So viel trautes Heim war selten. Schon zum zweiten Mal in Folge darf sich Commerzbank-Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller auf der Hauptversammlung über eine Tafel „Merci“-Schokolade freuen. Ein Kleinaktionär überreichte Müller den süßen Dank für dessen Jahre als Chefkontrolleur der Bank. Andere übermittelten schöne Grüße und bekannten sich als „Fan“.
„Danke für alles Gute, was Sie gemacht haben. Das schlechte vergessen wir und wünschen alles Gute für weiteres Leben“, nutzte eine Aktionärin ein kenianisches Sprichwort zum Dank.
Auch Vorstandschef Martin Zielke sparte nicht am Lob. „Die Bank mit ihrer besonderen Kultur trägt Ihre Handschrift“, erklärt der Commerzbank-Chef. Und selbst kritische Aktionärsvertreter finden nur wohlwollende Worte für Müller, der nach zehn Jahren aus dem Aufsichtsrat der Commerzbank ausscheidet und durch den ehemaligen Risikovorstand der Bank, Stefan Schmittmann, ersetzt wird.
Ob des vielen Lobes gibt sich Müller geschmeichelt. „So viele Fans habe ich ja in den vergangenen Jahren nicht gehabt“, sagt der intern KPM genannte Aufsichtsratschef. So spiegelt denn der Aktienkurs die plötzliche Euphorie der Aktionäre auch nicht wider. Mehr als 90 Prozent ihres Werts verlor die Aktie seit Mai 2008, als Müller Chefkontrolleur wurde. Gravierende Tiefschläge gehen auf sein Konto. So kaufte Müller vor der Finanzkrise erst den Immobilienfinanzierer Eurohypo und übernahm dann auch noch die Dresdner Bank. Das Ende ist bekannt, der Bund musste die strauchelnde Commerzbank mit Staatsgeld retten und hält weiterhin rund 15 Prozent der Anteile an der Bank.
Aber es scheint, als hätte Müller mit seiner rheinisch-humorigen Art so manch dividendenfreies Jahr wettgemacht. Dabei hilft ihm allerdings auch die Tatsache, dass die „Freunde in der Taunusanlage“ im Moment deutlich mehr Probleme haben, wie ein Aktionärsvertreter mit Blick auf die Deutsche Bank feststellt.
Tatsächlich kommt es bei Aktionären und Investoren gut an, dass die Commerzbank im Gegensatz zur Konkurrenz offensichtlich eine durchdachte Strategie hat. Das gesteckte Ziel von zwei Millionen neuen Privatkunden bis 2020 scheint dank hoher Willkommensboni für Girokonten nur noch eine Frage der Zeit, die Kosten für die Restrukturierung hat die Bank schon im Jahr 2017 verbucht und deshalb für 2018 erstmals wieder eine Dividende angekündigt. Er plane eine „konservative Auszahlung“, sagt Commerzbank-Chef Zielke. Im ersten Quartal habe man den Aufwand dafür entsprechend abgegrenzt. Auch in den nächsten Jahren sollen, wenn möglich, 30 bis 40 Prozent des Gewinns ausgeschüttet werden.
Damit das gelingt, muss die Bank in den nächsten Monaten vor allem profitabler werden und ihre Erträge steigern. Diese seien zu Jahresbeginn stabil gewesen, sagt Zielke. Aber in beiden Kernsegmenten, dem Privat- und Firmenkundengeschäft, war das operative Ergebnis 2017 deutlich gesunken. Zwar funktioniere die Wachstumsstrategie der Bank laut Insidern bisher gut, aber langsam stoße sie dank des gleichzeitig stattfindenden Personalabbaus an Grenzen.
So digitalisieren Banken ihr Geschäftsmodell
Durch Auswertung des Kundenverhaltens über alle Kanäle (Online, Mobil, Filiale) können Kundenbedürfnisse besser gefiltert werden und so der ideale Zeitpunkt für eine individuelle Kundenansprache identifiziert werden.
Quelle: Roland Berger
Die Neukundengewinnung ist in den letzten Jahren sehr schwierig geworden. Banken müssen daher innovative Ideen entwickeln, um Neukunden mit einfachen und digitalisierten Produkten zu überzeugen.
Es reicht nicht aus, Geschäftsmodelle zu optimieren. Banken müssen auch ihr Wachstum vorantreiben und neue Geschäftsfelder erschließen.
Durch Kooperationen mit branchenfremden digitalen Playern oder FinTech-Unternehmen bekommen Banken direkten Zugang zu innovativen Ideen und lernen die Denkweise der "Digital Natives".
Fehler müssen erlaubt sein, denn nur so können sich Organisationen in dem sich ständig ändernden digitalen Umfeld weiterentwickeln.
Digitalisierung ermöglicht eine neue Art des Kundenservice. Um diese Chancen nutzen zu können, muss ein radikaler Kulturwandel in den Banken stattfinden.
Die Digitalisierung muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zum Back Office stattfinden, damit auch komplexe Finanzprodukte schnell und zuverlässig abgewickelt werden können.
Teilweise fehle mittlerweile gar das Personal, um die vielen Neukunden anständig zu betreuen. Ein Problem dabei ist die veraltete IT, die weiteren Synergien im Wege steht. Vor diesem Hintergrund klingen die langfristig angestrebten sechs bis acht Prozent Rendite aufs Eigenkapital sehr ambitioniert. Ohne Sondereffekte sind es aktuell bisher etwas mehr als drei Prozent.
Die Strategie überwachen muss künftig Schmittmann. Nach dem präsidialen Müller sei er deutlich umgänglicher und offener, heißt es im Umfeld des Aufsichtsrats. Ob der 61-Jährige sich im kommenden Jahr auf seiner ersten Hauptversammlung auch über eine Tafel „Merci“-Schokolade freuen darf, dürfte stark davon abhängen, ob die Bank wie angekündigt für 2018 eine Dividende zahlt oder nicht.