglicherweise ihren Job verlieren. Ein weiterer Grund: „Ohne die Schiffskredite ist die BLB eine kerngesunde Bank“, heißt es aus den Gremien der Geldhauses. Das wird auch von der NordLB so gesehen.
Wie geht es weiter ?
Die BLB will am kommenden Donnerstag (01.09.) ihrer Halbjahreszahlen vorlegen. Am Tag zuvor tagen in Bremen die BLB-Gremien, zu denen die Träger (Gesellschafter), der Aufsichtsrat und dessen Ausschüsse und der Vorstand gehören. Es dürfte ein langer Tag werden. Ob es eine Entscheidung über die Zukunft der BLB gibt, gilt als unwahrscheinlich. Bis Ende des Jahres muss aber eine Lösung gefunden werden.