
Monsieur Oudéa, die Société Générale ist die am stärksten in Russland engagierte Bank Europas. Wie besorgt sind Sie?
Unser Risiko ist begrenzt. In der Ukraine sind wir so gut wie nicht vertreten, unsere Kredite in Russland machen weniger als fünf Prozent unseres Gesamtengagements aus. Wir haben vorsichtig agiert und darauf geachtet, dass unser Wachstum vor allem aus lokaler Finanzierung hervorgeht. Bislang sind unsere russischen Aktivitäten nicht beeinträchtigt. In den nächsten Quartalen wird die Wirtschaft weniger wachsen, aber mittel- bis langfristig sehe ich für uns gute Chancen.
Eine Eskalation der Krise und harte wechselseitige Sanktionen würden Sie aber empfindlich treffen, oder?
Wir rechnen mit einem weiteren diplomatischen Dialog und moderaten Sanktionen, solange der Konflikt auf die Krim beschränkt bleibt. Dafür sind die wirtschaftlichen Verbindungen viel zu eng. Europa braucht dringend Wachstum. Das wird es – außer vielleicht in Deutschland – kaum durch mehr Staatsausgaben und mehr Konsum geben, sondern nur durch höhere Exporte und Investitionen. Russland bleibt ein besonders wichtiger Markt. Für die Politik steht zu viel auf dem Spiel. Euroskeptische Parteien gewinnen in vielen Ländern Stimmen, weil es zu wenig Wachstum gibt.





Das gilt auch für Frankreich. Wird die Regierung wegen der Niederlage bei den Kommunalwahlen von ihrem vorsichtigen Reformkurs abweichen?
Einen Rückzieher kann sie sich kaum leisten. Wir brauchen dringend weitere Strukturreformen. Die Staatsausgaben müssen sinken, damit die Steuern für Unternehmen und Privathaushalte sinken können. Die Unternehmensgewinne sind insbesondere wegen der hohen Steuern und Sozialabgaben unter Druck. Das hält von Investitionen ab, und ohne die gibt es kein Wachstum. Es müssen nicht alle Reformen auf einen Schlag passieren. Aber wir brauchen einen klaren und verlässlichen Plan, um Vertrauen wieder aufzubauen.
Sollte die EZB das Wachstum durch eine erneute Zinssenkung fördern?
Wenn überhaupt, ginge es hier nur um symbolische Schritte mit dem Ziel, den Wert des Euro im Verhältnis zum US-Dollar zu schwächen und damit die Exporte anzukurbeln. Dazu dürfte es aber ohnehin kommen. Die US-Wirtschaft läuft immer besser, die Notenbank Fed bereitet einen Zinsanstieg vor, während die EZB die Zinsen wohl für lange Zeit niedrig halten wird.
Wettbewerbsfähigkeit kann aber nicht auf Dauer von der Geldpolitik abhängen.
Natürlich nicht, die einzelnen Volkswirtschaften müssen sich in ihrer Leistungsfähigkeit annähern. Dafür sind weitere Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im Steuerrecht nötig. Zusätzlich brauchen wir mehr europäische Integration. In Schlüsselindustrien wie Energieversorgung und Telekommunikation fehlt ein einheitlicher gesetzlicher Rahmen.